Anzeige

Bundeswehr beauftragt Entwicklung von 130mm-Munition sowie neuem Schutzsystem und Triebwerk für Leopard-2-Kampfpanzer

Waldemar Geiger

Anzeige

Die Bundeswehr hat die Unternehmen KNDS Deutschland, Rheinmetall und Hensoldt mit technischen Studien zur Entwicklung eines leistungsgesteigerten Triebwerks, 130mm-Munition in verschiedenen Sorten, eines neuartigen Schutzsystems und einer automatischen Feldjustieranlage für den Leopard-2-Kampfpanzer beauftragt. Dies geht aus mehreren Mitteilungen des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw hervor, die heute auf der europäischen Online-Vergabeplattform TED veröffentlicht wurden.

Gut informierten Kreisen zufolge sollen die Entwicklungen die Basis für ein Modernisierungspaket des Leopard-2-Kampfpanzers (auch bekannt als Brückenlösung, Leopard 2 AX bzw. Leopard 3) bilden, mit dem die Zeit bis zur Einführung des aus dem deutsch-französischen Vorhaben Main Ground Combat System (MGCS) entwickelten Multiplattformsystems überbrückt werden soll.

Anzeige

Die Brückenlösung – die bezogen auf die Leistungsfähigkeit dem aktuellen Bedrohungsstand angepasst ist und im Vergleich zum A8 über zusätzliche Fähigkeiten verfügen wird – soll Insidern zufolge beginnend ab den 2030er Jahren eingeführt werden. Es wird offenbar mit einer Nutzungszeit von rund 25 Jahren geplant. Die genaue Ausprägung dieses Kampfpanzertyps soll wohl erst nach Vorliegen der Ergebnisse aus den unterschiedlichen technischen Studien getroffen werden, welche den BAAINBw-Meldungen auf TED zufolge Ende 2026 abgeschlossen werden.

Anzeige

Mehr Wirkung

Den BAAINBw-Mitteilungen zufolge wurde Rheinmetall mit insgesamt drei technischen Studien beauftragt, die das Ziel verfolgen, drei 130mm-Munitionssorten für den Leopard 2 zu entwickeln. Im Einzelnen soll eine 130mm-Munition DM13 entwickelt werden, die als Qualifizierungsmunition für die zukünftige Panzerkanone fungieren soll. Diese Großkaliber-Panzerkanone stellt die Hauptbewaffnung des Kampfpanzers dar. Somit wird klar, dass eine 130mm-Kanone für die „Brückenlösung“ angestrebt wird. „In der gegebenen Projektzeit soll eine Munition entwickelt werden, welche der Qualifizierung der Panzerkanone dienen soll. Ziel ist es, durch die dedizierte Auslegung dieser Munition auf die Qualifizierung der Waffe, den Kosten- und Zeitrahmen möglichst ökonomisch zu halten“, schreibt das BAAINBw auf TED.

Mit den beiden weiteren technischen Studien sollen die Munitionstypen DM11 (Multifunktions-Gefechtsmunition (HE)) und DM23 (Gefechtsmunition Kinetic-Energy (KE)) für die zukünftige 130mm-Panzerkanone fertigentwickelt werden.

Erstmals vorgestellt hatte Rheinmetall den Prototyp der 130mm-Glattrohrkanone mit 52 Kaliberlängen und einer Länge von rund 6,6 Metern 2016 auf der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris. Nach den damaligen Angaben des Unternehmens führt der Zuwachs von acht Prozent im Kaliber zu einem Plus von 50 Prozent bei der kinetischen Energie im Vergleich mit der 120-mm-Kanone des Leopard 2. Auch diese Waffe wurde von Rheinmetall entwickelt und über die Jahre in Tausenden Panzern weltweit installiert.

Die Präsentation in Paris erfolgte zu einer Zeit, in der Russland eine neue Generation von gepanzerten Fahrzeugen – einschließlich des neuen Kampfpanzers Armata – mit verbessertem Schutz vorgestellt und die Einführung in die Streitkräfte angekündigt hatte.

Die seinerzeit gezeigte 130mm-Waffe wog mehr als 3,5 Tonnen im Vergleich zu den etwa 3 Tonnen der 120mm-Kanone und nutzt eine Patrone von mehr als 30 kg und zirka 1,30 Metern Länge. Aufgrund dieser Parameter ist die Waffe nur mit automatischem Lader und einem neuen Turmdesign einsetzbar. Damals hieß es, dass die Rheinmetall-Ingenieure wahrscheinlich noch rund acht bis zehn Jahre benötigen würden, um die Entwicklung von Waffe und Munition abzuschließen.

