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Iris-T SLM soll in VLS für Marineschiffe integriert werden

Lars Hoffmann

Der deutsche Luftverteidigungsspezialist Diehl Defence sieht zusätzliches Potenzial für seine Boden-Luft-Flugkörper bei Anwendungen im maritimen Umfeld. Wie ein Sprecher des Unternehmens hartpunkt bestätigte, soll die gegenwärtig mit großem Erfolg in der Ukraine eingesetzte Boden-Luft-Rakete Iris-T SLM nun in ein Vertical Launching System (VLS) integriert werden. Die noch in Entwicklung befindliche Iris-T SLX mit erhöhter Reichweite sowie der auf der Iris-T basierende zukünftige Hyperschallabwehrflugkörper werden von Beginn an für den Einsatz von Schiffen und dem Verschuss aus einem VLS ausgelegt, wie bereits berichtet. Lediglich die Iris-T SLS für die kurze Reichweite wird nicht weiter für ein solches Szenario betrachtet.

Aufgrund der Leistungsdaten der Iris-T SLM SLM – das SLM steht für Surface Launched Medium Range – , die der Hersteller mit etwa 40 km Reichweite und einer Höhenabdeckung bis 20 km angibt, würde sich die Waffe als Bewaffnung von Marineschiffen anbieten, die über keine Flugkörper zur Luftverteidigung in der Größenordnung einer Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) verfügen. Denkbar ist allerdings auch, dass die Iris-T ergänzend zur ESSM mitgeführt wird. Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein eines VLS.

Die Graphik zeigt einige Waffentypen, die von den Strike- bzw. Tactical-Zellen des Mk 41 VLS aufgenommen werden können. (Bild: Lockheed Martin)

Integration in Vertical Launching System

Im Augenblick arbeitet Diehl dem Vernehmen nach an einer Integration der Iris-T SLM in das Senkrechtstartsystem Mk 41 von Lockheed Martin. Der Starter dürfte das weltweit am meisten genutzte System seiner Art sein. So verwendet auch die Deutsche Marine den Mk 41. Vor allem in Europa ist darüber hinaus das VLS Sylver im Einsatz, das insbesondere bei der französischen und der italienischen Marine in Einsatz.

Wie es aus Kreisen von Diehl heißt, haben die Regierungen bereits grünes Licht für Nutzung des Mk 41 gegeben. Jetzt laufen die Gespräche zwischen beiden Unternehmen auf Fachebene. Nach Angaben von Lockheed Martin ist das VLS grundsätzlich offen für die Integration von Nicht-US-Flugkörpern wie der französisch-italienischen Aster oder der israelischen Barak. Das VLS gibt es in verschiedenen Ausführungen. So ist für große Flugkörper wie den Marschflugkörper Tomahawk oder eine SM-3 die Strike-Variante erforderlich, während für die Iris-T SLM das sogenannte Tactical Module ausreichen dürfte.

Lockheed Martin will PAC-3 MSE navalisieren

Lockheed selbst verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Diehl und hat bereits Simulations-Tests mit seinem Luftverteidigungsflugkörper PAC-3 MSE im Mk41-Starter unternommen, den es selbst herstellt. Dazu wurden nach Angaben des Unternehmens Modifikationen an der PAC-3 MSE vorgenommen, um die Kompatibilität mit dem VLS und dem Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWes) Aegis zu erreichen. Im Juni vergangenen Jahres habe Lockheed Martin die Fähigkeit des Flugkörpers zur Kommunikation mit dem Aegis-Führungssystem sowie eines Datalinks mit dem SPY-1-Radar validiert. Dazu sei der Dual-Band-Datalink der PAC-3 MSE zu einem Tri-Band-Datalink erweitert worden, um im S-Band zu kommunizieren. Das Aegis-System und das SPY-1-Radar der U.S. Navy sind für die Nutzung des S-Bandes ausgelegt.

Ein Start von einem Schiff steht in den kommenden Monaten noch bevor. Bisher wird der PAC-3 nur beim Luftverteidigungssystem Patriot eingesetzt. Dabei wird die Lenkwaffe von der vom Patriot-Hersteller Raytheon gelieferten C2-Software geführt, die in Zukunft in den USA von ICBS des Rüstungskonzerns Northrop Grumman ersetzt wird. Bei dem bevorstehenden „heißen“ Start von einem Schiff wird die Rakete dagegen von Aegis gesteuert, das ebenfalls von Lockheed Martin entwickelt wurde. Aegis ist dem Vernehmen nach auch für die zukünftigen Fregatten F127 der Deutschen Marine gesetzt.

Der Start eines PAC-3 MSE von einem Schiff steht in den kommenden Monaten noch bevor. (Bild: Lockheed Martin)

Der PAC-3 wird auch von den Patriot-Einheiten der Bundeswehr verwendet und war als Hauptwaffe für das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) vorgesehen, bei dem der Iris-T SLM die Rolle als Sekundärwaffe zukam. Mit dem Einsatz von einem Schiff würde Lockheed Martin nach eigenen Angaben ein zusätzliches Anwendungsfeld für den PAC-3 MSE eröffnen, der für die Abwehr ballistischer Raketen mit eine sogenannten Hit-to-Kill-Gefechtskopf optimiert ist. Nach den Vorstellungen des Rüstungskonzerns könnte die U.S. Navy bei Nutzung des PAC-3 Schlüsselfähigkeiten abdecken und Kapazitätslücken schließen.

Für die nutzende Marine würde sich damit die Magazintiefe erhöhen, falls der Bestand an speziell für den Einsatz von See konzipierten Flugkörpern, die etwa für die Raketenabwehr vorgesehen sind, aufgrund eines Konfliktes schnell abnehmen sollte und die Produktion dieser Waffen nicht kurzfristig hochgefahren werden kann.

