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Bergeboxer und Wisent 2 – FFG sieht Beschaffungspotenzial durch die Bundeswehr

Waldemar Geiger

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Die deutschen Streitkräfte müssen vor dem Hintergrund der Zeitenwende in den nächsten Jahren verschiedene Lücken im Bereich der Bergefähigkeit bei den Mittleren und Schweren Kräfte schließen und zudem den in die Jahre gekommenen Minenräumpanzer Keiler ersetzen. Berichten zufolge müssen im Bereich der Bergefähigkeit neben dem Ersatz der an die Ukraine abgegebenen Bergepanzer 3 Büffel über kurz oder lang auch die auf dem Leopard-1-Chassis basierenden Bergepanzer 2 ersetzt werden, welche vor rund 60 Jahren in Nutzung genommen wurden. Die Bundeswehr hat noch rund 100 dieser Fahrzeuge im Bestand. Zudem werden auch die in Aufstellung befindlichen Mittleren Kräfte eine auf die Bedürfnisse der neuen Kräftekategorie abgestimmte Bergefähigkeit erhalten müssen. Auch die Minenräumpanzer Keiler kommen langsam, aber an ihr Nutzungsdauerende, sodass die Bundeswehr über einen Nachfolger nachdenkt. In Summe müssen über die verschiedenen Vorhaben hinweg insgesamt rund 150 Systeme ersetzt, beziehungsweise neu eingeführt werden.

Die FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) sieht sich mit ihrem Bergemodul für den Boxer sowie der multifunktionalen Unterstützungsplattform Wisent 2 – welche FFG auf Basis des Leopard-2-Fahrgestells entwickelt hat – gut aufgestellt, um Lösungen für die eingangs beschriebenen Vorhaben und Fähigkeitslücken anbieten zu können, wie Thorsten Peter, Vertriebsleiter Wehrtechnik und Sonderprojekte bei der FFG, im Rahmen eines Vortrages auf dem Frühjahrssymposium des Förderkreis Deutsches Heer e.V. in Augsburg ausgeführt hat. Peter zufolge sind die FFG-Lösungen fertig entwickelt oder bereits in Nutzung und können somit schnell in die Bundeswehr eingeführt werden. Zudem bestehe großer Spielraum für eine internationale Kooperation mit verbündeten NATO-Staaten. So wird beispielsweise der Bergeboxer unter anderem auch von Großbritannien als mögliche Option für die eigenen Streitkräften betrachtet. Beim Wisent 2 wäre man sogar weiter, da die Plattform bereits von Kanada, Norwegen und Ungarn sowie zwei Staaten im Mittleren Osten beschafft wurde und über einschlägige Einsatzerfahrung verfügt. Zudem wird erwartet, dass ein weiteres NATO-Land in Kürze folgen wird. Würde sich die Bundeswehr für die Einführung dieser Systeme entscheiden, könnte neben der Interoperabilität mit NATO-Verbündeten auch die Logistik verbessert werden, da sich sowohl Boxer als auch Leopard 2 in der Nutzung der Bundeswehr befinden.

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Multifunktionsplattform Wisent 2

Basis für den Wisent 2 bildet das Fahrgestell des Kampfpanzers Leopard 2. Der Unterstützungspanzer ist laut Hersteller eine modulare Plattform, die als Berge-, Pionier-, Minenräum- oder Brückenlegepanzer eingesetzt werden kann. Sein Baukastenprinzip ermögliche es, ihn in weniger als fünf Stunden von einem Bergepanzer zu einem Pionierpanzer umzubauen und umgekehrt. Nutzer des Fahrzeugs sind laut FFG bislang Kanada, Katar, Norwegen, Ungarn und die Vereinigten Arabischen Emirate. Seit 2012 wurde das Unternehmen insgesamt mit der Lieferung von 59 Systemen beauftragt, 49 davon an NATO-Staaten.

Basis für den Wisent 2 bildet das Fahrgestell des Kampfpanzers Leopard 2. Der Unterstützungspanzer ist laut Hersteller eine modulare Plattform, die als Berge-, Pionier-, Minenräum- oder Brückenlegepanzer eingesetzt werden kann. (Bild: FFG)

Die Wisent-2-Multifunktionsplattform kann Peter zufolge auf Basis gebrauchter Leopard-2-Chassis realisiert oder vollkommen neu gefertigt werden. Die Plattform verfügt daher über die gleiche Mobilität und Leistung wie die Leopard-2-Kampfpanzer und überzeugt insbesondere im Bereich des Fahrgestells durch logistische Gleichheit. Früheren Angaben des Unternehmens zufolge verfügen die Wisent 2 über ein Laufwerk, das für Lastenklassen bis MLC-80 geeignet ist. Das Fahrzeug folgt dabei den gleichen Prinzipien wie der Kampfpanzer Leopard 2 A7V, wo Veränderungen am Seitenvorgelege und am Getriebe die Endgeschwindigkeit gering reduzieren, allerdings mehr Kraft auf die Kette bringen. Der Wisent 2 bietet bereits in der Basisversion einen sehr hohen Grundschutz, der bei Bedarf durch Adaption weiterer Schutzelemente erhöht werden kann. Die Besatzung besteht typischerweise aus drei Personen. Sofern erforderlich, ist der Fahrer allerdings in der Lage, den Wisent 2 allein zu bedienen.

