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Ohne Feuerkraft ist alles nichts

Joe Weingarten

Die Artillerietruppe wird signifikant aufwachsen, von vier auf dreizehn Verbände – das ist richtig so! Denn das Schlachtfeld in der Ukraine zeigt in dramatischer Art und Weise: Ohne Feuerkraft ist alles nichts. In Zukunft soll jede Brigade ihre eigene indirekte Feuerunterstützung besitzen. Ebenso wie die darüberliegenden Divisionen und die Korpsebene.

Jedes Jahr, das verstreicht, ohne dass neue Artilleriesysteme für die Bundeswehr beschafft werden, um die Strukturen aufzufüllen, bedeuten ein Jahr mehr, in dem unsere Soldatinnen und Soldaten ohne das Gerät dastehen, welches sie zur Erfüllung ihres verfassungsgemäßen und politischen Auftrages benötigen. Doch der rasche Aufwuchs der Artillerie – noch in diesem Jahrzehnt – ist von enormer Bedeutung. Nicht nur für die militärische Durchsetzungsfähigkeit unserer Streitkräfte. Denn die Artillerie steht, nach dem sie während der Friedensdividende fast dasselbe Schicksal wie die Heeresflugabwehrtruppe getroffen hätte, heute symbolisch für unsere Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Symbolisch für die Kriegstauglichkeit. Symbolisch für die Zeitenwende.

Als Wahlkreisabgeordneter für die Kreise Bad Kreuznach und Birkenfeld, wo die Artillerieschule – das Mutterhaus der Artillerie – in Idar-Oberstein liegt, und Berichterstatter für das Deutsche Heer der SPD-Bundestagsfraktion, sehe ich es als meine Aufgabe für die konsequente und schnelle Durchführung des Aufwuchses der Artillerie zu kämpfen.

Effektiv werden wir den Umfang der Artillerietruppe in den nächsten Jahren verdoppeln. Von rund 3.200 auf 6.000 Soldatinnen und Soldaten. Von etwas mehr als 120 Rohrartilleriegeschützen auf rund 300 Haubitzen. Von rund 40 Raketenwerfern auf 80 Systeme. Alles auf Kette und auf Rad. Ich bin froh, dass wir dieses Jahr voraussichtlich mit der Beschaffung einer Radhaubitze und eines Rad-Raketenwerfers die Weichen für zukünftige Systeme stellen. Es stehen hochmoderne Systeme zur Auswahl, die weitere technologische Entwicklungen, gerade im Munitionsbereich, in der Zukunft integrieren können. Heute Ausharren, um auf neue technologische Impulse zu warten, ist der falsche Weg.

Denn durch die Aufstellung der neuen Artilleriebataillone müssen die geringen vorhandenen Ressourcen nun von noch mehr Truppenteilen gemeinsam genutzt werden. Das „Dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ darf jedoch keinesfalls ein Diktum der Zeitenwende sein. Die neu aufzustellende Brigade in Litauen wird die Notwendigkeit innerhalb der Artillerietruppe zu priorisieren weiter verschärfen. Deshalb ist die schnelle Beschaffung aller notwendigen Systeme so wichtig. Wir müssen aus dem Malen neuer Kästchen ins Handeln kommen. Das bedeutet Zeitenwende.

Darüber hinaus müssen wir uns klar sein: Quantität hat eine Qualität an sich. Die Dauer dies Krieges in der Ukraine, aber auch die Dauer des Krieges in zwischen Israel und der Hamas zeigen vor Allem eines: Die Bedeutung von militärischen Reserven. Deshalb müssen wir Reserven aufbauen. Nur durch die Mobilisierung seiner tiefen, strategischen Reserven ist Russland in der Lage seinen Krieg in der Ukraine in die Länge zu ziehen. Diese Reserven fehlen uns heute, ich bin jedoch der Überzeugung, dass wir sie auch planerisch berücksichtigen müssen.

Die neuen Artilleriesysteme müssen unsere gesamte Planung ankurbeln: Auch Personal und Infrastruktur müssen mitgedacht und beherzt angepasst werden. Die Planungen für den Umbau der Artillerieschule laufen bereits viele Jahre, der aktuelle Umbauplan wurde 2018 fertiggestellt – vier Jahre vor Zeitenwende, Sondervermögen und Umbau der Bundeswehr. Dementsprechend wissen wir heute bereits, dass die Kapazitäten der Artillerieschule bei einer perspektivischen Verdopplung der Truppengattung nicht ausreichen werden. Auch die Einführung neuer Mörsersysteme, Drohnen und der Notwendigkeit, artilleristisches Verständnis in alle Truppenteile zu bringen, wird die Artillerieschule in ihrer heutigen Konzeption weit über ihre Kapazitätsgrenze führen. Wir können uns jedoch keine langwierigen neuen Planungs- und Genehmigungsprozesse leisten. Unser Anspruch der Kriegstüchtigkeit wird nicht von uns gestellt, sondern von Wladimir Putin. Deshalb setze ich mich auch dafür ein, dass die Planungen der Artillerieschule schnell und effektiv überarbeitet werden. Ich bin mir sicher: All diese Prozesse können nur beschleunigt werden, wenn wir damit beginnen Ideen beherzt umzusetzen.

Dr. Joe Weingarten ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für das Heer

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