Die Planungen für die neuen Luftverteidigungsfregatten der Klasse F127 liegen offenbar gut im Zeitplan. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Nachfrage mitteilte, befindet sich das Projekt weiterhin in den vorbereitenden Maßnahmen zur Entscheidung. „Wir rechnen mit einer Auswahlentscheidung noch im I. Quartal 2025 durch den Generalinspekteur“, so der Sprecher. Dem Vernehmen nach ist mittlerweile auch eine wichtige Entscheidung zur Combat-System-Ausstattung der F127 getroffen worden. Überdies hat thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) in Vorgriff auf die mögliche Auswahl als Bauwerft einen eigenen Design-Entwurf der neuen Schiffsklasse präsentiert.
Insgesamt hat die Marine einen Bedarf von sechs F127 als Nachfolger der Sachsen-Klasse angemeldet, wobei die aktuell gebilligten Phasendokumente lediglich fünf Schiffe vorsehen. Auch werden die neuen Fregatten deutlich mehr können als ihre Vorgänger. Es ist vorgesehen, sie zur seegestützten Ballistic Missile Defence (Seabased Lower-Layer BMD), der Abwehr hypersonischer Bedrohungen durch Cruise-Missiles und Glide-Vehicles sowie zum Naval Maritime Precision Strike – Long Range zu befähigen. Um diese Fähigkeiten möglichst schnell und mit geringem Risiko zur realisieren, soll auf bewährte Komponenten aus den USA zurückgegriffen werden.
Eine Vorentscheidung scheint es beim Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWES) gegeben zu haben. Wie an dieser Stelle bereits berichtet, planen die Beschaffer für die Zielerfassung, Bedrohungsanalyse und Feuerleitung – vorrangig gegen Luftziele – das Combat System Aegis der Vereinigten Staaten einzuführen, das international als das modernste und leistungsstärkste seiner Art gilt. Es soll zusammen mit seinem leistungsfähigen SPY-Radar in der Lage sein, über große Entfernungen aufzuklären und sogar exoatmosphärisch wirkende Abfangflugkörper wie die SM-3 zu führen. Mit einer Aegis-Beschaffung sind nach Expertenmeinung keine Entwicklungsrisiken verbunden, da das von Lockheed Martin entwickelte Aegis bereits seit Jahrzehnten in der U.S. Navy genutzt und ständig weiterentwickelt wird.
In der Diskussion ist allerdings, ob das gesamte FüWES der zukünftigen Fregatten auf Aegis basieren soll, oder ob unterhalb der BMD- und Luftverteidigungs-Ebene ein weiteres FüWES zusätzlich zum Einsatz kommen soll. Blickt man dabei auf Führungssysteme, die die Marine in Zukunft nutzen wird, kommen dafür Tacticos von Thales sowie das Combat Management System 9LV von Saab in Betracht. Tacticos dient als FüWES der sechs neuen Fregatten der Klasse F126 und 9LV wird bei der Modernisierung der Fregatten der Brandenburg-Klasse F123 eingerüstet.
Gut informierten Kreisen zufolge soll nun allerdings eine andere Lösung präferiert werden: Das als CMS 330 bezeichnete FüWES von Lockheed Martin Canada. Dem Vernehmen nach hat der Generalinspekteur als Lösungsvorschlag für ein zukünftiges Standard-FüWES das CMS 330 bereits ausgewählt. Trifft dies zu, werden damit die zukünftigen Schiffe der Marine – damit auch die noch in Planung befindliche F127 – ausgestattet. Damit würde der Wildwuchs unter den Führungssystemen, es soll mittlerweile eine zweistellige Anzahl in der Marine geben, beendet und bei Logistik und Ausbildung Synergien geschaffen. Ein Sprecher des BMVg konnte aufgrund der kurzen Vorlaufzeit, die Auswahlentscheidung nicht bestätigen.
Beobachter gehen davon aus, dass für die zukünftigen deutschen Luftverteidigungsfregatten allerdings nur eine schlanke Variante des CMS 330 erforderlich ist, da die Luft- und Seeziel-Bekämpfung vom Aegis-System abgedeckt wird. Dagegen werden Systeme wie die Eloka-Anlage in der Regel nicht in Aegis eingebunden, da es sich hier um souveräne nationale, eingestufte Technologie und Daten handelt.
