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Ergebnisse der Task Force Drohne – Drohnenabwehr ja, Kampfdrohnen nein

Waldemar Geiger

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Im November 2023 von Generalinspekteur Carsten Breuer eingesetzt, hat die Task Force Drohne vor wenigen Wochen einen Maßnahmenkatalog von rund 200 Vorschlägen vorgelegt, die den Einsatz und die Abwehr von Kleinstdrohnen in der Bundeswehr verbessern sollen.

Die komplette Maßnahmenliste ist dem Vernehmen nach nur einem sehr kleinen Kreis an Menschen bekannt, selbst hohe Generale der Bundeswehr sowie Fachpolitiker im Parlament sollen derzeit noch keinen Zugang zum Abschlussbericht bekommen haben. Hier und da sind jedoch einzelne Infos öffentlich geworden. So zum Beispiel vor wenigen Tagen, als die Obleute des Verteidigungsausschusses am 4. Juli in einer geheimen Sitzung gebrieft wurden. Im Anschluss dazu hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur einzelne Maßnahmen bestätigt bzw. dargestellt.

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Nun wurden weitere Maßnahmen im Zuge eines Interviews von Verteidigungsminister Boris Pistorius mit der Süddeutschen Zeitung bekannt, die eine erste eingehendere Befassung erlauben.

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Die bis dato angesprochenen Einzelpunkten lassen sich in grob zwei Kategorien gliedern: Neben unterschiedlichen Maßnahmen zur Drohnenabwehr soll auch die Beschaffung von Kleinstdrohnen für Ausbildungs- und Übungszwecke erleichtert werden. Der Einsatz von Wirkmitteldrohnen wurde den zugänglichen Informationen zufolge nicht empfohlen. „Die derzeit konkret in Beschaffung gebrachten Klein- und Kleinstdrohnen werden nicht mit Wirkmitteln versehen“, wird ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in einem Beitrag der Deutschen Presse-Agentur zitiert.

Schutz vor Drohnen

Wie aus dem Pistorius-Interview und der Berichterstattung im Nachklapp an das Obleute-Briefing hervorgeht, sollen unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet werden, die den Schutz der Truppe vor Kleinstdrohnen erhöhen sollen. Im Fokus steht offenbar die Ausstattung der Bundeswehrkräfte in Litauen.

Tarnung

Berichtet wird über die Beschaffung von einer ersten Tranche von 1.100 Tarnponchos mit Multispektralschutz. Dabei soll es sich gut informierten Kreisen zufolge um ein Produkt aus der Serie Ghosthood des deutschen Herstellers Saro GmbH – auch bekannt unter dem Markennamen Concamo – handeln. Der Zweck solcher Multispektraltarnponchos ist es, die Aufklärung von Material und Personal in unterschiedlichen Spektren zu erschweren. Da Drohnen neben optischen Kameras oftmals auch über Wärmebildkameras verfügen, reicht eine rein visuell wirkende Tarnung nicht aus, um sich vor der Aufklärung der Drohne zu schützen.

Der Ghosthood-Poncho tarnt nicht nur in unterschiedlichen Spektralbereichen, er verwischt auch die Konturen des Trägers und erschwert somit auch ki-gestützte Objektidentifikation. (Bild: Saro GmbH)

Genau hier wirkt der Ansatz von Multispektraltarnausstattung, die in der Lage ist, mindestens zwei, teilweise aber auch mehr Spektren zu tarnen. Wobei tarnen nicht bedeutet, dass man gänzlich unsichtbar wird, sondern vielmehr ein Zustand erreicht wird, der die Detektionsreichweite signifikant verringert. Eine Drohne müsste deutlich näher an das getarnte Objekt heranfliegen, um dieses genau erkennen zu können. Neben der visuellen Signatur wird mittels solcher Tarnmittel auch die Signatur im Nahinfrarotbereich (für den Schutz mit der Aufklärung durch Restlichtverstärkertechnologie) bis in bestimmte Bereiche des thermischen Spektralbereiches deutlich reduziert. Zudem werden mit einem Poncho auch die optischen Umrisse verwischt, was nicht nur die Aufklärung, sondern auch die Identifikation des Objektes oder Person erschwert. Dies wirkt sowohl gegen personen- als auch ki-gestützte Aufklärung.

