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BWI-Chef Leidenberger: Mit neuem Zielbild für die Einsatz- und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr

Lars Hoffmann

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Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich durch die geopolitische Situation in den letzten Jahren massiv verändert. Damit sie diese veränderten Aufgaben erfüllen kann, muss auch die BWI als ihr IT-Systemhaus neue Anforderungen erfüllen. Es gilt für die IT der Bundeswehr, Technologien wie Cloud und KI nutzbar zu machen und sich selbst so aufzustellen, dass der interne Workflow optimal auf die veränderten Rahmenbedingen ausgerichtet ist, wie BWI-CEO Frank Leidenberger im Interview mit hartpunkt erläuterte.

Leidenberger zufolge hatte die Bundeswehr eine stärkere Ausrichtung der BWI auf die Bündnisverteidigung gefordert. Um diese und andere Anforderungen der Bundeswehr bestmöglich erfüllen zu können, hat sich das Unternehmen im vergangenen Jahr ein Zielbild für die eigene Leistungserbringung mit einer Fünfjahresplanung gegeben.

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Eine der Hauptaufgaben der Inhousegesellschaft ist es, den sichereren IT-Betrieb rund um die Uhr zu gewährleisten. Hier steht ein großer Umbruch bevor, denn durch die Cloudtechnologie bieten sich immense Möglichkeiten, was die Themen Tempo und Resilienz betrifft. Gleichzeitig erfordert die Nutzung der Technologie aber nicht nur veränderte bzw. neue Rechenzentren, sondern auch die Art und Weise wie der Betrieb als Leistung erbracht wird, ändert sich grundlegend. „Das ist unsere Grundthematik für den Umbau. Die Firma wird sich dadurch verändern. Wenn wir eine Cloud betreiben, verändert sich das Betriebsmodell. Alles wird softwarelastiger. Denn im Cloudmodell sind diejenigen, die die Software liefern, die eigentlichen Betreiber der Cloud, weil dahinter alles so weit automatisiert ist. Dafür werden wir unsere Mitarbeitenden umschulen und auch Personal mit neuen Fähigkeiten einstellen“, sagt Leidenberger.

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Um die Cloud-Rechenzentren miteinander zu verbinden, sind leistungsstarke Datennetze erforderlich. „Wir haben bereits das Wide Area Network (WAN) der Bundeswehr ertüchtigt. Dabei mieten wir die Leitungen an und „beleuchten“ sie selbst. Mit unserem Programm Advanced Cyber Security Framework stärken wir parallel die Cybersicherheit“, erläutert der BWI-Chef. Die BWI wird technologisch in die neu zu entwickelnde Bundeswehr-Cloud investieren und diese als „private Cloud“ ausprägen. „Wir betreiben sie künftig hochautomatisiert als private Instanz mit hoher Verfügbarkeit.“ Leidenberger zufolge sind die Gespräche mit Technologiepartnern bereits im fortgeschrittenen Stadium. Dabei sei alles so auszugestalten, dass, sollte die Bundeswehr zusätzliche KI-Anwendungen verlangen oder Quantentechnologie die heutige kryptographische Sicherheit in Frage stellen, alle Übertragungen „quantensicher“ gemacht werden können. Die daraus resultierenden Veränderungen werden nach Aussage von Leidenberger die ganze Firma sukzessive erfassen. Obendrauf kommen dann weitere Aufgaben für die Bundeswehr. Dazu zählt er im weitesten Sinne des Wortes IT-Dienstleistungen, etwa das Projektmanagement im Bereich D-LBO (Digitalisierung landbasierter Operationen).

