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„Das Thema FCAS insgesamt, aber auch gerade Combat Cloud läuft sehr gut“

Interview mit Harald Mannheim, Geschäftsführer Airbus Defence and Space GmbH

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Die Airbus-Rüstungssparte Defence and Space produziert nicht nur fliegende Systeme, sondern ist in Deutschland auch an zahlreichen Projekten in Bereichen wie Kommunikation, Luftverteidigung, Aufklärung und IT beteiligt. Dabei ergeben sich vor dem Hintergrund der sogenannten Zeitenwende besondere Herausforderungen. hartpunkt hat mit Harald Mannheim, Geschäftsführer Airbus Defence and Space GmbH, Head of Defence Digital and Cyber, über aktuelle Vorhaben und die Herausforderungen für seine Geschäftssparte gesprochen.

hartpunkt: Herr Mannheim, mit Airbus assoziiert man in erster Linie den Eurofighter oder den A400M. Ihr Geschäftsbereich hat andere Schwerpunkte. Welche sind das?

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Harald Mannheim: Grundsätzlich setzt sich die Airbus Defence and Space aus den Bereichen Airpower, Space Systems und Connected Intelligence zusammen. Bei Air Power haben wir die wohlbekannten Themen Eurofighter, A400M, aber auch die Eurodrohne. Space Systems, glaube ich, spricht für sich; hierunter fallen unsere Raumfahrt-Themen. Im Bereich Connected Intelligence verantworte ich den Bereich Defence Digital und Cyber, wobei es hier um die cyberresilienten, gesichert verbundenen Führungs- und Aufklärungssysteme geht. Damit stehen wir in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, aber auch für andere NATO-Staaten und internationale Missionen wie NATO AWACS und NATO AGS, seit Jahrzehnten erfolgreich für diese Themen. 

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Airbus ist ein anerkannter Akteur im Bereich der militärischen Aufklärung sowie ein Systemhauslieferant für sicher vernetzte ISR-Lösungen (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance) und luft- und bodengestützte Führungsinformationssysteme. Ebenfalls liegt uns die Digitalisierung der Streitkräfte am Herzen. Mit unseren Fähigkeiten schaffen wir eine robuste, interoperable und zuverlässige Systemlandschaft. Dies spiegelt sich besonders im Bereich der Führungsfähigkeit wider. Wir bieten multidimensionale und cyber-resistente Informationsüberlegenheit durch Echtzeit-ISR-Datenfusion und prädiktive Analyse für militärische und staatliche Kunden.

Zusätzlich zu unserer eigenen technischen Kompetenz sind wir im Bereich der Systemintegration mit Partnern sehr stark aufgestellt. Das heißt, wir gehen mit Partnerfirmen so in den Markt, dass wir die besten Komponenten der am Markt verfügbaren Systeme auch bei uns systemisch integrieren.

hartpunkt: Und welches sind in diesem weiten Portfolio die wichtigsten Projekte in Ihrer Geschäftseinheit in der nächsten Zeit?

Mannheim: Entsprechend den Kundenbedürfnissen ist Zeit heute ein sehr kritischer Faktor, so dass wir sehr schnell risikoarme Lösungen zur Verbesserung der Führungsfähigkeit der Streitkräfte, aber auch für staatliche Sicherheitsorgane darstellen müssen. Das bedeutet zunächst einmal Weiterentwicklung bestehender Systeme. Gleichzeitig aber auch – mit Blick auf die Digitalisierung der Streitkräfte in der mittleren bis fernen Zukunft – die Evolution so zu gestalten, dass die Bestandssysteme im Hinblick auf das Neue wachsen können, also zum Beispiel die Einführung von künstlicher Intelligenz als Unterstützungsmaßnahme. 