Wirkmittel

Weiterhin soll die Ausstattung der Truppe mit plattformungebundenen Wirkmitteln zur Drohnenabwehr forciert werden. Neben Geräten zur Signalstörung feindlicher Drohnen werden den Angaben des Sprechers des Verteidigungsministeriums zufolge auch elektronische Zielhilfen beschafft. Zudem wird „die Entwicklung von nicht-letalen Anti-Drohnen-Drohnen (z.B. mit Netzen)“ durch die Bundeswehr „begleitet“.

Da es sich um schnell realisierbare Maßnahmen handelt, dürfte es sich sowohl bei den Störsendern als auch den Zielhilfen um bereits eingeführte Systeme handeln.

Jammer

Dies deutet auf die Beschaffung von HP47-Störsystmen hin. Die Bundeswehr vertraut bereits seit mehreren Jahren auf HP-Störsender (Jammer). So wurde im Rahmen einer Sofortinitiative für den Einsatz (SiE) ein C-sUAS-System, bestehend aus zwei portablen Jammer-Kanonen und stationärer Sensorik, für den MINUSMA-Einsatz in Mali in den Jahren 2017/18 beschafft. Im Sommer 2023 wurde seitens des Bundeswehrbeschaffungsamtes BAAINBw zudem eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Effektoren des Typs HP V4, HP V5 sowie Adaptern mit der H.P. Marketing & Consulting Wüst GmbH (HP), einem deutschen Spezialisten für die Entwicklung und Produktion von Störsystemen, geschlossen. Details über Stückzahlen oder Vertragssummen wurden damals nicht bekanntgegeben.

Einem Beitrag auf der Bundeswehr-Webseite zufolge werden HP47-Effektoren auch in Litauen eingesetzt. „Dieser schultergestützte Störsender ermöglicht es den Soldatinnen und Soldaten, Einfluss auf eine oder mehrere anfliegende Drohnen zu nehmen“, heißt es in dem Bundeswehrbeitrag. Der im Beitrag abgebildete Jammer träft die Bildbezeichnung „Effektor HP47 3/V4“.

Der abgebildete Effektor HP47 3/V4 besteht aus einem Rahmengestell mit verschiedenen Anbauteilen, der Sendeeinheit, mehreren Akkus sowie einem Visier mit einfacher Vergrößerung. (Bild: Bundeswehr / André Forkert)

Die im elektromagnetischen Spektrum wirkende, schultergestützte Waffe wiegt nach Angaben der Bundeswehr 8,5 kg und hat eine Länge von 1,13 Metern. Das Wirkspektrum des Störers ermöglicht die Unterdrückung von Global Navigation Satellite System (GNSS) Signalen, die Unterbrechung der Fernsteuerung (RC – Remote Control) einer Drohne sowie die kombinierte Unterdrückung des GNSS-Signals und Unterbrechung der Fernsteuerung. Die Wirkreichweite ist nicht öffentlich bekannt, das System soll aber Signale in einer Entfernung von mehr als einem Kilometer stören können.

Elektronische Zielhilfe

Bei der elektronischen Zielhilfe soll es sich dem Vernehmen nach um Feuerleitsysteme der SMASH-Familie des israelischen Herstellers Smartshooter handeln. Die Bundeswehr hat im Mai 2023 eine nicht näher bekannte Zahl von SMASH X4 als „Zielassistenzsystemen zur Detektion und kinetischen Abwehr von Class 1 UAS“ für das G27P beschafft. Mit Class 1 UAS sind unbemannte Flugsysteme (Drohnen) unterhalb der Gewichtsklasse von 150 Kg gemeint. Gut informierten Kreisen zufolge soll nun eine Rahmenvereinbarung zur Beschaffung weiterer Geräte geschlossen werden. Spekuliert wird über eine mittlere dreistellige Zahl, von denen einige hundert Systeme fest abgerufen werden sollen.

SMASH X4 auf G27 (Bild: Bundeswehr)

Neben der infanteristischen Drohnenabwehr können Smash-Feuerleitvisiere auch das zielgenaue Schießen von fahrenden und schwimmenden Plattformen effektiv abbilden sowie die Schießergebnisse im Bodenkampf selbst nach hoher körperlicher Anstrengung signifikant verbessern.