Ein Vorteil des CMS 330 dürfte darin liegen, dass es nicht den ITAR-Exportkontrollregeln der USA unterliegt, eine offene System-Architektur aufweist und sich, da aus dem Hause Lockheed Martin, leicht an Aegis anbinden lässt. Wie es heißt, besitzt der kanadische Staat auch wesentliche intellektuelle Eigentumsrechte an der Software. Dies könnte Vorteile bringen, da die Regierungen in Berlin und Ottawa vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Das Verteidigungsministerium arbeitet an einer Intensivierung der Beziehungen zu Kanada. Gemeinsam mit Norwegen hat Verteidigungsminister Boris Pistorius den Kanadiern die Beteiligung am Beschaffungsprogramm für neue U-Boote der Klasse 212 CD vorgeschlagen. Während des NATO- Gipfels in Washington vereinbarten Pistorius und seine norwegischen und kanadischen Amtskollegen, Bjørn Arild Gram und Bill Blair, überdies eine trilaterale maritime Sicherheitspartnerschaft für den Nordatlantik. Das Ziel ist laut BMVg die engere Kooperation zwischen Deutschland, Norwegen und Kanada, um die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO weiter auszubauen.
Design-Entwurf von tkMS
Auch auf Industrieseite ist Bewegung bei der F 127 zu erkennen. Anfang Juli hat tkMS mit der MEKO A-400 AMD sein Konzept einer Luftverteidigungsfregatte für die Deutsche Marine vorgestellt. Dabei steht AMD für Air & Missile Defense.
Die Stärke der MEKO A-400 AMD liege im Einsatz gegen Bedrohungen aus der Luft, als Teil des Wirkverbunds für boden- und luftgestützte Luftverteidigung und das Schiff leiste überdies einen Beitrag zur territorialen Flugkörperabwehr. Darüber hinaus könne die MEKO A-400 AMD auch gegen U-Boote eingesetzt werden, schreibt tkMS auf seiner Homepage, wobei diese Aufgabe wahrscheinlich von den Bordhubschraubern übernommen wird.
tkMS sieht sich als die einzige deutsche Werft, die einen für den Bau einer derart hochkomplexen Fregatte erforderlichen Konstruktionsentwurf verfügbar hat, der in der erforderlichen zeitlichen Vorgabe realisiert werden kann. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Werft letztendlich den Bau alleine umsetzen wird oder wie bei vergangenen Projekten für die Deutsche Marine eine Arbeitsgemeinschaft mit NVL und gegebenenfalls weiteren Partnern eingehen wird.
Der Werftkonzern nennt als Kerndaten seines Fregattenentwurfs eine Länge von 160 Metern, eine Breite von 21 Metern und einen Tiefgang von 5,5 Metern. Damit kommt das Schiff auf eine Einsatzverdrängung von 10.000 Tonnen. Die Seeausdauer soll bei mehr als 30 Tagen liegen, wobei bis zu 4.000 Seemeilen zurückgelegt werden können.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut tkMS bei mehr als 31 Knoten. Weitere Details zum Antrieb werden nicht gegeben. Womöglich könnte eine Konfiguration gewählt werden, bei der im Dauerbetrieb Dieselmotoren mehrere Elektro-Generatoren antreiben, die auf die Antriebswellen wirken, und für die schnelle Fahrt Gasturbinen genutzt werden. Die Besatzung besteht laut tkMS aus 150 Männern und Frauen, weitere 75 Kojen stehen für Einschiffungskontingente zur Verfügung.
Zur Waffenausstattung schreibt das Unternehmen lediglich, dass ein Mix von modernen Raketen und Rohrwaffen möglich sei. Auf den im Internet präsentierten Grafiken der Fregatte sind auf dem Vorschiff eine 127mm-Kanone sowie in erhöhter Position dahinter ein RAM-Werfer zu erkennen. Ein zweiter RAM-Werfer befindet sich am Heck auf dem Hangar.