Harald Mannheim sieht Zeit als kritischen Faktor bei der Einführung neuer Systeme. (Foto: Airbus Defence and Space)

Ziel ist es, Systeme zur Verfügung zu stellen, die mit geringem Schulungsaufwand und weniger Bedienungspersonal betrieben werden können, so dass ein wesentlicher Schwerpunkt auf der Automatisierung liegt. Dabei wird jedoch berücksichtigt, dass der Mensch die Entscheidungen trifft. Der Schwerpunkt liegt auch auf der substanziellen Verbesserung der automatisierten Führungsunterstützung im militärischen Bereich und hier gibt es in allen Nationen derzeit massive Bestrebungen. Auch der Generalinspekteur hat gefordert, dass wir sehr schnell Dinge darstellen müssen um, um Kriegstauglichkeit herzustellen, und lange Entwicklungsphasen und langwierige Beschaffungsprozess zu vermeiden. Ich glaube, dass wir hier gut aufgestellt sind und den Kunden auch schnell verfügbare, verbesserte Systeme anbieten können.

hartpunkt: Die Bundeswehr arbeitet an der Entwicklung eines durchgängigen interoperablen Informations- und Kommunikationsverbundes, von der Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) bis zu den festen Rechenzentren im Hinterland. Ein Projekt in diesem Zusammenhang ist das Tactical Wide Area Network (TAWAN). Wie ist Airbus in dem Bereich aufgestellt? Da läuft ja auch gerade ein Tender, soweit ich weiß.

Mannheim: Zu einer laufenden Ausschreibung kann ich natürlich keine Auskunft geben, aber grundsätzlich sind wir da sehr gut aufgestellt, und auch im Gespräch mit dem BMVg und dem Beschaffungsamt.

Sie sprachen D-LBO und TAWAN an. Dabei geht es eigentlich um die Konnektivität und Führungsfähigkeit der Landstreitkräfte, aber in der Erweiterung im Verbund der multidimensionalen Betrachtung auch um Land, Luft, See und Cyberraum. So dass wir auch hier übergreifend nicht nur spezifisch einzelne Ausschreibungen bedienen müssen, sondern auch den Kunden beraten, was auf Basis der vorhandenen Systeme, aber auch unserer technologischen Ideen und Möglichkeiten machbar ist.

Bei TAWAN geht es ganz konkret auch darum, kurzfristig innerhalb von etwa drei Jahren eine substanzielle Verbesserung der gesicherten Vernetzung des Gefechtsfeldes mit State of the Art, marktverfügbaren Komponenten herbeizuführen. Das aber auch immer unter Anbindung und Einbindung der bestehenden Systeme und der neu auszurollenden Systeme. Das ist genau das, was ich eingangs erwähnt habe, die Kompetenz, als IT-Systemintegrator übergreifend tätig zu sein. 

hartpunkt: Sie hatten ja schon gesagt, dass das Thema Führungssysteme sehr wichtig ist. Wie sieht es grundsätzlich aus bei der Entwicklung der Vernetzung europäischer Streitkräfte?

Mannheim:  Das ist natürlich ein absolutes Schlüsselwort. Wir haben tatsächlich im Rahmen der NATO das Thema “Führungsfähigkeit” auf der Agenda, dass wir in der Lage sein müssen, Streitkräfte gemeinsam, kollaborativ zu führen und zu vernetzen. Dafür ist Durchgängigkeit in der Kommunikation ein absolutes Schlüsselwort, und zwar dann auch multidimensional für Land, Luft, See und Cyberraum. Hier stehen die Streitkräfte teilweise noch am Anfang.

