Der deutsche Luftverteidigungsspezialist Diehl Defence will seine Boden-Luft-Rakete Iris-T SLM nicht nur in das in westlichen Marinen weit verbreitete Senkrechtstartsystem Mk41 von Lockheed Martin integrieren. Der Überlinger Rüstungskonzern arbeitet auch darauf hin, den Lenkflugkörper für die mittlere Reichweite auf die Fregatten der „Baden-Württemberg“-Klasse zu bringen.
In der Deutschen Marine gelten diese Fregatten des Typs F125 als schwach bewaffnet und würden sich deshalb für die Einrüstung anbieten. So besitzen die Schiffe als Hauptwaffensysteme für die Luftverteidigung lediglich Marineleichtgeschütze im Kaliber 27 mm und das RAM-System kurzer Reichweite sowie die eingeschränkt gegen Luftziele einsetzbare 127mm-Kanone. Flugkörper zur Luftverteidigung in der Größenordnung einer Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) – wie auf anderen Fregatten dieser Größenklasse üblich – sind dagegen nicht vorhanden.
Vor diesem Hintergrund könnte sich Diehl vorstellen, die Iris-T SLM auf einer F125 einzurüsten. Nach Angaben des Unternehmens handelt es sich um einen Flugkörper, der eine kleine innere Totzone aufweist, und damit in den Reichweiten mit den bestehenden Waffensystemen überlappt, bei einem ähnlichen Leistungsspektrum, wie es die ESSM aufweise. Der Hersteller gibt die Leistungsdaten der Iris-T SLM mit etwa 40 km Reichweite und einer Höhenabdeckung bis 20 km an.
Der vorhandene Bauraum vor dem RAM-Werfer auf dem Vorschiff, der für die Unterbringung zusätzlicher Wirkmittel vorgesehen war, wird mittlerweile als Sportraum genutzt. Der Einbau eines Vertical Launch System, was mehrere Decksdurchbrüche erfordert, gilt als schiffbaulich schwierig. Für die F125 müsste daher eine andere Lösung gefunden werden.
Zum Transport und Verschuss der Iris-T SLM könnte das Startgerät genutzt werden, welches auch bei der Landanwendung auf einem Lkw montiert ist. Dieses wird während der Fahrt in eine horizontale Position gebracht und für den Startprozess hydraulisch in die vertikale Position aufgerichtet. Ein solches Vorgehen könnte sich Diehl offenbar auch für die F125 vorstellen: Während der Transferfahrten ohne Bedrohung bleibt der Launcher in horizontaler Lage und wird nur für die „Kriegsmarschfahrt“ aufgeklappt, um jederzeit einsatzbereit zu sein.
Positioniert werden könnten bis zu zwei Startgeräte mit jeweils acht Raketenkanistern auf dem Oberdeck des Schiffes, dort wo gegenwärtig Container abgestellt sind. Nach Einschätzung von Diehl würde der Start einer Rakete mit einer nur kurzzeitig hohen Hitzeentwicklung keine große Belastung für das Deck darstellen. Lediglich für den Fall eines sogenannten Hangfire, d.h. die Rakete brennt ab, startet aber nicht, würde eine Schutzplatte benötigt, um die Struktur zu schützen. Eine solche wird offenbar auch bereits für die Harpoon-Seezielflugkörper der Schiffe genutzt.
Bei der F125 könnte sich für die Integration überdies als vorteilhaft erweisen, dass das Schiff das Radar TRS-4D von Hensoldt nutzt. Dieses wird in der Landvariante als TRML-4D bezeichnet und fungiert als Hauptsensor für das Luftverteidigungssystem Iris-T SLM, das bereits in der Ukraine im Einsatz ist und in Kürze in die Bundeswehr eingeführt werden soll. Aus diesem Grund kennen sich die Experten von Diehl gut mit den Leistungsparametern des Sensors und dem Zusammenspiel mit dem Flugkörper aus.
Dass die im Gegensatz zum rotierenden TRML-4D auf dem Schiff fest verbauten Radarplatten kleiner sind als beim Landradar und damit weniger Leistung aufweisen, dürfte dadurch ausgeglichen werden, dass Flugkörper und Sensor bei der maritimen Anwendung direkt nebeneinander positioniert sind, während an Land bis zu 20 km Abstand zwischen Radar und Sensor bestehen. Dadurch wird die Genauigkeit der gewonnenen Daten verbessert. Ebenso fällt auf dem Schiff aufgrund des Fixed-Panel-Radars die Zeitverzögerung durch die Rotation weg, was ebenfalls der Präzision zugutekommt.
In das Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWes), das von Atlas Elektronik geliefert wird, würde nur eine Integration mit geringer Tiefe erfolgen, wie es aus Kreisen von Diehl heißt. Eine tiefe Integration sei nicht erforderlich. Der Lenkflugkörper wird bis ins Zielgebiet vom Radar gelenkt, im „Endgame“ übernimmt dann die Iris-T selbst die Zielauffassung mit ihrem passiven Infrarotsuchkopf. Letzterer wird bei Flugkörpern für den Einsatz vom Schiff eher selten verwendet, da Nebel und Wolken die Leistungsfähigkeit einschränken können – so jedenfalls die Theorie. Die Experten von Diehl gehen aufgrund der umfassenden Erfahrungen mit dem Flugkörper beim Kriegseinsatz in der Ukraine unter allen denkbaren Witterungsbedingungen jedoch davon aus, dass dieser Effekt nicht auftritt.
Auch sieht das Unternehmen keine Probleme für den Start von einem wegen starken Seegangs schlingernden Schiffes. Schließlich sei die Iris-T SLM von einem Luft-Luft-Flugkörper abgeleitet, der auch unter hohen physikalischen Belastungen gestartet werden muss. Voraussetzung für den Einsatz auf einem Schiff ist jedoch, dass Launcher, Startbehälter und Flugkörper den rauen Bedingungen auf See mit der korrosiven Wirkung des Salzwassers gewachsen sind. Hier laufen den Angaben von Diehl zufolge gegenwärtig die Untersuchungen.
Das Unternehmen könnte nach eigenen Angaben bei Bedarf sofort mit Integrationsversuchen auf der Fregatte beginnen, schließlich laufe die Fertigung von Startgeräten und Flugkörpern bereits auf Hochtouren. Die notwenige Hardware steht also zur Verfügung.
Lars Hoffmann