Die Ampelkoalition stellt wichtige Weichen für ein sicherheitspolitisches „Zeitenende“

Waldemar Geiger

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Das Geschacher der letzten Wochen um notwendige Haushaltsmittel für die Ertüchtigung der deutschen Streitkräfte konnte bereits als klarer Hinweis gewertet werden, die jüngst eingebremste Wehrpflichtdebatte macht es nun deutlich: Eine von Bundeskanzler Scholz im Frühjahr 2022 ausgerufene Zeitenwende wird es mit der aktuellen Ampelregierung nicht geben. Eher das Gegenteil ist der Fall, es droht das sicherheitspolitische „Zeitenende“. Denn genauso wie in den Jahren der Großen Koalition hat auch die Ampel offensichtlich kein Interesse daran, übermäßig viel politisches Kapital in die Ertüchtigung der deutschen Verteidigungsfähigkeit zu investieren.

So ist Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits 2023 damit gescheitert, der Bundeswehr für 2024 substanziell mehr Haushaltsmittel zu beschaffen. Für 2025 droht ein ähnliches Fiasko. Obwohl sich alle drei Regierungsparteien in der Analyse einig sind, dass die Bundeswehr kaputtgespart wurde und das Sondervermögen nicht ausreichen wird, um die Bundeswehr verteidigungsfähig oder kriegstüchtig – je nachdem welche Wortwahl man bevorzugt – zu machen. Gleichwohl ist die Regierung nicht bereit, die für die schnellere Ertüchtigung der Truppe notwendigen Zusatzgelder freizumachen, obwohl man in dem aktuellen Gebaren Russlands den Frieden in Europa gefährdet sieht. Die parteipolitischen Projekte haben am Ende immer Vorrang.

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Nun scheint auch klar: Die von Pistorius angeregte Wiederbelebung einer Wehrpflicht – in welcher Ausprägung auch immer – wird es ebenfalls nicht geben. Auch hier ist sich die Fachwelt, nicht nur mit dem Blick auf den Ukrainekrieg oder Gaza, einig, dass eine echte durchhaltefähige Verteidigung nur mittels mobilisierter Kräfte durchhaltefähig organisiert werden kann. Grundvoraussetzung dafür bildet eine Wehrpflicht, da nur dieses Modell die für eine zügige Mobilisierung zwingend notwendigen militärischen Grundkenntnisse einem ausreichend großen Teil der Bevölkerung vermitteln kann.

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Dennoch erlaubt die aktuelle politische Konstellation nicht einmal eine ehrliche und unvoreingenommene Debatte über das Thema. Zu sehr verbunkert sind die Positionen in den politischen Schützengräben der Ampelkoalition. Ergo bekommt die unter Personalproblemen leidende Bundeswehr aller Voraussicht nach weder zusätzliches Geld noch eine Wehrpflicht, um die Lücken in den eigenen Reihen zu schließen. Am Ende wird der aufstrebende Politstar Pistorius von der eigenen Koalition, dem Großteil seiner Partei und auch dem Kanzler im Stich gelassen.

Die nun gefundene Lösung für das Personalproblem der Bundeswehr ist wieder einmal die Verbesserung des freiwilligen Wehrdienstes. Es bleibt also alles beim Alten, das politische Berlin setzt auf eine bessere Verwaltung des Mangels. Sowohl Bundestag als auch Regierung – Stichwort Auslandseinsätze und Litauenstationierung – sind schnell dabei, wenn es heißt, der Truppe neue Aufträge ins Lastenheft zu schreiben, bezahlen soll dies aber die Truppe gefälligst selbst.

Wenn in wenigen Jahren die nächste Krise an die Oberfläche tritt oder der nächste Krieg ausbricht, können sich die dann in Verantwortung befindlichen Bundespolitiker wieder ahnungslos und ohnmächtig geben und mit den Finger auf ihre Vorgänger zeigen, die die Bundeswehr in die Lage gebracht haben, in der sie heute steckt und offenbar noch eine Weile verbleiben wird. Dies natürlich nur, wenn sich die nächste Krise Zeit bis nach der Bundestagswahl lässt.

Waldemar Geiger