Wir sind als Airbus Defence and Space auch hier sehr gut aufgestellt. Zum Beispiel im Rahmen der europäischen Initiativen im European Defence Fund. Hier sind wir als Koordinator eines Konsortiums aus 35 Unternehmen zum Thema EDOCC (European Defence Operational Collaborative Cloud, Anm. d. Redaktion) tätig. Da geht es um Cloud-Architektur und Combat-Cloud-Architekturen. Ebenfalls bei dem Thema EICACS (European Initiative for Collaborative Air Combat Standardisation, Anm. d. Redaktion), hier geht es um die Standardisierung. Wir sind Kernpartner, wo es im Wesentlichen darum geht, architektonisch in der Standardisierung die Möglichkeit zu schaffen, einmal die heute existierenden Architekturen und Systeme der Nationen zusammenzuführen, aber auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Systeme Standards zu setzen, Architekturen zu entwickeln. Unter denen die Nationen dann gegebenenfalls eigene Beschaffungen durchführen können. Die geteilten Standards ermöglichen es, multidimensional auch nationenübergreifend zu führen. 

Wir haben hier als Kernthema die europäische Souveränität, aber auch jeweils die nationale Souveränität, so dass die Nationen in die Lage versetzt werden, weiterhin das, was national bleiben soll, auch national zu machen. 

Dafür sind die EDF-Themen wesentlich. Und da haben wir einen sehr starken eigenen Impuls, uns auch entsprechend zu positionieren. Auch hier gilt es wieder, nicht lange Studien und lange Entwicklungsphasen zu skizzieren, sondern tatsächlich pragmatische Lösungen zu finden. Wie kann ich Bestandssysteme evolutionär auf die nächste Stufe heben?

hartpunkt: Satelliten, ob geostationär oder im Low Earth Orbit, werden für Streitkräfte immer wichtiger. Was kann Airbus in diesem Bereich beitragen? 

Mannheim: Dem kann ich nur zustimmen. Nicht nur mit Blick auf die Streitkräfte, sondern auch gesamtgesellschaftlich: Unser Schutz und die Entwicklung unserer Wirtschaft hängen im Wesentlichen von Weltraumfähigkeiten ab. Das betrifft die Themen Aufklärung, präzise Navigation und sichere Kommunikation. Und das sind nur einige Beispiele. Heute funktioniert alles nur noch, wenn man weltraumgestützte Fähigkeiten hat. 

Da ist es aus unserer Sicht wichtig, Multi-Orbit-Architekturen anzubieten, um Resilienz zu erhöhen. Also eine ausbalancierte Mischung aus Hochleistungssystemen, die geschützt werden sollen, und einfachen Systemen in größeren Stückzahlen und Konstellationen, die dann zusammen alle Orbits GEO, MEO und LEO auch entsprechend bedienen und die besten Assets auf dem jeweiligen Orbit bieten. Wir sind als Airbus Defence and Space in allen Orbits unterwegs, so dass wir das gesamte Spektrum bedienen können: Gerade im Leo-Bereich haben wir in den letzten Jahren stark investiert, im Kleinsatelliten-Bereich bieten wir Lösungen an. Unsere Kernkompetenz ist aber nach wie vor der Bau von Höchstleistungs-Satelliten.

Wir bieten Erdbeobachtungssysteme, Satellitenkonnektivität, und Aufklärungssatelliten für verschiedene Kunden, so dass wir verlässliche Erfahrungsgrößen haben, um Architekturen anzubieten, die auch laserbasierte Satellitenkonnektivität innerhalb der Satellitenflotte darstellen können. 

Wir können auch die Cybersicherheit der Systeme gegen Manipulation gewährleisten und dabei die zunehmenden Datenmengen, auch im Gefechtsfeld, in Cloud-Architekturen mitberücksichtigen und abbilden. 

Allerdings, und das muss man auch klar dazu sagen, haben wir hier wieder den Faktor Zeit. Hier sichern sich andere Staaten zusätzlich auch kommerziell verfügbare Fähigkeiten und Kapazitäten. Da hinkt Deutschland noch etwas hinterher. Unsere Idee ist es, dass man auch kommerzielle Lösungen mitnutzen kann. Wir haben natürlich auch unsererseits entsprechende Angebote, die man mitberücksichtigen könnte. Einfach um seinen Flottenmix noch breiter aufzustellen und Vorhaben rascher zu realisieren, auch wenn sie vielleicht dann im ersten Schritt nicht jeder militärischen Anforderung genügen, aber einfach schneller verfügbar sind.

hartpunkt: Ein anderes Thema für Airbus ist das Future Combat Air System (FCAS). Dort sind Sie für die Combat Cloud verantwortlich. Wie ist dort der Stand der Dinge?