Smash kombiniert elektrooptische Hardware mit eingebetteter Bilderkennungssoftware und einem ballistischen Rechner. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Visier, das dem Soldaten einen Haltepunkt anzeigt, nach dem er seine Waffe ausrichten kann, ermöglicht das SMASH-Visier dem Soldaten, sein Ziel zu verfolgen, es anzuvisieren und genau in der Sekunde zu feuern, die einen Treffer garantiert. Das Feuerleitvisier berücksichtigt dafür eine Reihe von Faktoren: von der Bewegungsrichtung und dem Bewegungstempo des Ziels bis hin zur Ballistik der Waffe, auf der es montiert ist.

Ist ein Ziel einmal erkannt und festgelegt, errechnet der Algorithmus eine Schusslösung. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Bewegung von Ziel und Schützen berechnet das System kontinuierlich den für einen Treffer erforderlichen Haltepunkt. Dieser dynamische Haltepunkt wird kontinuierlich in dem Okular angezeigt und bietet dem Schützen so eine deutlich höhere Trefferwahrscheinlichkeit für jeden Schuss. Der Schütze betätigt den Abzug, das System erlaubt eine Schussauslösung nur dann, wenn der Schütze den Zielpunkt der Waffe über den errechneten Haltepunkt eines vorher markierten Ziels führt. Der Schuss bricht dann automatisch. Sollte der Schütze die Waffe auf konventionelle Weise (manuell) abfeuern wollen, kann er den SMASH-Sperrmechanismus mittels eines Tastendrucks aus- und wieder einschalten.

Je nach Ausführung können nach Angaben von Smartshooter so Bodenziele, beweglich und stationär, bis mindestens 600 Meter und Kleinstdrohnen bis 250 Meter bekämpft werden. In Kombination mit Vorsatzgeräten ist das System zudem nachtkampftauglich. Da es sich um ein digitales Zielfernrohr handelt, kann das Gerät laut Hersteller in Battle Management Systeme (BMS) integriert werden. Hier können Informationen augmentiert oder im Uplink bereitgestellt werden. SMASH kann zum Beispiel bei einem Feuerkampf Zieldaten – Richtungswinkel, Entfernung oder Foto – automatisch generieren und dem BMS zur Verfügung stellen.

Abfangdrohnen

Was genau mit dem Begriff „begleitet“ gemeint ist, ist unklar. Neben der generellen Beobachtung der Entwicklung solcher Systeme könnte auch die Beschaffung gemeint sein. Im Fokus steht gut informierten Kreisen zufolge ein System der ARGUS Interception GmbH, einem deutschen Hersteller der einsatzbewährten Abfangdrohne ARGUS Interceptor, welche unter anderem im Rahmen der Eurosatory 2024 ausgestellt wurde.

Bei dem System handelt es sich nach Angaben des Unternehmens um ein marktverfügbares und Produkt, welches im Rahmen eines an der Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg durchgeführten Forschungsprojektes FALKE – die Abkürzung steht für „Fähigkeit des Abfangens von in gesperrte Lufträume eindringenden Kleinfluggeräten durch zivile Einsatzmittel“ – entwickelt wurde. Das im April 2022 gegründete Unternehmen hat das System im Anschluss an das Projektende marktreif gemacht und eigenen Angaben zufolge bereits in den „Einsatz“ ausgeliefert. Die Abfangdrohne wird in Deutschland gefertigt, zudem sollen alle wesentlichen Elemente und Bauteile aus Deutschland kommen.

ARGUS Interceptor auf der Eurosatory 2024 in Paris. (Bild: Waldemar Geiger / hartpunkt)

Genaue Details zum Einsatzgebiet wollte das Unternehmen nicht nennen, ein am Stand gezeigtes Video zeigt jedoch die ARGUS- Abfangdrohne eingerüstet in ein BV206-Fahrzeug, von dem die Bundeswehr mehrere Systeme an die Ukraine abgegeben hat. Das lässt darauf schließen, dass es sich bei dem Einsatzgebiet höchstwahrscheinlich um die Ukraine handelt.

Das Drohnenabwehrsystem an sich besteht aus einer Abfangdrohne, welche mit einer Aufklärungssensorik gekoppelt ist. In Paris war die ARGUS Interceptor in Kombination mit einem Aufklärungssystem des estnischen Herstellers Defsecintel Solutions zu sehen. Die Aufklärungsreichweite für Kleinstdrohnen liegt in diesem Fall bei vier bis fünf Kilometern. Nach Angaben von ARGUS lässt sich die Abfangdrohne jedoch mit jeglichem anderen Detektionssystem kombinieren.