Zwischen dem vorderen RAM-Werfer und der Brücke sind 32 Zellen eines Vertical Launch Systems zu erkennen, bei dem es sich um den Mk41-Launcher von Lockheed Martin handeln dürfte. Vor dem Schornstein in der zweiten Schiffshälfte sind nochmal 32 Zellen eines VLS untergebracht. Direkt davor in vertiefter Position stehen acht Kanister, vermutlich für Seezielflugkörper des Typs Naval Strike Missile.
Perspektivisch soll auch der norwegisch-deutsche Flugkörper Tyrfing eingerüstet werden, der allerdings für den Verschuss aus einem VLS ausgelegt wird. Es soll darüber hinaus Überlegungen geben für die Aufgabe des Long Strike, Marschflugkörper des Typs Tomahawk einzurüsten, die ebenfalls aus dem Mk 41 gestartet werden.
Die Mk41-Launcher sind in der Strike-Version auch für die Aufnahme von Boden-Luft-Flugkörpern der Typen SM-3, SM-6, SM-2 sowie ESSM geeignet. Wobei die SM-3-Flugkörper dem Vernehmen nach nicht sofort beschafft werden sollen, die Fregatten diese bei Bedarf jedoch einsetzen könnten. Darüber hinaus arbeiten gegenwärtig zwei Konsortien im Rahmen des European Defence Fund an Konzepten für Hyperschall-Abfangflugkörper. Dieser neue Flugkörper wird perspektivisch womöglich ebenfalls zu integrieren sein.
Auf Höhe des hintern VLS auf Bordhöhe ist ein Kanonensystem zu sehen, das dem gegenwärtig genutzten 27mm-Geschütz ähnelt. Insidern zufolge spricht jedoch einiges dafür, das Mk38-Modell von MSI mit einer 30mm Kanone sowie einem 12,7 mm MG einzurüsten, da es bereits für Aegis in der Abwehr von Luftzielen qualifiziert ist. Ein MSI-Geschütz wurde auch für die modernisierten Fregatten der Klasse F123 ausgewählt. Allerdings steht die Entscheidung für die Nachfolge des Marineleichtgeschützes noch aus, was Einfluss auf die Ausstattung der F127 haben könnte. Überdies scheinen in der Grafik zwei Laser-Systeme eingerüstet zu sein.
Des Weiteren weist der Entwurf der MEKO A-400 AMD vier Radar-Panele auf, die denen des AN/SPY-6-Radars von Raytheon ähneln. Neben dem SPY 6 kommt als Radarlösung für das Schiff auch das SPY 7 von Lockheed Martin in Frage, das auf kanadischen, spanischen und japanischen Schiffen zum Einsatz kommen soll. Die Auswahl des SPY 6 würde für die Marine allerdings den Vorteil mit sich bringen, mit der U.S. Navy als weltweit größtem Nutzer von AESA-Radaren dieser Klasse kompatibel zu sein. Dort wird das SPY 6 in vier verschiedenen Konfigurationen in unterschiedlichen Schiffsklassen eingeführt.
Am Heck des tkMS-Entwurfs befindet sich ein Hubschrauberlandedeck mit Hangar, der vermutlich für zwei Hubschrauber der Klasse Sea Lion ausreicht. Das augenfälligste Merkmal des Schiffes dürfte jedoch der so genannte Dreadnought-Bug sein, der invers zu herkömmlichen Bug-Linien verläuft.
Bei dem im Internet gezeigten Design handelt es sich offenkundig um die Vorstellungen der Werft, die nicht zwangsläufig mit denen der Marine übereinstimmen müssen. Allerdings scheinen zahlreiche Design-Merkmale mit den bislang bekannt gewordenen Forderungen an die F 127 übereinzustimmen, da zahlreiche FüWES-Komponenten auf Basis des Foreign-Military-Sales-Prozesses (FMS) in den USA beschafft werden. Insider gehen davon aus, dass bereits Ende dieses Jahres die ersten 25-Mio-Vorhaben ins Parlament gebracht werden, um den FMS-Prozess zeitgerecht anzustoßen. Die Unterstützung für das Multi-Milliarden-Euro-Projekt scheint im Augenblick parteiübergreifend gegeben zu sein, werden damit doch signifikante maritime Fähigkeitslücken geschlossen.
Lars Hoffmann