Wenn am morgigen Mittwoch die für die Bundeswehrausrüstung maßgeblichen Ausschüsse für Haushalt und Verteidigung tagen, werden einige für die Modernisierung der Streitkräfte wichtige Vorhaben auf der Tagesordnung der Ausschüsse fehlen. Obwohl die entsprechenden 25-Mio-Vorlagen teilweise bereits vor über einer Woche an das Parlament übermittelt wurden, sind beispielsweise die Vorhaben für die Beschaffung von Sprechsätzen mit Gehörschutzfunktion und für den Schweren Waffenträger Infanterie heute wieder von der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses geflogen.
Auf die Tagesordnung des Haushaltsausschusses haben es die beiden Vorhaben gar nicht erst geschafft, genauso wenig wie das Vorhaben für die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für ein Eurofighter „Flying Test Bed“ zur Nachweisführung des neuen ESCAN-Radars. Kurzfristig auf die Tagesordnung wird dagegen die Einführung des Flugabwehrkanonenpanzers Skyranger kommen, wie Insider vermuten. Schließlich wird das Thema Luftverteidigung als besonders wichtig erachtet. Gebilligt werden sollen rund 650 Millionen Euro für den Kauf von 19 Skyranger-Flakpanzern samt einer Anzahl von Nachladefahrzeugen, Werkstattausstattungen und Simulatoren.
Offenbar sind nicht alle Parlamentarier mit dem eingeschlagenen Weg einverstanden. „Es geht darum, die Zeitenwende jetzt energisch umzusetzen. Während in Russland die Rüstungsschmieden auf Hochtouren laufen, dürfen wir uns nicht in Detailfragen verzetteln. Olaf Scholz und Boris Pistorius stehen klar hinter der Zeitenwende. Der Bundestag darf nicht Bremser beim Beschaffungswesen sein: Wir müssen Dampf machen“, erklärt beispielsweise Joe Weingarten, Bundestagsabgeordneter für die SPD und Mitglied im Verteidigungsausschuss, gegenüber hartpunkt. „Wir müssen kaufen, was schnell produziert werden kann. Es macht keinen Sinn, wieder Jahre oder Jahrzehnte an der perfekten Lösung zu arbeiten. Bis dahin hat Putin längst gehandelt. Wir können nicht warten, bis jeder Bedenkenträger zufriedengestellt ist: Jetzt zählt Schnelligkeit.“
Die Gründe für die Weigerung der Ausschüsse, sich in der aktuellen Sitzungswoche mit den Themen zu befassen, sind nach Aussage von Insidern weniger auf der Sachebene zu finden als vielmehr in der generellen Unzufriedenheit – insbesondere des Haushaltsausschusses – mit der Kommunikationspolitik der Regierung. So werden Ankündigungen oftmals nicht erfüllt und ohne stichhaltige Erklärungen nach hinten geschoben. Zudem werden umfangreiche Vertragswerke und Vorlagen häufig nach Überschreitung von Abgabefristen kurz vor der Sitzung an die Parlamentarier übersandt, was wiederum eine fundierte Befassung mit dem Thema unmöglich macht.
Auch werden die mitunter nicht nachvollziehbar hohen Kosten für die ausgewählten Systeme in Frage gestellt. Wie es Gesprächspartner hartpunkt bestätigen, führt dies nicht nur bei vereinzelten Abgeordneten zu Frust, sondern bei einer Vielzahl der mit dem Thema befassten Koalitionäre.
So verwundert es nicht, dass die Ausschüsse ihre parlamentarischen Muskeln anspannen und der Regierung ihre Grenzen andeuten. Andeuten deshalb, weil Insider davon ausgehen, dass die Vorhaben nur auf die nächste Sitzung verschoben und nicht gänzlich beerdigt werden.
Verwunderlich ist dennoch, dass dies just in der Woche nach der Münchener Sicherheitskonferenz passiert, wo Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsminister Pistorius auf der internationalen Bühne angekündigt haben, bei der Verteidigung endlich auf das Gaspedal drücken zu wollen. Das Absetzen von 25-Mio-Vorlagen kann wohl als Warnsignal des Bundestages interpretiert werden, dass die Binnenkommunikation zwischen Legislative und Exekutive signifikant verbessert werden muss, damit die angekündigte schnelle Beschaffung in Folge der Zeitenwende gelingen kann.
Waldemar Geiger