Anzeige

FCAS: Zeit für einen klaren Schnitt

Lars Hoffmann

Anzeige

Der Chef des französischen Flugzeugbauers Dassault, Eric Trappier, hat in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass sein Unternehmen in der Lage sei, das Kampfflugzeug für das trilaterale Vorzeigeprojekt Future Combat Air System (FCAS) alleine zu bauen. Zu Beginn der Paris Air Show in der vergangenen Woche hat er eine stärkere Ausrichtung von FCAS auf den Fighter und einen größeren Anteil der französischen Industrie an dem Vorhaben gefordert und damit bestehende Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitsteilung in Frage gestellt. Alternativ deutete er den Ausstieg aus dem Programm an.

Versetzt man sich in die Position von Trappier, ergeben seine Forderungen durchaus Sinn. Warum sollte Dassault das noch zu erarbeitende Know-how für Kampfflugzeuge der 6. Generation mit Airbus auf Basis eines ineffizienten und komplexen Regelwerks, das in sieben sogenannten Pillars niedergelegt ist, teilen? Warum Zeit und Mühe in die Koordination des FCAS-Projekts stecken, wenn die Auftragsbücher für den Kampfjet Rafale prall gefüllt sind und die Entwicklung einer neuen Generation des Fliegers plus einer Begleit-Kampfdrohne bereits vom französischen Verteidigungsministerium beauftragt wurde?

Anzeige

Diesseits des Rheins sollte die Ansage von Dassault richtig verstanden werden: Dassault will die eindeutige Führung bei FCAS und würde andernfalls – das zeigen die vergangenen Jahre – immer wieder querschießen oder aussteigen. Ein vernünftiges Produkt ist so nicht zu entwickeln.

Anzeige

Der Ansatz ist aus französischer Perspektive nachvollziehbar, allerdings nicht im deutschen Interesse. Airbus Defence and Space würde dauerhaft ins zweite Glied gestellt, mit entsprechenden Auswirkungen auf seine technische Expertise, industrielle Beteiligung und Arbeitsplätze. Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, in dem der Großteil der deutschen militärischen Luftfahrtindustrie gebündelt ist, stünde damit auf dem Spiel.

Ohnehin ist die FCAS zugrundeliegende industrielle Struktur ordnungspolitisch bedenklich. So gehört der deutsche FCAS-Prime Airbus Defence and Space (ADS) zum Airbus-Konzern, an dem der französische und deutsche Staat mit jeweils knapp 11 Prozent zwar gleich kleine Anteile halten – Spanien kommt auf etwa 4 Prozent –, der seinen Hauptsitz jedoch in Toulouse hat und letztlich französisch dominiert wird. Das hat nicht zuletzt der jüngst beschlossene überproportionale Abbau der deutschen Arbeitsplätze in der schwächelnden Satelliten-Sparte von ADS belegt. Dagegen vertritt das rein französische Unternehmen Dassault die Interessen seines Landes bei FCAS.

Da die entscheidende Phase 2 des FCAS-Vorhabens bevorsteht, bei dem nach den Studien der vergangenen Jahre echte fliegende Demonstratoren entwickelt werden sollen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, das Vorhaben in aller Freundschaft und im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden. Denn andernfalls würden Weichenstellungen erfolgen, die kaum noch zu revidieren sind.

Was sind die Alternativen? Während Frankreich unter Führung von Dassault seine Luftkampffähigkeiten weiter vorantreiben könnte, hat Deutschland aufgrund der sprunghaft ansteigenden Mittel für Verteidigung seit Jahrzehnten das erste Mal die Möglichkeit, eine eigene Kampfflugzeugentwicklung voranzutreiben. Dabei könnten auch den Forderungen der eigenen Streitkräfte besser berücksichtigt werden und es müssten keine Kompromisse hinsichtlich der Trägerfähigkeit und anderer Forderungen eingegangen werden.

Dabei ist die in Fachkreisen immer wieder geäußerte These, wonach sich Europa nur ein militärisches Luftfahrtprojekt leisten kann, zu hinterfragen. Denn dann wäre es auch unmöglich, dass Länder wie die Türkei oder Südkorea trotz ihrer geringeren Erfahrung im Flugzeugbau und beschränkten finanziellen Mittel eigene Kampfflugzeuge entwickeln. Das Auftauchen von „Disruptoren“ wie Kratos oder Anduril auf dem US-Markt zeigt überdies, dass man durch das Beschreiten neuer Wege massiv bei den Entwicklungskosten sparen kann. Offenbar trauen die US-Streitkräfte diesen Newcomern mitunter mehr zu als den alteingesessenen Playern. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Air Force den Wettbewerb um ein Collaborative Combat Aircraft auf Anduril und General Atomics verengt hat.

Auch in Deutschland gibt es solche Innovatoren, die sicherlich in Teilbereichen von FCAS etwas beisteuern könnten. Es stellt sich überdies die Frage, ob in einem dauerhaft wachsenden Markt die Integration von Airbus Defence and Space in den Mutterkonzern mit seinen starren Regeln und nationalen Vorbehalten noch zeitgemäß ist. Die Ausgliederung von Hensoldt aus ADS und die staatliche Minderheitsbeteiligung an dem Unternehmen, das deutsche Schlüsseltechnologien produziert, könnte hier als Blaupause dienen. Dabei kann ein nationales FCAS-Projekt durchaus mit anderen Partnern abgestimmt sein, etwa mit den Schweden, die ebenfalls an der Nachfolge ihres Kampfjets arbeiten. Das gleiche gilt für das Global Combat Air Programme (GCAP) unter Führung Großbritanniens.

Warum sollte die (noch) drittgrößte Volkswirtschaft der Welt in Sachen Flugzeugentwicklung keinerlei Ambitionen entwickeln und sich dauerhaft in die zweite Reihe stellen? Zumal es um Produkte geht, die erst nach 2040 marktreif sein sollen. Während in der Vergangenheit beim Ausbleiben europäischer Flugzeugentwicklungen die USA mit ihrer modernsten Technik immer als Lieferant bereitstanden, muss dies in anderthalb Jahrzehnten nicht mehr gelten. Dabei geht es nicht nur um die Verschiebungen innerhalb der NATO. Die gegenwärtige US-Administration verbessert mit ihrer Schuldenpolitik und der Feindseligkeit gegenüber der Wissenschaft nicht gerade die Rahmenbedingungen für ambitionierte Rüstungsprojekte.

Das Beispiel des Kampfpanzers Leopard 2 sowie die Verkaufserfolge des Luftverteidigungssystems Iris-T SLM zeigen, dass sich eine nationale oder sogar rein industriegetriebene Entwicklung auszahlen kann, wenn ein herausragendes Produkt entwickelt wird und die Bundeswehr als Anlehnungspartner bereitsteht. Übrigens musste Deutschland den Panzer notgedrungen selbst entwickeln, weil die Partnerschaft mit den USA für ein neues Kampffahrzeug zuvor zerbrochen war.

Lars Hoffmann