Als Bergepanzer ist der Wisent 2 darauf ausgelegt, festgefahrene oder beschädigte Panzer unter Schutz zu bergen und abzuschleppen. Zu diesem Zweck ist die Plattform mit einem Räumschild sowie Drehkran mit einer Kapazität von 32 Tonnen, einer Winde mit konstant 40 Tonnen Zugkraft im Einfachzug und einer Gefechtsfeldbergeeinrichtung (CRS – Combat Recovery System) ausgestattet.

In der Konfiguration als Minenräumpanzer verfügt der Wisent 2 über ein sogenanntes Full-Width-Mine-Plough-Minenpflugsystem. (Bild: FFG)

In der Konfiguration als Minenräumpanzer verfügt der Wisent 2 über ein sogenanntes Full-Width-Mine-Plough-Minenpflugsystem beispielsweise von Pearson Engineering, das eine Räumbreite von rund 4,2 Metern ermöglicht. Bei diesem System werden die Minen während der Räumfahrt aus dem Boden gehoben und zu beiden Seiten neben die Fahrspur abgeleitet. Dort können sie später durch dafür geschultes Personal neutralisiert werden. Die Räumtiefe ist verstellbar und beträgt 175 bis 300 mm. Weitere mögliche Ausstattungsmerkmale sind ein Minengassenmarkierungssystem, Minenräumschnüre sowie ein magnetischer Signatur-Duplikator.

Boxer-Bergemodul

Das von FFG 2019 erstmals öffentlich vorgestellte Armoured Recovery Module (Bergemodul) ist Bestandteil des Bergeboxers (Repair & Recovery Vehicle) von KNDS. Die Entwicklungsarbeiten an dem Modul begannen bereits 2017. Das Gesamtgewicht des aktuell auf Basis des britischen MIV-Boxerfahrmoduls aufgebauten Gesamtsystems beträgt rund 39,5 Tonnen. Das Bergemissionsmodul ist aber auch mit den in der Bundeswehr eingeführten Boxer-Fahrmodulen nutzbar.

Das Modul ist gepanzert, wiegt etwa 13 Tonnen und kann je nach Kundenwunsch mit einer fernbedienbaren Waffenstation verschiedener Hersteller ausgerüstet werden. Es bietet Platz für zwei Besatzungsmitglieder, Kommandant und Bergewart. Der Fahrersitz bleibt im Fahrmodul mit direktem Zugang zum Bergemodul. Um eine maximale logistische Gemeinsamkeit mit den anderen Missionsmodulen zu gewährleisten, kommen beim Bergemodul, wo immer möglich, bereits eingeführte Komponenten (bspw. ABC-Schutzanlage, Heizungs- und Klimasysteme) zum Einsatz.

Das Bergemodul kann bei Bedarf auch autark vom Fahrmodul eingesetzt werden. (Bild: FFG)

Das Bergemodul ist nur über die mechanischen Standardschnittstellen des Boxers mit dem Fahrmodul verbunden und benötigt zum Betrieb eine Stromverbindung, um die im Modul integrierte Batterie laden zu können. Der Antrieb des Hydrauliksystems erfolgt über die Batterie, was dazu führt, dass das Bergemodul auch autark vom Fahrmodul eingesetzt werden kann.

Die Länge des schwenkbaren Kranauslegers beträgt 5,3 Meter, die Hebekraft 20 Tonnen. Weiterhin ist eine Bergewinde mit 20 Tonnen Zugkraft und einem 165 Meter langen synthetischem Bergeseil vorhanden, welche im 3:1 Zug bis zu 60 Tonnen Zugkraft entfalten kann. Die Steuerung der Bergesysteme kann unter Panzerschutz oder mittels Fernbedienung auch außerhalb des Fahrzeuges erfolgen. Auch eine völlig autonome Operation des Moduls ist Peters Vortrag zufolge möglich.

Der schwenkbare Kranausleger ist – nach Angaben von FFG – in der Lage alle gängigen Instandsetzungs- und Bergungsarbeiten durchzuführen. Dazu gehört beispielsweise das Ziehen und Tauschen von Triebwerken (auch dem eigenen), Fahrzeugtürmen oder das Heben des Boxers für den Radwechsel. Darüber hinaus ist das Modul mit einer Bergewinde am Heck ausgerüstet, welche auch zur Eigenbergung eingesetzt werden kann, und verfügt über eine breite Palette an Spezialwerkzeug z. B. Schneid- und Schweißgeräte sowie pneumatische Bergewerkzeuge.

Das Fähigkeitsportfolio des Moduls wird seitens des Herstellers wie folgt angegeben:

  • Bergung & Selbstbergung mithilfe der Hauptwinde,
  • Handling von Triebwerken, Waffenstationen und Panzertürmen,
  • vollumfängliche Unterstützung bei Instandsetzungsarbeiten,
  • Handling von Missionsmodulen,
  • Handling der Boxer-Brücke oder anderer Brücken,
  • Zugang zu allen Fahrmodul-Baugruppen unterhalb des Bergemoduls,
  • Gefechtsschadeninstandsetzung etc.,
  • autonomer Kran.

Die Stabilisierung des Moduls erfolgt über zwei hydraulisch ausfahrbare Stützen an der Seite in Verbindung mit einem „Heckanker“. Sie sichern das Modul bei Kran- und Windenarbeiten und entlasten das Fahrmodul gleichzeitig von der damit verbundenen Belastung.

Das teilautonome elektrohydraulische Design des Moduls, ermöglicht den Einsatz auch bei abgeschaltetem Triebwerk. Die Steuerung und Überwachung aller Systeme erfolgt zentral über Touchscreen-Displays und eine eigene FFG-Software. Im Notbetrieb kann die Hydraulik über eine manuelle Steuerung bedient werden.

Waldemar Geiger