Die australische Regierung unter Premierminister Anthony Albanese plant eine umfassende Umstrukturierung der nationalen Marinestreitkräfte und will dabei bis zu elf neue sogenannte General Purpose-Fregatten beschaffen, die schnellstmöglich zulaufen sollen. Dem Plan der australischen Regierung für die zukünftige Überwasser-Flotte der Royal Australian Navy zufolge soll diese mit erhöhter Letalität versehen werden, gleichzeitig sind umfangreiche Direktinvestitionen für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen nationalen Verteidigungsindustrie vorgesehen. Die Zahl der Überwasserschiffe wird sich damit in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln.
Die Regierung folgt bei ihren Planungen einer von einer unabhängigen Kommission erstellten Analyse mit dem Titel „Enhanced Lethality Surface Combatant Fleet“. Der öffentlich einsehbare Analyse-Teil wurde heute veröffentlicht enthält den Vorschlag, die veralteten Fregatten der Anzac-Klasse möglichst schnell durch neue leistungsfähigere Mehrzweckfregatten zu ersetzen.
Wie der australische Verteidigungsminister Richard Marles im Vorwort der Studie schreibt, hat die Regierung angeordnet, dass diese Schiffe mit einem etablierten internationalen Schiffbaupartner im Rahmen einer hybriden Offshore- und dann Onshore-Baustrategie beschafft werden sollen. Das heißt, die ersten Fregatten werden voraussichtlich noch im Ausland gebaut. In der unabhängigen Analyse wurden vier Plattformen identifiziert, die beim Auswahlverfahren für diese neue Mehrzweckfregatte in Frage kommen. Dabei handelt es sich um die MEKO A-200 von thyssenkrupp Marine Systems (tkMS), die Mogami 30FFM von Mitsubishi Heavy Industries, die Daegu-Klasse FFX Batch II und III, die von DSME und Hyundai Heavy Industries für Koreas Marine gebaut werden sowie um den spanischen Entwurf mit dem Namen Navantia ALFA3000.
Während die aktuell im Einsatz befindlichen 8 Fregatten der Anzac-Klasse auf dem damaligen Design der MEKO 200 basieren, lieferte Navantia die Blaupause für die drei australischen Zerstörer der Hobart-Klasse.
Neben den mindestens sieben und bis zu elf Mehrzweckfregatten sieht die Analyse überdies die Einführung von sechs großen Überwasserschiffen mit optionaler Besatzung (Large Optionally Crewed Surface Vessels, LOSV) im sogenannten „Tier 1“ vor. Diese LOSV sollen mit einem 32 Zellen umfassenden Vertical Launching System ausgestattet werden und in enger Abstimmung mit der U.S. Navy beschafft werden. Die Schiffe werden den Planungen zufolge über eine zusätzliche Multi-Domain-Strike-Kapazität verfügen sowie eine erhöhte Überlebensfähigkeit, Letalität und Seeausdauer aufweisen. Die Studienautoren schlagen einen Bau in Australien vor.
Ausgestattet werden die LOSV laut Analyse mit dem amerikanischen Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWes) Aegis Baseline 9 oder einer neueren Version, das bei den Fregatten der Hunter-Klasse von Beginn an und bei den Zerstörern der Hobart-Klasse (im Augenblick Baseline 8) nach der Modernisierung eingesetzt werden soll.
Die Studienautoren schlagen überdies vor, statt neun Hunter-Klasse-Fregatten nur sechs zu beschaffen. Damit würde sich die Zahl der „Tier 1“-Schiffe der Hunter- und Hobart-Klasse von 12 auf 9 reduzieren, später aber durch 6 LOSV ergänzt. Allerdings würden 11 Mehrzweckfregatten im „Tier 2“ dazukommen und die Gesamtzahl der Überwasser-Kampfschiffe auf 26 steigern.
Die auf die Unterwasserkriegführung zugeschnittenen Mehrzweckfregatten sollen sowohl unabhängig als auch im Verbund mit den „Tier 1“-Schiffen operieren, um die Seehandelsrouten und nördlichen Zugänge nach Australien zu sichern und Eskortierungs-Aufgaben zu übernehmen. Dazu sollen die zukünftigen Fregatten unter anderem folgende Fähigkeiten aufweisen:
- Betrieb eines Hubschraubers
- Unterwasserkriegsführung durch ein aktives/passives Schleppsonar
- Fähigkeit zur Lagerung und dem Einsatz leichter Torpedos
- Luftverteidigung durch eine begrenzte Anzahl von Systemen zur Punkt- und Selbstverteidigung
- Fähigkeit zu See- und Landzielbekämpfung
Darüber hinaus heißt es in der Analyse, dass die Fähigkeiten der Fregatten der Anzac-Klasse zur Unterwasserkriegsführung und zum Multi-Domain-Strike durch das geplante Transition Capability Assurance Program (TransCAP) verbessert werden sollten. Damit würden die Schiffe die Mindesterfordernisse für Tier-2-Missionen beibehalten, bis sie durch die neuen Mehrzweckfregatten ersetzt werden. Die Autoren schlagen überdies vor, zwei Schiffe der Anzac-Klasse kurz vor ihrer ursprünglich geplanten Außerdienststellung aus der Nutzung zu nehmen.
Wie es in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums dazu heißt, werden zwar zwei Fregatten außer Dienst gestellt, die Transition Capability Assurance Upgrades würden jedoch nicht durchgeführt. Die beschleunigte Beschaffung einer neuen Mehrzweckfregatte ermögliche ein besseres Ergebnis, heißt es zur Begründung. Trotzdem sollen die Anzac-Schiffe bessere „Maritime Strike“-Fähigkeiten erhalten. Ein aktualisierter Marine-Schiffbau- und Instandhaltungsplan wird laut Ministerium noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Neben den 26 Großkampfschiffen sieht die Analyse überdies den Bedarf von insgesamt 25 kleineren Kriegsschiffen, bestehend aus dem Bedarf der Marine an sechs Offshore Patrol Vessels (OPVs) der Arafura-Klasse und acht Patrouillenbooten der „Evolved Cape“-Klasse (ECCPBs) und 11 ECCPBs für die Australian Border Force (ABF) vor. Ursprünglich sollten 12 der von der deutschen Werft NVL designten Arufa-OPVs beschafft werden. Das Bremer Unternehmen hatte dafür eigens Fertigungskapazitäten in Australien aufgebaut.
Die australische Regierung hat sich nach eigenen Angaben dazu verpflichtet, die Mittel für den Verteidigungsbereich im Bundeshaushalt 2024 bis 25 um 11,1 Milliarden AUD über das nächste Jahrzehnt zu erhöhen, um die Finanzierung der Überwasser-Kampfflotte zu gewährleisten.
Die heimische Industrie soll bei der Bereitstellung dieser künftigen Flotte eine zentrale Rolle spielen. In den nächsten zehn Jahren werden den Planungen zufolge durch das Programm mehr als 3.700 direkte Arbeitsplätze geschaffen und die kritische Infrastruktur in der Osborne-Werft in Südaustralien und im Henderson-Schiffbaukomplex in Westaustralien bereitstellt.
Laut Verteidigungsministerium wird die Regierung demnächst einen Vertrag über den Bau der Fregatten der Hunter-Klasse abschließen, der den Baubeginn noch in diesem Jahr vorsieht, wobei die letzte Fregatte bis 2043 ausgeliefert werden soll. Unmittelbar im Anschluss an die Hunter-Klasse werde der Ersatz für die Zerstörer der Hobart-Klasse der Marine angestrebt.
Lars Hoffmann