Der massenhafte Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen (UAS) im Ukrainekrieg hat weltweit zu einer verstärkten Nachfrage nach militärischen Drohnen geführt. Daraus resultierend stellen sich für Planer innerhalb der Streitkräfte und insbesondere im Heer Fragen nach dem geeigneten Typ von UAS, der Struktur der aufzustellenden Kräfte, sowie ihren Betrieb, aber auch Skalierung und Weiterentwicklung. Diesen und verwandten Fragestellungen geht das neue vom Royal United Services Institute (RUSI) veröffentlichte Paper „Mass Precision Strike: Designing UAV Complexes for Land Forces“ nach.
Dabei soll das Paper nur der Start einer Reihe von Aufsätzen sein, welche das Thema der militärischen Nutzung, aber auch der Abwehr von UAS aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten sollen. Die beiden Autoren haben das Paper in drei Kapitel und eine Schlussbetrachtung unterteilt. Das erste Kapitel bietet eine Übersicht über die primären Komponenten unbemannter Luftfahrzeuge, wie die Zelle, Antriebsformen, Sensorik und Telemetrieübertragung, aber auch Navigationssysteme und nicht zuletzt Effektoren. Den Schluss des Kapitels bildet die kritische Auseinandersetzung mit vornehmlich in der NATO gültigen Einschränkungen für die Zulassung und den Betrieb von UAS.
Im zweiten Kapitel werden die aktuell möglichen Use Cases für Drohnenkräfte untersucht. Einerseits betrachtet das Kapitel den Bereich Aufklärung, Zielverfolgung und Überwachung, um das Lagebild der eigenen Führungsinformationssysteme zu vervollständigen. Die Einsätze sind je nach Drohnentyp entweder in direkter Frontnähe oder nach erfolgtem Eindringen auf operativer Ebene in der Tiefe des Raumes möglich. Andererseits erläutern die Autoren die Nutzung von Drohnen mit Effektoren zur taktischen Feuerunterstützung und analog zur Aufklärung für den Angriff in die strategische Tiefe. Dabei ist das Zusammenspiel der unbemannten Systeme für die effiziente Wirkkette von enormer Bedeutung, wie es heißt.
Letzterer Punkt wird in dritten Kapitel erneut aufgegriffen und mit weiteren Aspekten des Ausbaus und der Nutzung von Drohnenkräften beleuchtet. So wird neben der Skalierung auch die Fähigkeit zur Sättigung der gegnerischen Abwehr durch Schwarmbildung, oder die mit der Autonomie von Systemen einhergehenden Herausforderungen betrachtet.
Bei Ihren Überlegungen identifiziert das Autoren-Duo gleich mehrere Schlüsselelemente. Demnach sind UAS hochdynamische Systeme, welche durch die enorm kurzen Technologiezyklen einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen sind, um ihre Effizienz zu bewahren. Dabei spielen Aspekte wie die Aerodynamik oder der Antrieb der Drohnen die geringste Rolle. Der Fokus muss bereits bei der Konstruktion auf einer maximalen Vereinfachung und einem geringen Systempreis liegen, welcher auch bei der stetigen Weiterentwicklung der UAS sichergestellt werden muss, um eine Skalierung zu ermöglichen. Zudem bleibt das umfangreiche Bedienpersonal der Schlüssel zum Erfolg. Dieses muss nicht nur gut ausgebildet und logistisch versorgt werden, sondern Zugang zu einer Vielzahl an Informationen wie Wetter- und Geländedaten sowie nachrichtendienstlichen Erkenntnissen erhalten. Nur so könne eine effektive Missionsplanung, auch im Verbund mit anderen eigenen Kräften, wie etwa der Artillerie, oder Mitteln des elektronischen Kampfes sichergestellt werden. Aber auch die komplexe Regulierung rund um Zulassung und Betrieb von Drohnen insbesondere in den Ländern der NATO werden auf den Prüfstand gestellt.
Das ca. 50-seitige Paper ist in englischer Sprache und kann kann auf der RUSI-Seiten kostenlos heruntergeladen werden: Mass Precision Strike: Designing UAV Complexes for Land Forces
Kristóf Nagy