Die im Positionspapier zur Zukunft der Bundeswehr von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vom 9. Februar angekündigte Entscheidung zur Beschaffung eines schweren Transporthubschraubers (STH) im zweiten Quartal dieses Jahres dürfte sich in die kommende Legislaturperiode verschieben.
„Nach dem Abbruch des bisherigen Vergabeverfahrens wurde durch einen der Anbieter ein Nachprüfungsverfahren veranlasst. Aufgrund der anschließenden Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist eine abschließende Entscheidung zum weiteren Vorgehen zurzeit nicht möglich“, schreiben die Autoren des jüngst veröffentlichten Rüstungsberichts der Bundesregierung.
Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, ist die erste Anhörung in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf allerdings erst für den 27. Oktober terminiert und damit nach der Wahl im September. Eine Entscheidung zum STH wird somit voraussichtlich erst der neue Verteidigungsminister oder die neue Verteidigungsministerin treffen. Nach Marktsichtung kommen nur das Muster CH-47F „Chinook“ des US-Konzerns Boeing und das Muster CH-53K „King Stallion“ des zu Lockheed Martin gehörenden Herstellers Sikorsky als zukünftiger STH in Betracht.
Beobachter erstaunt in dem Zusammenhang, dass das BMVg im Februar die Aussage zur Entscheidung im 2. Quartal gemacht hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits der Nachprüfungsantrag von Sikorsky bei der Vergabekammer des Bundes vorlag und die Anhörung für den 21. Februar vorgesehen war. Die Entscheidung fiel dann erst Anfang März. Die Vergabekammer des Bundes stellte seinerzeit fest, dass der Abbruch des Vorhabens rechtswirksam sei. Damit muss das BMVg nach Ansicht des Bundeskartellamtes das Verfahren nicht fortführen.
Gleichzeitig wurde in dem Beschluss aber die Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung festgestellt. Grund für diese Feststellung war demnach, dass die durch die Bundeswehr vorgenommene Schätzung der Beschaffungskosten für die Hubschrauber, die Grundlage für die Beantragung der Haushaltsmittel bildeten, nicht nachvollziehbar dokumentiert waren.
Gegen diese Entscheidung der Wirksamkeit bei Rechtswidrigkeit legten dann dem Vernehmen nach sowohl Lockheed Martin als auch das BMVg Widerspruch vor dem OLG Düsseldorf ein, so dass dort im Oktober weiter verhandelt wird.
Das bereits im Februar 2019 eingeleitete Vergabeverfahren für den STH war im September vergangenen Jahres aufgehoben worden, da die Angebotspreise der Bieter Boeing und Sikorsky deutlich über den im Bundeshaushalt für die Beschaffung veranschlagten Kosten lagen. Lockheed Martin wandte sich daraufhin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer des Bundes und beantragte, die Bundeswehr zur Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu verpflichten oder zumindest hilfsweise auszusprechen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war.
Trotz der rechtlichen Unwägbarkeiten will das BMVg weiterhin neue Helikopter kaufen. Die Bundeswehr habe einen unverändert dringenden Bedarf an einem STH als Nachfolger der CH-53 ab dem Jahr 2026, heißt es im aktuellen Rüstungsbericht. Das Verteidigungsministerium habe daher entschieden, an seiner Beschaffungsabsicht für einen zukünftigen schweren Transporthubschrauber im bisher vorgesehenen Kostenrahmen und auf Grundlage der essenziellen und anerkannten funktionalen Forderungen für eine solche Fähigkeit festzuhalten.
Weiter schreiben die Autoren des Berichts: „Es wurde auch entschieden, die bisher durch das BAAINBw veranlassten Untersuchungen zur Beschaffung eines zukünftigen schweren Transporthubschraubers weiter voranzutreiben, um in der kommenden Legislaturperiode unverzüglich einen Beschaffungsvertrag schließen zu können, sobald die rechtlichen und haushalterischen Voraussetzungen gegeben sind.“
lah/1.6.2021