Eigentlich sollte die Entscheidung, mit welcher Technologie die ersten 15 für den Elektronischen Kampf (EK) in Zukunft vorgesehenen Eurofighter der Luftwaffe ausgerüstet werden, bereits gefallen sein. Kommuniziert wurde dies bislang jedoch noch nicht. Wie es jetzt aus gut informierten Kreisen heißt, ist in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages Mitte Juni mit einer entsprechenden Information zu rechnen. Die Maschinen sollen die betagten ECR-Tornados ablösen – ECR steht für Electronic Combat and Reconnaissance. Die ECR-Tornados sind dafür vorgesehen, gegnerische Luftverteidigungsstellungen aufzuklären und zu bekämpfen.
Gerüchten zufolge, soll das schwedische Unternehmen Saab bislang die besten Chancen auf einen Zuschlag haben. Die Schweden waren zusammen mit Helsing, einem Start-Up für Künstliche Intelligenz, angetreten. Weitere Anbieter, die im Rahmen einer Marktsichtung zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wurden, waren unter anderem Hensoldt zusammen mit Rafael aus Israel sowie die ESG mit der Elbit-Tochter Elisra.
Erstaunlich ist die Verzögerung, da es in einer Antwort von Staatssekretär Thomas Hitschler auf eine Kleine Anfrage im April bereits hieß, dass sowohl die Studien zur Prüfung marktverfügbarer Lösungen als auch die Untersuchungen zur Integrierbarkeit der potenziellen Marktlösungen in das Flugzeug bereits im Februar dieses Jahres abgeschlossen worden seien. Das könnte darauf hindeuten, dass sich Marktplayer wegen der erwarteten Entscheidung direkt an das Ministerium gewandt haben, um zu intervenieren. Den Kreisen zufolge soll mittlerweile auch das Kanzleramt in den Vorgang eingebunden worden und intensive Gespräche mit der Industrie geführt worden sein.
Eine Besonderheit dürfte der Beschaffungsprozess darstellen, da zunächst nur eine Marktsichtung erfolgt ist, auf deren Basis eine Auswahlentscheidung getroffen wurde oder noch getroffen werden soll.
Das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw hat die Nutzung des elektromagnetischen Spektrums für die Bundeswehr zusammen mit der Industrie in den vergangenen Jahren bereits umfassend untersucht und dazu ein Programm mit der Bezeichnung „Luftgestützte Wirkung im Elektromagnetischen Spektrum (LuWES)“ umgesetzt. Im Rahmen des Programmes wurden eine Reihe von Studien durchgeführt. Von Industrieseite waren daran die acht Unternehmen Airbus Defence and Space, Hensoldt, IBM Deutschland, Rohde & Schwarz, MBDA Deutschland, Plath, Schönhofer Sales and Engineering sowie bKEC beteiligt.
LuWES besteht aus den drei Teilen Stand-Off Jammer/Communications Jammer, Escort Jammer und Stand-In Jammer. Außerdem wurden eine Bodenstation, ein Kompetenzzentrum für den elektronischen Kampf sowie ein Missionssimulator in die Überlegungen einbezogen.
Während der Eurofighter zukünftig auch als Escort Jammer fungieren und eigene Luftfahrzeuge in das Wirkungsgebiet der gegnerischen Luftverteidigung begleiten soll, wirkt der Stand-Off Jammer beziehungsweise Communications Jammer außerhalb der Reichweite gegnerischer Waffensysteme. Er soll die eigenen Luftoperationen durch Stören der gegnerischen Erfassung, Identifizierung und Zielverfolgung unterstützen. Eine wichtige Aufgabe, gerade wegen der zunehmenden Vernetzung der Luftverteidigung, wie sie beispielsweise Russland vorführt. Wichtig für einen Stand-Off Jammer sind unter anderem eine hohe Ausdauer in der Luft, große Nutzlast sowie die Fähigkeit zum Generieren einer hohen elektrischen Leistung für die Antennen.
Dem Vernehmen nach gilt der Airbus A400M als ideale Trägerplattform des Stand-Off Jammers. So könnten im Flug zwei der vier Motoren zur Stromerzeugung genutzt werden, um leistungsfähige Anlagen zu versorgen. Überdies beschafft die Bundeswehr bekanntlich die zunächst für den Verkauf vorgesehenen 13 A400M, womit die Zahl der Maschinen auf 53 steigt. Zunächst hatte das BMVg versucht, eine internationale Lufttransportstaffel mit diesen Maschinen aufzubauen, was aber nicht auf Interesse gestoßen war. Wie es heißt, hat das BMVg der NATO auch bereits die Fähigkeit des Stand-Off Jammens zugesagt. Demnach sollen offenbar ab 2028 insgesamt zehn dazu befähigte Maschinen bereitgestellt werden. Neben dem A400M wären auch noch andere Plattformen denkbar, etwa Business-Jets, wie sie die Firma Bombardier herstellt, die bereits von der Bundeswehr genutzt werden.
lah/30.5.2023