Mannheim: Der Stand ist sehr erfreulich. Wir kommen da gut voran, wir liegen im Zeitplan. Das Thema FCAS insgesamt, aber auch gerade Combat Cloud läuft sehr gut. Die Zusammenarbeit mit den Partnern läuft gut. Im Rahmen der aktuell noch laufenden Phase 1B wird die endgültige Gestalt, Form und Größe des Kampfflugzeugs, des Next Generation Weapon Systems festgelegt. Der Next Generation Fighter, dann aber auch das Zahlenverhältnis und die Art der Remote-Carrier-Drohnen werden festgesetzt, sowie auch wie diese eingesetzt werden sollen. Wir reden bei der aktuell laufenden Phase 1B über eine Technologiematurierungs- und Konzeptphase. Wir arbeiten hier sehr eng mit den Vertretern der beteiligten Luftstreitkräfte, also Spanien, Frankreich und Deutschland, zusammen. Auch im Bereich der Combat Cloud, das muss man anmerken, arbeiten wir bemerkenswert gut mit den Kolleginnen und Kollegen von Thales und Indra zusammen. Dafür haben wir die agile Softwareentwicklungs-Methodik im Projektmanagement gemeinsam eingeführt. 

Das Thema FCAS insgesamt, aber auch gerade Combat Cloud läuft Mannheim zufolge sehr gut. (Bild: Airbus Defence and Space)

Das ist eine methodische Neuerung, die uns die Zusammenarbeit über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg erleichtert und so ein komplexes Projekt beherrschbar macht. Allerdings müssen wir FCAS Phase 2, also die Entwicklungsphase, gut vorbereiten. Wir wissen, dass 2025 wieder ein Wahljahr in Deutschland ist. Es ist wichtig, hier keine Zeit zu verlieren und die Phase 2 so aufzusetzen, dass sie auch im Zeitrahmen möglichst in 2025 plangemäß beauftragt werden kann, so dass wir da auch keinen Bruch in der Kontinuität sowohl der Teams als auch der Entwicklung haben.

Was wir immer machen, auch derzeit schon ist, dass wir die Erkenntnisse, die wir aus der Entwicklung und der Konzeptphase 1B in FCAS gewinnen auch in unsere Systeme national bereits einbringen und hier in der Ausfächerung sind, so dass es nicht nur ein Future Combat Air System sein wird, sondern dass die Erkenntnisse in die “Today and Tomorrow Systems” einfließen und nicht nur in die “The-Day-After-Tomorrow-Systems” ab 2040.

hartpunkt: Was für ein Beispiel hätten Sie für die Today-Systeme, in die Sie das einfließen lassen?

Mannheim: Also wir haben konzeptionell das Thema Eurofighter Long Term Evolution. Wir haben das Thema Loyal Wingman, den wir vor Einführung des FCAS anstreben und anbieten wollen. Die Luftwaffe ist daran sehr stark interessiert, sodass auch der evolutionäre Weg eines Eurofighters nicht in Trippelschrittchen voran geht, sondern tatsächlich mit massiven Meilensteinen voranschreitet. Hierdurch werden wesentliche Fähigkeiten des FCAS-Systems nicht erst 2040 oder später eingeführt. 

