Mit der Umsetzung des Vorhabens Tactical Wide Area Network for Land Based Operations (TaWAN LBO) wird die Bundeswehr zukünftig auch bis zu 256 sogenannte kleine Richtfunksysteme auf Basis des 8×8-Radpanzers Piranha 5 von General Dynamics European Land Systems (GDELS) einführen. Die ersten Serienfahrzeuge sollen bereits 2026 der Truppe zulaufen und zu diesem Zeitpunkt die volle technisch-logistische Versorgbarkeit aufweisen. Wie dieser ambitionierte Zeitplan erfolgreich umgesetzt werden soll, erklärt Thomas Kauffmann, GDELS Vice President und Geschäftsführer GDELS Deutschland, in einem Gespräch mit hartpunkt.
Nach Aussage von Kauffmann handelt es sich bei dem Piranha 5 um ein marktverfügbares Fahrzeug, welches bezogen auf die Technologie „international Standards setzt“. Seiner Einschätzung zufolge waren die Marktverfügbarkeit des Fahrzeuges, begründet durch die schnelle Lieferfähigkeit und den Umstand, dass eine ähnliche Fahrzeugvariante als Piranha 3 KOMPAK bereits seit Jahren erfolgreich in der Schweizer Armee im Einsatz ist, maßgeblich für die Entscheidung der Bundeswehr, das TaWAN-Vorhaben, bei dem GDELS als Zulieferer der Plattform für den Richtfunkpanzer fungiert, mit dem Piranha 5 zu realisieren. „Der Piranha wirkt risikominimierend in dem Gesamtprojekt, weil es ein bereits eingeführtes, einsatzbewährtes Fahrzeug ist“, erklärt Kauffmann gegenüber hartpunkt.
Um den „straffen Zeitplan“, der die Auslieferung der ersten Serienfahrzeuge innerhalb von 24 Monaten nach Vertragsschluss verlangt, einzuhalten, wird das Unternehmen nach Angaben des GDELS-Managers zwei wichtige Schritte unternehmen: Erstens, den Aufbau eines „Systemunterstützungszentrums Piranha“ am GDELS-Standort in Neubrandenburg und die Errichtung einer Piranha-Produktionslinie in Süddeutschland. „Bereits die ersten Serienfahrzeuge werden in Deutschland gefertigt werden“, so Kauffmann.
Zusätzliche Piranha-Produktionslinie
In der Vergangenheit gab es aufgrund der restriktiven Exportpolitik bezüglich der Ukraine-Hilfe Vorbehalte gegen die Beschaffung von Fahrzeugen aus der Schweiz. Im Falle der Piranhas für die Schweiz scheint dies kein Thema zu sein. „Wir haben sichergestellt, dass die Bundeswehr vollumfänglich über das Fahrzeug verfügen kann“, gibt Kauffmann an, der die Piranha-Radpanzer bereits heute in mehreren Ländern produzieren lassen kann.
Neben der Schweiz verfügt GDELS auch über einen Standort in Rumänien, an dem die 8×8-Radpanzer gefertigt werden. Überdies wird in Spanien mit dem Dragón ein Fahrzeug hergestellt, das eine Variante des Piranha 5 darstellt. Nach Aussage Kauffmann sind in keinen Fahrzeugen, die bei GDELS in Europa für seine internationalen Kunden entwickelt und gefertigt werden, ITAR-Komponenten verbaut. Damit unterliegen diese auch keinen US-Exportrichtlinien gemäß ITAR, erklärt er weiter. Seinen Ausführungen nach sind bereits heute über 70 deutsche Unternehmen – darunter auch solche, die „wesentliche automotive Technologien“ in den Piranha einbringen – an der Produktion des Piranha 5 beteiligt.
Den Aufbau der Fertigungslinie in Deutschland sei vielmehr mit der strategischen Intention des Unternehmens zu erklären, die Präsenz in Deutschland signifikant auszuweiten. Dass die europäischen Staaten im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen die Verteidigungsfähigkeit ausbauen wollen, ist nicht erst seit letzter Woche bekannt. Bereits seit Monaten ist klar, dass die Bundeswehr im Rahmen der neuen Zielvorgaben der NATO – die im Juni beschlossen werden sollen – signifikant wachsen muss. „Wenn die neuen Verbände schnell mit Personal und Material befüllt werden sollen, müssen entsprechende Produktionskapazitäten vorhanden sein“, erklärt Kauffmann. „Mit dem Aufbau entsprechender Produktionskapazitäten kommen wir als GDELS unserer Verantwortung als verlässlicher Teil der deutschen und europäischen Verteidigungsindustrie nach“, so der GDELS-Deutschland-Chef weiter.
