Kleinstdrohnen gelten als ernsthafte Bedrohung für Landstreitkräfte, weil die günstigen Systeme in großer Zahl überall auftreten können, Ziele fast unbemerkt aufklären oder selbst als Waffe fungieren können, wie man im fast zwei Jahre dauernden Krieg in der Ukraine sieht. Es verwundert daher nicht, dass mittlerweile viele Streitkräfte auf der Welt, darunter auch die Bundeswehr, nach Abwehr-Lösungen gegen diese neue Bedrohungskategorie suchen.
Beobachter sind sich einig, dass die Abwehr nur dann effektiv gelingen kann, wenn jeder Truppenteil und jedes Fahrzeug Fähigkeiten erhält, um sich gegen Kleinstdrohnen wehren zu können. Ähnlich dem Prinzip der Panzerabwehr aller Truppen wird in diesem Zusammenhang immer öfter die Begrifflichkeit der „Drohnenanbwehr aller Truppen“ gebraucht. Auch hohe Bundeswehrgenerale sehen dies ähnlich. „Einsatz und Abwehr von Drohnen wird in Streitkräften eine „Jedermann“-Aufgabe werden“, erklärte beispielsweise Generalmajor Christian Freuding, Leiter des Lagezentrums Ukraine und des Planungs- und Führungsstabes des Bundesministers der Verteidigung, in eine Presseinterview im Dezember 2023.
Die Wehrindustrie hat die Zeichen der Zeit ebenfalls seit geraumer Zeit erkannt und entsprechende Möglichkeiten eruiert, wie eingeführte Systeme zur Drohnenabwehr befähigt werden können. Ein Beispiel dafür ist der RCT30-Turm von KNDS, ehemals Krauss-Maffei Wegmann, welcher unter anderem die Hauptbewaffnung des Schützenpanzers Puma sowie des RCT30-Boxers, auch unter dem Namen PuBo bekannt, darstellt.
Der RCT30-Turm verfügt sowohl über eine leistungsfähige und präzise 30mm-Maschinenkanone, die tempierbare Munition verschießen kann, als auch über hochentwickelte Zieloptiken. KNDS hat die Fähigkeit des Puma-Turmes zur Drohnenabwehr, also vor dem Ukrainekrieg, bereits im Sommer 2021 erstmals öffentlich vorgeführt, hartpunkt berichtete. Um die bei der Vorführung eingesetzten Helikopterdrohnen des Typs Phantom mit vier Probellern aufklären zu können, war der Turm – montiert auf einem Boxer – mit einem passiven Radio-Frequency-Sensor der Kasseler Firma Dedrone ausgestattet. Das einem Schuhkarton ähnelnde Gerät war auf einem kleinen Mast auf der linken Seite des Turms angebracht. Der Sensor kann die mit bloßem Auge kaum zu erfassenden Flugobjekte auf eine Entfernung von 1.500 Metern aufklären. Nach nunmehr zweieinhalb Jahren hat das Unternehmen Bewegtbilder eines PuBo veröffentlicht, der in Stellung unterschiedliche Kleinstdrohnen abwehrt. Das im Video zu sehende Schießen fand nach Aussage eines KNDS-Sprechers gegenüber hartpunkt im Sommer 2021 statt. Dem Sprecher zufolge wird in Kürze ein weiteres Video von einem Anfang Februar 2024 stattgefundenen Schießen veröffentlicht, welches den RCT30 bei der Abwehr eines Drohnenschwarms zeigt.
Fachkreise gehen davon aus, dass diese Art der Drohnenabwehr ein Teil der Lösung – wenn auch ein wichtiger – für das angesprochene „Drohnenproblem“ sein kann. Ein Grund dafür ist die zum Einsatz kommende Sensorik, welche im Vergleich zur Sensorik von Flugabwehrkanonenpanzern, wie beispielsweise dem Skyranger, deutlich leistungsschwächer ist. Was angesichts des Haupteinsatzzweckes von Schützenpanzern, egal ob Rad oder Kette, auch nicht verwunderlich ist. Zudem verfügt die Waffenanlage über einen deutlich geringeren Höhenrichtbereich. Fraglich ist zudem, ob tief und schnell fliegende FPV-Kampfdrohnen auf diese Art und Weise abgewehrt werden können.
wg