Deutschlands drei großen IT-Herausforderungen

Die Situation in der Ukraine verdeutlicht für den 3-Sterne-General a.D. vor welchen Herausforderungen Deutschland beim Thema IT steht. Sollte Deutschland physisch angegriffen werden, sei auch die IT-Infrastruktur gefährdet. „Da muss man sich die Frage stellen, wie man die Infrastruktur in Deutschland so sicher machen kann, dass sie nicht ausfällt oder, wie beispielsweise in der Ukraine, die Daten und Anwendungen „exportiert“ werden müssen, um sie gegnerischem Angriffen zu entziehen und weiter nutzbar zu halten. Das heißt, man muss darüber nachdenken, wie man sich quasi global absichert, indem man Daten an andere Orte evakuieren kann und trotzdem die Kommunikation gewährleistet.“ Dann kommt den Kommunikationsnetzen wie beispielsweise Satellitenkommunikation – bekannt ist insbesondere Starlink – besondere Bedeutung zu. Diese können sicherstellen, dass die Daten für Nutzanwendungen weltweit verfügbar gemacht werden.

Die Kommunikation im Datenverbund ist nach Einschätzung von Leidenberger daher die zweite große Herausforderung. „Wir haben einerseits große Rechenzentren, wo wir viele Daten hochintensiv verarbeiten können. Aber die Nutzanwendungen finden am sogenannten Edge statt, also völlig verteilt und dezentralisiert. Die Bundeswehr hat ein System aus diesen großen Rechenzentren, mittleren Rechenzentren (zukünftig dem German Mission Network) und den Anwendern, also bis hin in die Waffensysteme, welches wir jetzt aufbauen. Die Fähigkeit zur Verlegung von Rechenzentren ist derzeit deswegen so bedeutsam, weil derzeit breitbandige, weitreichende Kommunikationsmittel nur eingeschränkt verfügbar ist. Steht zum Beispiel Satellitenkommunikation zur Verfügung, dann lässt sich direkt von „ganz vorne“, also quasi der Frontlinie, auf Datenbestände „ganz hinten“, also im heimischen Rechenzentrum zugreifen.“

Denkbar ist nach Ansicht von Leidenberger auch, die Daten sehr weit vorne verfügbar zu machen, weil hochleistungsfähige Rechenzentrumsfähigkeiten mittlerweile auch in sehr kleinen Formfaktoren existieren und damit auch anspruchsvolle Anwendungen „vorne auf dem Gefechtsfeld“ gehostet werden können. „Die Streitkräfte, die vorne eingesetzt sind, bräuchten dann gar nicht dauerhaft mit großen Rechenzentren kommunizieren, um das Gefecht zu führen. Ich glaube, das ist die zweite Herausforderung, das Zusammenspiel zwischen „hinten“ und „ganz vorne“ hinzubekommen“, betont er.

Als dritte Herausforderung hat der BWI-CEO die Nutzung von KI identifiziert. Hier steht nach wie vor die Frage im Raum, wieviel und welche KI für Waffensysteme verwendet werden soll, bzw. darf. Ähnlich wie die Drohnendiskussion, bei der die Frage erörtert wurde, ob diese bewaffnet werden oder nicht. „Natürlich sehen wir für die BWI eine Rolle darin, diese KI entsprechend zu unterstützen und zu qualifizieren. Weil KI mit großen Datenmengen trainiert werden muss. Das wird dann typischerweise in unseren Rechenzentren passieren. Einer der Gründe, warum wir zum Beispiel mit Aleph Alpha zusammenarbeiten, ist, dass dieses Unternehmen sich vertrauenswürdige KI auf die Fahnen geschrieben hat. Das ist ein Angebot, dass wir der Bundeswehr in verschiedenen Ausprägungen machen müssen. Die Anwendungsmöglichkeiten für KI sind vielfältig. Ohne dieses Mittel zur Automatisierung bzw. schnelleren Reaktion wird man im nächsten Krieg nicht bestehen.“ 