Lockheed Martin ist nach eigenen Angaben gerade dabei, die PAC-3-Produktion zu erweitern. Gegenwärtig könnten auf der Produktionslinie 550 PAC-3 MSE pro Jahr hergestellt werden, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung. Diese Zahl solle auf 650 erhöht werden.

Ein weiteres Beispiel für die Navalisierung von Boden-Luft-Flugkörpern – diesmal jedoch für die kurze Reichweite – stellt das israelische System Iron Dome dar. Dieses ist in den vergangenen Jahren vom Hersteller Rafael für die Verwendung auf See modifiziert und als C-Dome in den modernsten israelischen Korvetten der Sa’ar-6-Klasse in einem eigenen VLS integriert worden. Die Schiffe verfügen über 40 Zellen des C-Dome-VLS. Einem Schiff dieser Klasse gelang vor wenigen Tagen am 8. April im Roten Meer erstmals der Abschuss einer auf die Hafenstadt Eilat zufliegenden Drohne, wie die israelischen Streitkräfte mitteilten.

Nach Angaben der israelischen Marine wurde das Luftverteidigungssystem C-Dome am 8. April 2024 erstmalig erfolgreich in einem Kampfeinsatz eingesetzt, um ein verdächtiges „feindliches Ziel“ im Roten Meer abzufangen. (Bild: Israeli Ministry of Defence)

Diehl geht offenbar davon aus, dass sich eine Iris-T in das VLS Mk41 integrieren lässt. Die Aufwendungen dafür dürften in erster Linie in den einmaligen Kosten für die Nachweisführung und Qualifikation liegen. Schließlich muss die Iris-T auch gefahrlos bei einer Mischbeladung des Startsystems mit anderen Flugkörpern – laut dem VLS-Hersteller Lockheed Martin ist eine breite Palette vom ESSM, über SM-6 bis zum ASROC integriert – starten können. Dazu sind umfangreiche Untersuchungen erforderlich.

Erforderlich für die Nutzung einer Iris-T SLM auf See ist jedoch auch die Integration in ein Führungs- und Waffeneinsatzsystem. Der Lenkflugkörper wird bis ins Zielgebiet vom Radar gelenkt, im „Endgame“ übernimmt dann die Iris-T selbst die Zielauffassung mit ihrem passiven Infrarotsuchkopf. Letzterer wird bei Flugkörpern für den Einsatz vom Schiff eher selten verwendet, da Nebel und Wolken die Leistungsfähigkeit einschränken können – so jedenfalls die Theorie. Aufgrund des Kriegseinsatzes der Iris-T SLM seit mehr als einem Jahr in der Ukraine unter allen denkbaren Witterungsbedingungen gehen Diehl-Experten jedoch davon aus, dass dieser Effekt nicht auftritt.

Auch sieht das Unternehmen offenbar keine Probleme für den Start von einem wegen starken Seegangs schlingernden Schiffes. Schließlich ist die Iris-T SLM von einem Luft-Luft-Flugkörper abgeleitet, der auch unter hohen physikalischen Belastungen gestartet werden muss.

Vorteile bei der Logistik

Eine Nutzung der Iris-T SLM für die Marine brächte eine Reihe von logistischen, und Ausbildungs-Vorteilen für die Bundeswehr mit sich, da die Waffe auch von der Luftwaffe eingesetzt werden soll. Darüber hinaus handelt es sich um ein ITAR-freies Produkt, bei dessen Weiterentwicklung nationale Interessen und nationale Souveränität im Vordergrund stehen könnten. Aufgrund des höheren Gesamtbedarfs bei einer Schiffsanwendung könnten sich aufgrund der ausgeweiteten Produktion überdies Economies of Scale und damit Kostenersparnisse ergeben.

Wirkreichweiten der Iris-T- sowie HYDEF-Lenkflugkörperfamilie. (Bild: Diehl Defence)

Wichtig ist – gerade vor dem Hintergrund des hohen Verbrauchs von Lenkflugkörpern zur Abwehr der Huthi-Angriffe im Roten Meer – die größere Magazintiefe für die deutschen Streitkräfte. So könnte es Presseberichten zufolge womöglich zu Engpässen bei der Nachbeschaffung der SM-2-Flugkörper für die Fregatten der Sachsen-Klasse kommen. Unter anderem, weil diese auf die Besonderheiten des deutschen Feuerleitradars zugeschnitten werden müssen.

Um ausreichend Munition für die Einheiten auf See vorzuhalten, kann sich Diehl noch ein anderes Konzept vorstellen: Der Einsatz von Iris-T SLM auf idealerweise unbemannten Begleitschiffen, die Hochwert-Einheiten wie den Luftverteidigungsfregatten der Klasse 124 beigeordnet sind und eine hohe Zahl von Flugkörpern tragen. Eingewiesen und geleitet werden die Flugkörper dann durch die Sensorik der Fregatten.  

Ein solches Projekt verfolgt bereits die niederländische Marine, die zwei kleine Schiffe mit wenig Besatzung beschaffen will. Diese sollen über eine größere Zahl von containerisierten Luftverteidigungsflugkörpern verfügen und die Kampfschiffe der niederländischen Marine in wenigen Kilometern Abstand begleiten. Mit Hilfe dieser Magazinschiffe sollen im Ernstfall auch Salven anfliegender Flugkörper abgewehrt werden, so jedenfalls die Vorstellung der Niederländer. Welche Flugkörper auf den Schiffen eingerüstet werden sollen, ist offenbar noch nicht entschieden.

Lars Hoffmann

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