Ist ein potenzielles Ziel erstmal aufgeklärt, startet die Abfangdrohne autonom und fliegt der anfliegenden Drohne entgegen. In der finalen Flugphase übernimmt dann die in der Drohne integrierte Sensorsuite – bestehend aus Radar, Lidar und optischer Kamera – und führt die Abfangdrohne KI-gestützt zum Ziel. Dem Bediener wird dann die Option zur Auswahl gestellt, ob die Zieldrohne verfolgt oder „gefangen“ werden soll. Entscheidet sich der Bediener fürs Abfangen, wird das Abfangmanöver autonom ausgeführt. Dazu begibt sich die Abfangdrohne in eine entsprechende Position und verschießt eines von drei an Bord befindlichen Abfangnetzen, was zum Absturz der Zieldrohne führt. Die Abfangrate von nicht kooperativen Drohnen wird mit über 95 Prozent angegeben.

Die Wahl des Effektors ist bewusst gewählt, so kann das System neben der Drohnenabwehr in Kriegsgebieten auch für den Schutz kritischer Infrastruktur sowie im Rahmen von Polizeieinsätzen genutzt werden. Bei der ARGUS Interceptor handelt es sich um eine Kopterdrohne mit einem Gewicht von weniger als 25 kg, die bis zu 30 Minuten in der Luft verbleiben kann.

Nach Aussagen des Unternehmens können bei Bedarf mehrere Abfangdrohnen gleichzeitig im selben Einsatzraum operieren und kooperativ unterschiedliche Ziele abfangen.

Je nach Einsatzzweck ist die ARGUS Interceptor in drei unterschiedlichen Varianten verfügbar. Neben einer Koffervariante für den mobilen Einsatz kann das System Fahrzeuggestützt oder angebunden an ein Infrastrukturobjekt eingesetzt werden.

Der Umstand, dass die Funktionsweise der Abfangdrohne ohne Einsatz von letalen Wirkmitteln oder dem Eingriff ins elektromagnetische Spektrum auskommt, würde auch einen Einsatz des Systems zum Schutz von Kasernen oder Übungsplätzen prädestinieren. Zahlreichen Medienberichten zufolge gibt es seit geraumer Zeit Ausspähversuche der Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland. Diese könnten damit deutlich effektiver geschützt werden.

Beschaffungsstrategie

Neben dem Kauf von Drohnenabwehrmitteln schlägt die Task Force Drohne offenbar auch die Vereinfachung der Drohnenbeschaffung vor.

So soll es der Truppe zukünftig einfacher mögliche sein, handelsübliche Drohnen für Einsatz und Übung zu beschaffen. Dazu wird eine Positivliste mit im freien Handel angebotenen Systemen erarbeitet, die für den Einsatz in der Truppe freigegeben sin.

Diese Maßnahme ist nicht neu. Wie hartpunkt bereits im Januar berichtete, dürfen Kommandeure von Heeresverbänden dies bereits seit Ende 2023 tun. Die Idee der Truppe ist demnach, die gekauften Systeme unter anderem für die Überprüfung der eigenen Einsatztaktiken zu nutzen – sprich: zu schauen, in welcher Weise Kleinstdrohnen dafür genutzt werden können, um das eigene Handeln – von der Kampfhandlung bis hin zur Ausführung logistischer Tätigkeiten – zu überprüfen und wo möglich zu verbessern. Dazu sollen die Drohnen in die eigenen Prozesse integriert oder aber auch als Feinddarstellungsmittel genutzt werden.

Es soll jedoch Probleme bei der Beschaffung geben, welche sich für die Truppe wohl doch nicht so einfach wie ein Kauf im Supermarkt gestaltet. Zudem gibt es Engpässe bei den Ausbildungsplätzen für die Piloten, die einen Bundeswehrlehrgang in Munster absolvieren müssen, bevor mit den Drohnen geübt werden darf. Man bedenke, dass diese Systeme zivil ohne jegliche Auflagen (Drohnengewicht unterhalb von 250 Gramm) bzw. nach Erwerb eines Drohnenführerscheins (Drohnengewicht bis 25 Kilogramm) geflogen werden dürfen, teilweise auch in bebauten Gebieten. Zudem ist der Erwerb der zivilen Lizenz online und innerhalb kürzester Zeit möglich, während die Ausbildungsplätze in Munster limitiert sind und, so hört man es aus der Truppe, bei weitem nicht den notwendigen Bedarf der Truppe decken können. Interessant ist auch, dass viele Soldaten diese Erlaubnis bereits besitzen, diese aber nicht für den dienstlichen Einsatz der Drohne nutzen dürfen.

