Die jüngsten Ereignisse rund um die aktuelle Bergepanzerbeschaffung der Bundeswehr, bei der zwei an die Ukraine abgegebene Bergepanzer 3 Büffel sowie 21 Bergepanzer 2 ersetzt werden sollen, schlagen hohe Wellen. Ausgangspunkt ist die kolportierte Entscheidung der Bundeswehr, die 23 Bergepanzer mittels einer Direktvergabe durch eine modernisierte Variante des Bergepanzers 3 Büffel von Rheinmetall ersetzen zu wollen, die in einem Brandbrief der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) an Abgeordnete des Bundestages kritisiert wird, hartpunkt berichtete.
FFG fordert in dem Brandbrief die Möglichkeit eines Wettbewerbes, da es seine eigene Bergeplattform Wisent 2 als das bessere Angebot betrachtet. FFG zufolge soll der Wisent 2 nicht nur die Forderungen der Bundeswehr besser erfüllen, er soll im Vergleich zu dem Bergepanzern 3 A2 – so die korrekte Bezeichnung des modernisierten Büffels – schneller lieferbar sein und ungefähr die Hälfte kosten. Ob diese Angaben zutreffend sind, kann wohl nur das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw genau klären, da nur das Amt Einblick in die beiden Angebote hat. Die Thematik erzielte aufgrund des Brandbriefs der in der Berichterstattung von Fachpublikationen, Tageszeitungen und Fernsehen aufgegriffen wurde, eine breite Aufmerksamkeit, die weit über das sonst an solchen Themen interessierte Publikum hinausgeht. „David gegen Goliath im Kampf um den Auftrag für Bergepanzer“ titelte beispielsweise das Handelsblatt.
Während sich die aktuelle Bergepanzerbeschaffungs-Diskussion auf den Kampf eines Mittelständlers gegen einen Großkonzern konzentriert, wird übersehen, dass sich Rheinmetall mit einer erfolgreichen Beauftragung in eine für den Konzern bis dato nicht dagewesene Position hin zum „echten“ Kampfpanzerbauer entwickeln könnte.
Denn bei der aktuellen Bergepanzerbeschaffung geht es nicht, wie in dem FFG-Brandbrief zu lesen ist, ausschließlich nur um die nun zum Kauf anstehenden 23 Bergepanzersysteme, die – dieser Teil ist im Brandbrief nicht enthalten – als Präjudiz für ein viel größeres Beschaffungsvorhaben dienen könnten: In den nächsten Jahren wird gut informierten Kreisen zufolge ein weiteres Vorhaben erwartet, bei dem rund 100 zur Ausmusterung vorgesehene Bergepanzer 2 durch eine neue, leistungsfähigere Bergeplattform ersetzt werden sollen. Auch das Setzen eines neuen deutschen Standards für eine moderne Bergeplattform mit anschließenden internationalen Vermarktungschancen, die das Auftragsvolumen noch einmal erhöhen würden, ist nicht wirklich der entscheidende Punkt für die strategische Bedeutung dieser angeblich von der Bundeswehr – bewusst oder unbewusst – getroffenen Entscheidung, den Auftrag der 23 Bergepanzer direkt an Rheinmetall vergeben zu wollen.
Denn wenn man den Sachverhalt zwei, drei Schritte weiterdenkt, erkennt man, dass es bei der Thematik nicht nur um einen Kampf zwischen David gegen Goliath geht, sondern auch einen Goliath gegen Goliath.
Entgegen der landläufigen Auffassung, wonach es in Deutschland drei Panzerbauer – FFG, Rheinmetall und KNDS Deutschland – gibt, ist es streng genommen nur ein einziger. Denn der einzige fertigentwickelte und in den Streitkräften eingeführte moderne Kampfpanzer deutscher Bauart ist der Leopard 2. Rheinmetall liefert hier zwar wichtige Komponenten wie beispielsweise die Waffenanlage zu, entwickelt wurde der Panzer jedoch von ehemals Krauss-Maffei Wegmann, nun KNDS Deutschland. Auch die Rechte an der Panzerwanne, welche als Basis für alle auf dem Leopard-Chassis aufgebauten Unterstützungsfahrzeuge – wie beispielsweise dem Büffel und Wisent 2 – dient, liegen bei KNDS Deutschland.
Will ein Panzerbauer also ein neues Fahrzeug der Leopard-2-Familie auf den Markt bringen, muss er eine alte Wanne eines bereits in Nutzung befindlichen Leopard 2 nutzen oder bei KNDS eine neue Wanne bestellen. Darüber hinaus gibt es den Weg einer Lizenzfertigung, wenn KNDS einem diese Lizenz erteilt. Ob KNDS diese Lizenz an Rheinmetall erteilt hat, ist öffentlich nicht bekannt. Weder die Unternehmen noch das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw wollten zu diesem Sachverhalt mit Verweis auf laufende Projekte, Einstufung der Information bzw. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stellung nehmen.
Genau hier kommt nun die neue Variante des Büffels ins Spiel. Beobachter gehen davon aus, dass der von FFG kolportierte Preis des Bergepanzers 3 A2 nur deshalb so hoch ist, weil Rheinmetall das Fahrzeug auf einer eigenentwickelten Leopard-2-Wanne anbietet, welche frei von KNDS-Rechten wäre. Sollte diese Annahme tatsächlich zutreffen, könnte die Panzerwanne des Düsseldorfer Rüstungskonzerns über die aktuelle Bergepanzerbeschaffung in der Bundeswehr qualifiziert und zertifiziert werden.
Damit würde Rheinmetall dann über eine weiterre wesentliche Komponenten des Panzerbaus im eigenen Haus verfügen, nicht nur konzeptionell, sondern zertifiziert und im Kundeneinsatz. Hier muss man wissen, dass eine Qualifizierung durch die Bundeswehr im Bereich der Panzerei sowas wie den Goldstandard darstellt.
Dies wäre dann sicherlich nicht nur für den aktuellen Bundeswehrbedarf für Unterstützungsfahrzeuge – beispielsweise Berge- und Minenräumpanzer – von großer Bedeutung. Auch für die sogenannte Brückenlösung, einem Kampfpanzer zwischen dem aktuellen Leopard 2 A8 und dem zukünftigen Landkampfsystem Main Ground Combat System, die die Bundeswehr in den nächsten Jahren unter Umständen beschaffen wird, könnte sich Rheinmetall über dieses Vorhaben deutlich besser positionieren. Was aus Sicht von Rheinmetall – wenn tatsächlich alle beschriebenen Annahmen zutreffen – ein strategisch genialer Schachzug wäre. Ob dies auch für die Bundeswehr von Vorteil wäre, steht auf einem anderen Blatt. Insbesondere dann, wenn Rheinmetall keine Komponenten – wie beispielsweise die Waffenanlage – an seinen Wettbewerber geben müsste.
Träfe dies zu, würde der Panzerbau in Deutschland durch eine Direktvergabe von 23 Bergepanzern neu justiert. Dann gäbe es in Deutschland theoretisch zwei Kampfpanzerbauer mit Wannen die von der Bundeswehr qualifiziert sind. Während Rheinmetall Wanne und Waffenanlage im eigenen Haus bauen könnte, müsste KNDS Deutschland die Waffenanlage für den Turm bei Rheinmetall kaufen. Denn es gilt in Fachkreisen als ausgemacht, dass die Brückenlösung, wenn überhaupt, dann mit der aktuell in Entwicklung befindlichen 130mm-Waffenlage von Rheinmetall beschafft würde.
Waldemar Geiger