Wir müssen ja immer zwischen dem Next Generation Fighter, dem Next Generation Weapon System mit Fighter und Remote Carriern, dem Flugzeug und dem FCAS-System, dem Future Combat Air System unterscheiden. Dieses systemische Ausbrechen, die Führungsfähigkeit, der vernetzte kollaborative Verbund bei Luftoperationen kann natürlich auch schon im Vorfeld eingeführt werden. Wenn die Architekturen und Systeme entsprechend da sind, sind wir wieder bei dem, was wir eingangs hatten. Wenn wir gemeinsame Architekturen für kollaborative Vernetzung entwickelt haben, spricht nichts dagegen, diese auch technologisch bereits einzuführen, bevor neue Systeme und neue Plattformen kommen.

hartpunkt: Ein anderes Thema, was sehr wichtig ist, ist die Luftverteidigung – sowohl für Bundeswehr als auch für andere Streitkräfte. Da haben Sie ja einige Produkte im Angebot.

Mannheim: Das ist tatsächlich so, dass wir hier traditionell und in großen Teilen seit über 30 Jahren aktiv sind. Sowohl im Bereich der Führungsfähigkeit Luft, wo wir mit der Exportversion 1-SkyControl, dem German Improved Air Defense System, aktiv sind. Damit stellen wir die obere taktisch-operative Ebene der Führung von Luftstreitkräften dar. Die Software wird in den Control- und Reporting Centern (CRC) eingesetzt. Kürzlich wurde auch das verlegefähige CRC an die Luftwaffe ausgeliefert. Dieses hat sich in Einsätzen bewährt, ist marktverfügbar und aufwuchsfähig so dass wir auch hier das Thema der evolutionären Entwicklung der Führungsfähigkeit darstellen können. Die Softwarearchitektur ist so robust, dass sie auch einen deutlichen Entwicklungspfad nach vorne darstellen kann.

Wir haben das Thema SAMOC – Surface to Air Missile Operating Center, das ist der Gefechtsstand der Flugabwehr-Raketen-Truppe. Darin können wir integriert die Lage darstellen, können planen, taktische Pläne erstellen, aber auch die Einsatzführung von Flugabwehrraketen und Flugabwehrkräften darstellen. 

Und das Interessante am SAMOC ist auch, dass sich hier verschiedenste technische Systeme anbinden lassen, so dass wir für die Bundeswehr, aber auch unsere Exportkunden eine Vielzahl – eine gemischte Flotte, wenn man es so ausdrücken möchte – von Flugabwehr und Flugabwehrraketensystem eingebunden haben. Ganz alte, aber auch hochmoderne, so dass wir hier einen Führungsverbund darstellen können. Sowohl vom Bereich der Counter-UAS, also Drohnenabwehr, Nah- und Nächstbereich, mittlerer Reichweite und großer Reichweite der Flugzielbekämpfung, aber auch bis hin zur Theater Ballistic Missile Defence das System aufwachsen lassen können. Wir bieten eine Gesamtgefechts-Management-Lösung für alle Entfernungsbereiche und alle Arten von Bedrohungen aus der Luft an.

hartpunkt: In dem Zusammenhang wird die U.S. Army für ihre Patriot-Einheiten das neue Battle Management System IBCS einführen. Das geht ja auch in eine ähnliche Richtung. Wie sehen Sie in Deutschland die zukünftige Patriot-Architektur für die Luftverteidigung?

Mannheim: Zunächst einmal: Das vorgestellte SAMOC und damit verbunden auch unser Battle Management System IBMS wurde von der Bundeswehr mit deutschen Steuergeldern entwickelt, ist marktverfügbar und eingeführt. Es ist übrigens auch Bestandteil des NNbS-Systems und Bestandteil von ESSI, der European Sky Shield Initiative, wo wir sowohl die Feuerleitlösung als auch die Führungsfähigkeit, das C2-System für die bodengebundene Luftverteidigung, mit abbilden. 

Hier sehe ich natürlich mit gewisser Sorge das IBCS, das ja nach der medialen Darstellung im Wesentlichen dazu dienen soll, die Sensorik und den Effektor zu trennen. Es gibt nur noch Sensor und Effektor, dazwischen IBCS, dass das irgendwie managt. Das ist keine Führungsarchitektur, wie wir sie uns vorstellen. Wir stellen uns vor, dass wir eben nicht nur, wie es bei IBCS skizziert ist, F-35 und Patriot anbinden, sondern nach wie vor die gemischte Flotte der Bestandssysteme führen können, weiterentwickelte Bestandssysteme, aber auch neu zulaufende Systeme. 