Zumindest der Problemanteil der Beschaffung könnte in Kürze gelöst werden. Denn das BAAINBw hat vor kurzem einen Teilnahmewettbewerb für die Beschaffung handelsüblicher Drohnen eröffnet. Absicht ist es demnach, eine Rahmenvereinbarung über die Beschaffung von zwei unterschiedlichen Losen handelsüblicher Drohnen für den Zeitraum Januar 2025 bis Dezember 2026 zu schließen. Weiter Details sind öffentlich nicht einsehbar. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte jedoch auf Nachfrage von hartpunkt: „Die angestrebte Beschaffung von handelsüblichen sUAS ist ein Ergebnis der Arbeit der Task Force Drohne zur initialen Deckung eines ersten Bedarfs der Streitkräfte.“ Dies deutet darauf hin, dass die Truppe den Drohnenbedarf zukünftig über diese Rahmenvereinbarung decken könnte.

Abseits der einfacheren Beschaffung von handelsüblichen Systemen hat die Task Force wohl empfohlen, keine großen Lagerbestände an Kleinstdrohnen aufzubauen, da diese sehr kurzen Entwicklungszyklen unterliegen. Dies führt dazu, dass zum heutigen Zeitpunkt brauchbare Systeme in wenigen Monaten obsolet werden. Es wird aber dem DPA-Bericht zufolge geprüft, inwieweit bei künftigen Drohnenbeschaffung die Vertragsausgestaltung mit den Herstellern so geregelt werden kann, dass schnelle Softwareupdates praktikabel umsetzbar sind. Auch die Regelung von Hardwareanpassungen wird offenbar mitbetrachtet.

Berichtet wird darüber hinaus, dass die Task Force Drohne den Vorschlag unterbreitet hat, die zukünftige Drohnenbeschaffung über ein BWI-ähnliches Konstrukt abzuwickeln. Die BWI GmbH ist im Besitz des Bundes und regelt unter anderem die Beschaffung der Bundeswehr-IT. Im Gegensatz zur Beschaffung über den klassischen Bundeswehr-Beschaffungsweg ist es den Streitkräften so gelungen, eine IT-Infrastruktur aufzubauen und aufrechtzuerhalten, die dem Stand der Technik entspricht. Der klassische Beschaffungsprozess war dafür nicht schnell genug, da er nicht mit dem technischen Entwicklungsfortschritt mithalten konnte.

Wirkmitteldrohnen

Im Rahmen der Beschaffung der handelsüblichen Drohnen werden die Systeme nach Zitat des Verteidigungsministeriumssprechers im DPA-Bericht nicht mit Wirkmitteln versehen. Eine stichhaltige Begründung dafür, trotz der im Ukrainekrieg effektiv eingesetzten Wirkmitteldrohnen, wird nicht mitgeliefert.

Eine mögliche Begründung könnte in fehlenden Einsatzregeln für den Einsatz bewaffneter Drohnen liegen. So darf die Bundeswehr zwar seit einer im April 2022 getroffenen Parlamentsentscheidung bewaffnungsfähige Drohnen besitzen, deren bewaffneter Einsatz wurde jedoch an die Aufstellung von verbindlichen Einsatzgrundsätze für bewaffnete Drohnen geknüpft. Diese müssen durch die Regierung aufgestellt und durch die Bundestagsausschüsse für Verteidigung bzw. Auswärtige Angelegenheiten gebilligt werden.

Das Problem daran ist, dass der Bundestag seit nunmehr zwei Jahren auf die Einsatzgrundsätze wartet. Einer Pressemitteilung des Büros von CDU-Verteidigungspolitiker und Mitglied im Haushaltsausschuss Ingo Gädechens vom 26. Juni 2024 heißt es, dass das Verteidigungsministerium noch im letzten Sommer von Ressortabstimmungen sprach. „Bis heute hat sich daran nichts geändert: Die Einsatzgrundsätze sind nach wie vor ,Gegenstand ministerieller Abstimmungen‘. Nicht einmal zeitliche Meilensteine, wann eine Befassung des Parlaments geplant ist, kann die Regierung nennen“, so die Pressemitteilung.