Leistungssteigerung durch Software Defined Defence

Ein wichtiger Trend ist das Thema Software Defined Defence, bei der – vereinfacht ausgedrückt – die Leistungsfähigkeit von Waffensystemen durch Software-Verbesserungen erhöht werden soll. Dies ist für die Bundeswehr essentiell. „Ich gehe davon aus, dass wir als BWI zumindest die Entwicklungsplattform, wie wir es heute schon tun, für Softwareentwicklung der Bundeswehr zur Verfügung stellen und mit ihr gemeinsam betreiben werden. Je nachdem, welche Software die Bundeswehr braucht, wird die Bundeswehr sie teilweise selbst programmieren, Drittprodukte verwenden oder uns beauftragen. Wenn man auf Software Defined Defence schaut, dann müssen Sensoren und Effektoren vernetzt werden. Danach kann man sich überlegen, welche KI oder welche Software darauf laufen soll. Wir haben jedoch heute noch Waffensysteme und Plattformen, die das nicht durchgängig zulassen. Daran gilt es gemeinsam mit der Industrie, die die Waffensysteme herstellt, zu arbeiten“

Bei der Luftwaffe gebe es vom Radar im Flugzeug eine durchgängige Verbindung bis zum Command Center am Boden, das die Daten verarbeiten könne. Ähnliches gelte für das Artillerie-Feuerleitsystem Adler. „Aber von der Optronik im Panzer gibt es noch keine durchgängige Verbindung in irgendwelche Systeme. Teilweise sind die Waffensysteme so alt, dass man diese Verbindungen sehr aufwendig herstellen muss. Das Heer hat bereits Test- und Versuchsstrukturen aufgestellt, um die Möglichkeit von integrierten technisch-operationellen Tests zu schaffen. Ich glaube, für die Entwicklung eines ganzheitlichen Informations- und Kommunikationsverbundes für die Landstreitkräfte wird das eine große Rolle spielen. Auch um zu sehen, wie sich Software-Upgrades dann wirklich unter einsatznahen Bedingungen auswirken.“

Bedeutung von Fachkräften und Partnerökosystem

Die zusätzlichen Anforderungen der Bundeswehr an die BWI und die Umsetzung des Zielbildes sorgen für einen entsprechenden Personalbedarf. Auch wenn die BWI nicht alle Leistungen selber erbringen kann und an vielen Stellen auf ein verlässliches Partnerökosystem setzt, ist der Bedarf an guten Fachkräften groß. Hier zeigt sich Leidenberger zufrieden mit der Entwicklung der vergangenen Jahre „Ich muss sagen, dass wir eigentlich ganz gut unterwegs sind. Wir haben in diesem Jahr den 7.000 Mitarbeiter eingestellt. Unser Bedarf reicht über das ganze Spektrum von IT Dienstleistungen. Die inhaltlichen Themen verändern sich und wir brauchen mehr Software-, mehr Sicherheits-Know-how. Bisher gelingt es uns wirklich gut, die Menschen für uns zu begeistern. Und zwar vor allem, weil die Themen spannend sind. Gerade die kriegerischen Auseinandersetzungen haben doch den einen oder die andere noch mal zum Nachdenken gebracht.“

Trotzdem will die BWI in Zukunft noch stärker auf Partnerschaften mit der Industrie setzen und entsprechende Unteraufträge vergeben. „Die Umfänge variieren dabei stark“, sagt Leidenberger. Grundsätzlich sieht der BWI-CEO, der über jahrzehntelange Erfahrung in der Truppe verfügt, die BWI als wichtiges Instrument zur Umsetzung der Digitalisierung der Bundeswehr. „Ich persönlich glaube, dass so kritisch man ja aus verschiedensten Perspektiven immer auf die BWI schauen könnte, dass das Konstrukt einer Inhousegesellschaft für den IT-Bereich, die Lebensversicherung für die Bundeswehr ist. Wir haben die Chance, Menschen für uns zu begeistern, die direkt für uns arbeiten, aber auch immer wieder mit Partnern zusammenzuarbeiten und auch technologische Innovationen reinzuholen. Und wenn man uns ein bisschen mehr Raum lässt, ist die Aufstellung der BWI ein absolutes Erfolgsmodell.“

Lars Hoffmann