Insofern ist natürlich in unserer Architekturvorstellung – IBMS als Führungssystem heute bei IRIS-T, bei NNBS, aber auch bei ESSI – vorgesehen, dass man sicherlich auch IBCS mit anbinden können muss. Das wäre das Thema, wo wir Bestandssysteme, andere Systeme mit an- oder einbinden können. Was aber das eine durch das andere nicht ersetzt. Insofern wäre das systemverträglich machbar.

Aber wir reden hier im Wesentlichen über Systeme, die mich an eine Vendor-Lock-Situation erinnern. Zum Beispiel wenn ich bei Patriot und der F-35 das vermeintliche Problem der Anbindung der beiden damit löse, dass ich eine Blackbox mehr einkaufe, dann spreche ich nicht mehr über europäische Souveränität, über nationale Souveränität und Architekturen und deren Weiterentwicklung, die marktverfügbar und im Einsatz erprobt sind, sondern würde etwas zusätzlich einführen, das dann auch wieder zu verbinden wäre. Und da stellt sich für mich natürlich die Sinnfrage.

hartpunkt: Aber ich habe Sie richtig verstanden, Sie könnten, wenn ein IBCS beschafft werden sollte, das auch mit einbinden in Ihre Systeme?

Mannheim: Im Prinzip ja, das haben wir in der Vergangenheit auch erfolgreich getan, wenn die entsprechenden Blackboxes auch geöffnet werden. Ansonsten können Sie es nur anbinden. Die Voraussetzung für eine Einbindung ist, dass Sie relativ genau wissen, was in der Blackbox vor sich geht. Ansonsten sind Sie auf Interface-Dokumente angewiesen und dann binden Sie an, aber nicht ein. Das wäre immer die schwächere Variante der kollaborativen Vernetzung und nicht unsere bevorzugte. Aber natürlich ist es möglich, hängt aber auch von der Kooperation ab.

Wenn ich marktverfügbare Lösungen habe, dann stellt sich immer die Frage, warum soll ich eine Blackbox zwischen zwei Systeme, in dem Fall der F-35 und Patriot schalten, wenn ich gleichzeitig eine komplett systemische Integrationslösung vorrätig habe? Und wir können die F-35 selbstverständlich mit dem GIADS adaptieren. Wir können und haben an SAMOC auch Patriot angebunden und darüber die Führungsfähigkeit durchgängig dargestellt.

hartpunkt: Vor kurzem haben Sie die Übernahme des Unternehmens Infodas angekündigt. Was sind die Hintergründe und was haben Sie mit dem Unternehmen vor?

Mannheim: Das ist eine hochspannende Frage und ein ganz spannendes Unternehmen. Der derzeitige Sachstand ist, dass wir die Absicht haben, die Firma Infodas zu übernehmen. Dies steht derzeit noch unter dem Vorbehalt der üblichen behördlichen Genehmigungen. Wir gehen davon aus, dass dies voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen sein wird. 

Die Übernahme von Infodas soll unser Verteidigungs- und Sicherheitsportfolio mit starken Fähigkeiten im Bereich der Cybersicherheit – das ist ein wesentliches Thema, was unsere Kunden bewegt – ergänzen und erheblich erweitern. Dahinter steht auch die Idee, dass wir, wenn wir die Multi Domain Combat Cloud oder auch FCAS diskutieren, immer über eine cyberresiliente, gesichert verbundene Führungs- und Aufklärungsarchitektur sprechen. Und gerade in den Bereichen Cyberresilienz, Cyberprodukte, Cybersicherheit, im Wesentlichen auch für den Verteidigungs- und Sicherheitssektor verstärken wir uns durch Infodas. 