Was für die bewaffnungsfähige Heron-TP gilt, dürfte konsequenterweise auch für kleinere Drohnen gelten. Das Thema Kampfdrohnen scheint in der aktuellen Bundesregierung trotz des im April 2022 gefassten Beschlusses weiterhin sehr sensibel zu sein. So kündigte der Verteidigungsminister im Rahmen eines Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe am 13. Juni 2024 an, dass Deutschland mehrere tausend Kampfdrohnen an die Ukraine liefern wird, ohne jedoch weitere Details dazu bekanntzugeben, was man unter Kampfdrohnen genau verstehen soll.

Noch kryptischer liest sich der offizielle Beitrag des Verteidigungsministeriums zu den getroffenen Kooperationen im Zuge des NATO-Gipfels in Washington vom 11. Juli. In dem Abschnitt Beitritt zur „Drohnen-Koalition“ heißt es wörtlich: „Die Capability Coalition Drone ist neben der Coalition Air Defence und Armour eine der wichtigsten Fähigkeitskoalitionen. Ziel dieser Koalition ist die kurzfristige Stärkung der ukrainischen Streitkräfte durch die Beschaffung von ,First-Person-Viewer-Drohnen‘, also kleiner, kamerabestückter Aufklärungsdrohnen.“

Selbst in der Redaktion des Verteidigungsministeriums wird es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit rumgesprochen haben, dass sogenannte First-Person-Viewer-Drohnen keine kamerabestückte Aufklärungsdrohnen sind, sondern mittels einer Videobrille von einem Piloten in Echtzeit gesteuerte Renndrohnen mit Panzerabwehrsprengköpfen. Solche sogenannten FPV-Drohnen verfügen nämlich über keine nennenswerte Aufklärungsleistung können daher auch nicht zu Aufklärungszwecken eingesetzt werden.

Zudem geht aus Veröffentlichung des britischen Verteidigungsministeriums – Großbritannien ist im Rahmen der Drohnen-Koalition für die Beschaffung von FPV-Drohnen zuständig – hervor, dass die Drohnen als Wirkmittelträger eingesetzt werden.

Dies alles deutet stark darauf hin, dass das Thema Kampfdrohnen in Teilen der Ampel-Koalition weiterhin ein „heißes Eisen“ darstellt und deren Bundeswehreinsatz selbst zwei Jahre im Anschluss an die zehnjährige Kampfdrohnendiskussion noch lange nicht „ausdiskutiert“ ist.

Fazit

Eine abschließende Bewertung der Arbeitsgruppenergebnisse der Task Force Drohne kann anhand der wenigen bekannten Maßnahmen nicht seriös angestellt werden. Gleichwohl lassen sich einige Aspekte erkennen.

So scheinen die öffentlich gemachten Vorschläge sich mehrheitlich auf sogenannte Quick-Fix-Lösungen zu fokussieren, mit denen der Truppe vergleichsweise schnell geholfen werden soll.

Zudem lässt sich erahnen, dass beispielsweise beim Thema Schutz vor Drohnen mehrschichtig gesehen wird. Neben dem Abschuss von Drohnen werden auch Maßnahmen betrachtet, die dazu führen sollen, dass die Soldaten gar nicht erst gesehen und somit gefährdet werden sollen (Tarnung).

Auch die Beschaffungsstrategie betreffenden Punkte erscheinen sinnvoll, um mit der Thematik effektiv umgehen zu können. Eine unkomplizierte Beschaffung und Nutzung von Kleinstdrohnen würde der Truppe sicherlich sehr weiterhelfen. Gelänge es zudem, einen agilen Beschaffungsweg für die generelle Thematik rund um Drohnen und Drohnenabwehr – welche immer im Verbund gesehen werden müssen – aufzusetzen, würde dies die Bundeswehr in eine solide Ausgangsbasis für den modernen Drohneneinsatz bringen. Dazu gehört aber zwingend auch der Einsatz von Kampfdrohnen, hier liegen die Versäumnisse aber weiterhin bei der in Verantwortung stehenden Bundespolitik.

Waldemar Geiger