Bei dem in Paris vorgestellten Prototyp handelte es sich um einen Schießdemonstrator, der nach umfangreichen Simulationen und Studien erstellt worden war. Rheinmetall nutzt nach eigenen Angaben zur weiteren Entwicklung ein mathematisches Modell mit 50 Parametern, von denen drei gesetzt sind und 47 variiert werden, um die optimale Konfiguration der Waffe zu bestimmen. Zwei Schlüssel-Parameter sind demnach die Energie, die ins Ziel gebracht wird, sowie die Genauigkeit auf eine bestimmte Entfernung. Nach Einschätzung von Rheinmetall soll die Waffe auf fünf Kilometer eine hohe Präzision aufweisen. Im Rahmen der Entwicklung wurden laut Hersteller mehr als 1.100 Simulationen durchgeführt.

Zwei weitere technische Studien betreffen die Entwicklung einer Feldjustieranlage für den Kampfpanzer Leopard 2, die einerseits an Hensoldt und andererseits an KNDS Deutschland vergeben wurden.

Bei der Vergabebeschreibung für Hensoldt heißt es lediglich: „Zur Fähigkeitsverbesserung des KPz LEOPARD 2 soll eine automatische Feldjustieranlage entwickelt werden. Das Entwicklungsergebnis ist in einem KPz LEOPARD 2 nachzuweisen. Das Entwicklungsergebnis muss dabei geeignet sein, die Basis zur Verwendung in allen LEOPARD 2 – Varianten mit L55 Waffenanlage (120mm) zu bilden, unabhängig von der Feuerleitrechner – Variante.“

Die Beschreibung der an KNDS Deutschland vergebenen Studie ist deutlich ausführlicher. Demnach soll KNDS eine automatische Feldjustieranlage „zur Präzisionssteigerung der direkten Wirkung“ entwickeln. „Die Großkaliber-Panzerkanone stellt die Hauptbewaffnung des Kampfpanzers dar. Das in der Bw eingeführte Waffensystem LEOPARD 2 verfügt über eine manuelle Feldjustierung, welche durch den Richtschützen erfolgt. Ziel ist es dabei, präzisionsmindernde thermische Einflüsse auf das Waffenrohr, z.B. durch Sonneneinstrahlung oder Schussbelastung, zu korrigieren“, heißt es in der BAAINBw-Beschreibung. „Da die Waffe diesen Einflüssen kontinuierliche ausgeliefert ist, ist eine regelmäßige Justierung erforderlich. Um die Besatzung zu entlasten bzw. für die Bearbeitung anderer Aufgaben während der Feldjustierung zu befähigen und gleichzeitig die Prozesszeit zu minimieren, soll eine Automatisierung entwickelt werden“, so das BAAINBw weiter.

Mehr Mobilität

Um die Mobilität des Leopard 2 zu steigern, wurde KNDS Deutschland zudem mit der Entwicklung eines alternativen Triebwerks mit der Bezeichnung „OLYMP“ beauftragt. Gut informierten Kreisen zufolge wird das Triebwerk selbst nicht von MTU – dem bisherigen Triebwerkshersteller für den Leopard 2 – kommen, sondern von Liebherr. Was ein Novum wäre, da Liebherr bisher zwar Triebwerke für die Schützenpanzer Marder 1 (Nutzungsdauerverlängerung Marder 1A5) und Lynx KF41 liefert, aber noch für keine Kampfpanzer.

In der BAAINBw-Beschreibung heißt es dazu: „Der Triebwerkblock bezeichnet die abgeschlossene Einheit aus Verbrennungsmotor, Lenk-/Schaltgetriebe, Kühlsystem, Brennluftfiltrierung und Abgasanlage. Schnittstellen zum Chassis sind die Motorlagerung, die Seitenvorgelege, die Verbindungen mit der Steuerung und Kraftstoffversorgung und die Triebwerkraumabdeckung. Im Rahmen der Studie zur Agilitätssteigerung des Antriebsstrangs soll ein alternatvies Triebwerk (Verbrennungsmotor) entwickelt werden. Dabei sollen möglichst viele Baugruppen des bestehenden Systems (Gleichteile) genutzt werden. Die Erprobung von Einzelkomponenten bis hin zum Demonstratorentest soll im beigestellten Fahrzeug erfolgen.“