Mit den Kolleginnen und Kollegen der Infodas und den Produkten und im Gleichklang mit unseren Kolleginnen und Kollegen, die wir auch heute schon haben, können wir uns in Deutschland sehr viel stärker aufstellen. Damit können wir unseren Kunden dann in dem Bereich besser die zukünftigen Herausforderungen in einer technischen, technologischen Lösung skizzieren, sie besser beraten und da einfach einen Sprung machen. Das ist die Ratio, warum wir diese Partnerschaft eingehen.

hartpunkt: Das geht also in Richtung Weiterentwicklung und Technologie. Was sind grundsätzlich die Schwerpunkte für Sie im Bereich Forschung und Entwicklung in nächster Zeit?

Mannheim:  Zum einen natürlich das Thema der Erweiterung der Cyber Resilienz. Zum anderen aber auch die Automatisierung und Digitalisierung im Bereich der Führungsfähigkeit für Prozessabbildung von Führungs- und Aufklärungsfähigkeiten, Informationsgewinnung und Informationsüberlegenheit. Hier auch die Einführung von Elementen der künstlichen Intelligenz, wo notwendig und sinnvoll, um bessere und konsistentere Lagebilder zu erstellen, diese schneller verfügbar zu machen und gleichzeitig Handlungsoptionen mit Empfehlungen abzuleiten. Auch die Ausbildungsdauer und Ausbildungskomplexität für die Bedienung der entsprechenden Systeme zu reduzieren ist ein Schwerpunkt. Damit sich die Anwender wesentlich auf ihre Führungsleistung und Bedienungsleistung an den Systemen konzentrieren können und weniger „Knöpfchenkunde“ betreiben müssen. Sie sollen von den Systemen aktiv unterstützt werden. Ähnlich wie wir es aus der Unterhaltungselektronik und dem Automobilbereich kennen, müssen sie sich immer mehr auf ihre Kernaufgaben und ihre Kerntätigkeit konzentrieren.

Das heißt, wir haben allerorten, auch in den Streitkräften das Thema: Wie viele Leute stehen mir zur Verfügung? Und mit je weniger Leuten Sie ein komplexes System bedienen, es in Nutzung oder in den Einsatz bringen können, als auch ein komplexes Konnektivitätssystem bedienen können, desto geringer ist Ihr Footprint in der Gefechtszone. 

Ein Schwerpunkt ist sicherlich auch die Forschungsleistung, die Entwicklungsgrundlagen und -leistungen schneller als bisher in die Nutzung zu überführen. Dass wir den Sprung von den Grundlagenerkenntnissen über die operationelle Ableitung für Systeme bis hin zur Abbildung in zertifizierten Einsatzsystemen sehr viel schneller schaffen wollen, um dort den Kunden auch sehr viel schneller die neuesten Erkenntnisse und Fähigkeiten anbieten zu können.  

hartpunkt: Für Ihre Branche ist die ILA ein wichtiges Ereignis, bei dem viele neue Produkte vorgestellt werden. Wird bei Ihnen auch etwas Neues kommen?

Mannheim: Zum einen haben wir die Multi-Domain-Combat-Cloud-Demonstration deutlich weiterentwickelt, mit der wir unsere Vision von einer nahtlosen Interoperabilität über die Dimensionsgrenzen hinweg demonstrieren wollen. Wir nutzen cloudbasierte Technologien in der Combat Cloud um die Informations-, Entscheidungs- und Wirkungsüberlegenheit zu zeigen.

Zum anderen: Wir werden auch den Verbund unserer Ground Based Air Defence Systeme vorstellen. Einmal von der operativen Führungsebene, dargestellt über das GIADS, über das SAMOC, bis zum IBMS.

Darüber hinaus haben wir als Schmankerl auch ein Modell eines unserer laufenden Projekte, das auch viel Aufmerksamkeit erregen wird. Da kann ich noch nicht mehr verraten als „seien Sie gespannt!“.

Das Interview führte Lars Hoffmann