Seinen Ausführungen zufolge wird die Piranha-Produktion in Deutschland zukünftig eine „tragende Säule“ der internationalen Piranha-Produktion bilden. Neben den TaWAN-Richtfunkpanzern sollen auch die zukünftigen Spähpanzer der Bundeswehr in dem neuen Werk gefertigt werden. Kauffmann bestätigt, dass eine 6×6-Variante des Piranha als zukünftiges „Spähfahrzeug Next Generation“ der Bundeswehr – auch bekannt als Korsak – ausgewählt wurde. Im Rahmen des Vorhabens Spähfahrzeug Next Generation will die Bundeswehr bis zu 252 Korsak beschaffen, von denen 92 fest beauftragt werden sollen. Außer dem Umstand, dass man sich in „laufenden Gesprächen“ mit dem Kunden befinde, und dass der Korsak „ein Fahrzeug wird, das von den Fähigkeiten so auf dem Markt noch nicht gesehen wurde“, wollte er zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Details preisgeben.
Der GDELS-Manager sieht über die zwei angesprochenen Varianten hinaus weiteres „Piranha-Potenzial“ in Deutschland. Schließlich verfügt GDELS mit der Piranha-Plattform über einen vielseitigen Radpanzer. Neben dem Umstand, dass das Fahrzeug sowohl in einer 6×6-, 8×8- und 10×10-Version produziert wird, sind international bereits viele unterschiedliche, moderne Rüstsatzvarianten eingeführt, die auch für die Bundeswehr von Interesse sein könnten. Kauffmann verweist hier auf einen „modernen ABC-Spürpanzer mit drohnengestützter B-Aufklärungsfähigkeit“ sowie einem Pionier- und Bergefahrzeug.
Was den eigentlichen Produktionsstandort im süddeutschen Raum angeht, will Kauffmann derzeit noch keine Einzelheiten verraten. Er verweist aber darauf, dass die „geostrategische Lage“ des Werkes mit Hinblick auf die schnelle Produktionsfähigkeit maßgeblich durch folgende drei Punkte definiert sei:
- Verfügbarkeit von genügend qualifizierten Fachpersonal.
- Unterstützung der Politik.
- Produktions- und Infrastrukturkosten, die das derzeitige Preisniveau des Piranha 5 [welches im Vergleich zum Boxer als signifikant günstiger gilt A.d.R.] nicht gefährden.
Kauffmann geht zudem davon aus, dass die Bundeswehr und die deutsche Wirtschaft von einer deutschen Piranha-Produktion stark profitieren werden, da mit der eingeführten Fahrzeugplattform zukünftig eine weitere Auswahlmöglichkeit zur Verfügung steht, die sich positiv auf eine schnelle Ausstattung der Streitkräfte auswirken dürfte.
Systemunterstützungszentrum Piranha
Den Aufbau eines Systemunterstützungszentrums Piranha in Neubrandenburg sieht der GDELS-Manager als mindestens genauso wichtig an. Neben der schnellen Auslieferung von Fahrzeugen, müssen diese Fahrzeuge – wenn sie als neue Plattform in die Bundeswehr eingeführt werden – auch über eine sofortige technisch-logistische Versorgbarkeit verfügen, damit die Fahrzeuge auch tatsächlich einsatzfähig sind. Die mögliche, spätere Überführung der Fahrzeuge in das Bundeswehr-eigene logistische System wie der Heeresinstandsetzungslogistik HIList ebenfalls möglich.
Mit dem bereits gestarteten Aufbau des Systemunterstützungszentrums sollen neben Instandsetzungs- auch Ausbildungsleistungen im Rahmen einer Full-Service-Vereinbarung mit der Bundeswehr erbracht werden. Bestandteil dieser Vereinbarung ist beispielsweise die Ausbildung der Bediener und des technischen Personals, so das mit Einführung der Fahrzeuge in die Bundeswehr bereits entsprechende Fähigkeiten zur Nutzung und Instandsetzung der Fahrzeuge in der Truppe vorhanden sind.
Damit dies zeitgerecht gelingen kann, wurde der Aufbau des Systemunterstützungszentrums, wozu neben dem Personalaufbau und der Schaffung von „Hochwertarbeitsplätzen“ auch der Aufbau der entsprechenden Infrastruktur gehört, unmittelbar begonnen. Kauffmann verweist darauf, dass das Unternehmen dies „in enger Abstimmung und mit Unterstützung der Landesregierung sowie der Kommunalpolitik“ macht.
Einmal aufgebaut sollen in Neubrandenburg zukünftig nicht nur die Bundeswehr-Piranhas versorgt werden, von denen die Bundeswehr über 500 Systeme haben dürfte, wenn alle Optionen aus dem Vorhaben TaWAN und Korsak ausgelöst werden sollten. Auch die Betreuung der Piranha-Fahrzeuge anderer Nationen an dem Standort ist Kauffmann zufolge denkbar und möglich.
Waldemar Geiger