Mehr Schutz

Neben der Steigerung der Wirkung und der Mobilität, soll die „Brückenlösung“ auch über ein verbessertes Schutzniveau verfügen, welches offenbar unter anderem durch die Integration einer kampfwertgesteigerten Variante des von Hensoldt entwickelten Selbstschutz-Systems MUSS (Multifunctional Self-Protection System) gelingen soll. Hensoldt hatte erst im Sommer 2024 auf der Eurosatory die Weiterentwicklung MUSS 2.0 vorgestellt, welche unter anderem auch bei neu zulaufenden Schützenpanzern Puma zum Einsatz kommt.

Gegenüber der Vorgängerversion zeichne sich MUSS 2.0 durch weniger Gewicht und eine kleineren Silhouette bei gleichzeitiger Steigerung der Fähigkeiten aus. Das System besteht aus vier passiven Sensorköpfen mit jeweils einem Raketen- und Laser-Warnsensor, einer Zentraleinheit, einem weiterentwickelten Laser-basierten Infrarot-Störsender (engl. IR-Jammer) sowie einer Gegenmaßnahmen-Einheit zum Ausstoß von pyrotechnischen Täuschkörpern. Mit dem Sensorverbund könne das System neben Bedrohungen wie draht- und lasergelenkten Raketen (anti-tank guided missiles, kurz: ATGMs) nun auch Leuchtspurgeschosse, Panzerfäuste, Mündungsfeuer und Beschuss durch Wuchtgeschosse (engl. KE) detektieren, heißt es in der Mitteilung. MUSS 2.0 sei darüber hinaus in der Lage, Laser mit geringer Leistung, wie sie bei einer Leitstrahllenkung (engl. Beam-rider) und Laser- Entfernungsmesser der zweiten Generation vorkommen, richtungsgenau zu erfassen und zu klassifizieren. Speziell ATGMs können durch den IR-Jammer gestört und damit abgewehrt werden, wie Hensoldt schreibt. Die vom System gewonnenen Daten können demnach in das „Battle Management System“ eingespeist werden, um die Bedrohung besser bekämpfen zu können. MUSS 2.0 kann laut Hersteller dabei mehrere Bedrohungen gleichzeitig erfassen, gemäß Gefährdung priorisieren und semi-, bzw. vollautonom bekämpfen. Über die Möglichkeit einer Anpassung der Bedrohungsdatenbank sei eine kontinuierliche Kampfwertsteigerung sichergestellt, um auch zukünftigen Bedrohungen begegnen zu können.

KNDS Deutschland wurden nun vom BAAINBw mit der „Einrüstung der Erweiterung des Multifunktionalen Selbstschutz-System (MUSS)“ auf den Leopard 2 beauftragt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es sich um eine deutlich kampfwertgesteigerte Variante von MUSS handeln wird, mit Fähigkeiten, die selbst das MUSS 2.0 nicht hat. „Das MUSS ist ein elektrooptischer Sensor-/Effektorverbund welcher um die Fähigkeit der Optikdetektion erweitert werden soll“, heißt es in der BAAINBw-Mitteilung. „Da die Optikdetektion auf dem physikalischen Prinzip des Katzenaugeneffekts beruht, kann somit die Funktionsweise des MUSS übernommen werden. Die Leistungsbeschreibung umfasst die Integration des weiter entwickelten Systems in einen KPz LEOPARD 2A7, um die Fähigkeit der Optikdetektion zu realisieren“, so das BAAINBw weiter.

Die Fähigkeit der Optikdetektion wäre ein weltweit einmaliges Schutzelement, von dem bis dato nichts öffentlich bekannt ist. Die Kurzbeschreibung und der Verweis auf den Katzenaugeneffekt könnte auf folgende Funktionsweise hindeuten. Der Kampfpanzer könnte seine Umgebung aktiv „anstrahlen“ und mittels des weiterentwickelten MUSS von Optiken erzeugte Reflektionen detektieren und klassifizieren. Theoretisch könnten so selbst gut getarnte Gefechtsfahrzeuge oder Aufklärungssysteme aufgeklärt werden, da die jeweiligen Beobachtungsoptiken „frei“ bleiben müssen.

Waldemar Geiger