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Elektronischer Kampf: Zahl der ECR-Eurofighter soll verdoppelt werden

Nach dem Abbruch der Beschaffung des Kampfflugzeugs F-18 sowie des EA-18 Growler hat die Bundesregierung die Ausrüstung von 15 Eurofightern für den elektronischen Kampf angekündigt.Damit sollen diese Flugzeuge eine Funktion übernehmen, die bisher von ECR-Tornados abgebildet wird und die als Hochwert-Ressource innerhalb der NATO gilt – ECR steht dabei für Electronic Combat and Reconnaissance. Gegenwärtig können die ECR-Tornados allerdings nur gegnerische Luftverteidigungsstellungen aufklären und bekämpfen. Dies wird im NATO-Jargon als Suppression of Enemy Air Defence (SEAD) bezeichnet. Für den  Ausbau der Fähigkeit zum elektronischen Kampf, bei dem etwa die Growler-Maschinen einen leistungsfähigen Jammer nutzen, sind die Tornados jedoch nicht ausgelegt.  Um diese Fähigkeit abzubilden, sehen die Planungen mittlerweile die Beschaffung zusätzlicher 15 Eurofighter vor. In Summe würde die Luftwaffe damit perspektivisch über 30 Maschinen für unterschiedliche ECR-/Elektronischer Kampf – Aufgaben verfügen.

Nach Angaben des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw wird von der Gruppe L6 gegenwärtig die Anfangsbefähigung des Eurofighters für den elektronischen Kampf untersucht. Bis Anfang 2023 sollen die grundlegenden konzeptionellen Überlegungen verfeinert und – in Abstimmung mit den Partnernationen – mit den Planungen für die Weiterentwicklung des Eurofighters harmonisiert werden. Nach einer Marktsichtung sollen die technischen Möglichkeiten zur Integration und Zulassung – inklusive einer Risikobewertung – in den Eurofighter detaillierter untersucht werden, wie das BAAINBw in der aktuellen Ausgabe des Magazins Europäische Sicherheit & Technik schreibt.

Dem Vernehmen nach hat die Beratungsfirma IABG das Mandat erhalten, die internationale Marktsichtung durchzuführen, die offenbar noch im Dezember abgeschlossen werden soll. Wie es heißt, wurde darüber hinaus Airbus Defence and Space als Hersteller des Eurofighters damit beauftragt, parallel die Integrations- und Zulassungsfähigkeit von möglichen Lösungen zu betrachten. So müssen beispielsweise externe Pods hinsichtlich ihres Gewichts, den beim Flug auftretenden Kräften sowie den elektrischen und datentechnischen Schnittstellen zum Eurofighter untersucht werden. Denn letztendlich müssen die Komponenten auch zulassungsfähig sein.

2029 muss NATO-Zertifizierung erfolgen

Laut BAAINBw ist es das Ziel, eine möglichst Rüstsatz-/Pod-basierte Lösung einzuführen, die zeitnah mit dem Eurofighter genutzt werden kann und aus Sensor- und Effektoranteilen besteht. Konkret dürfte dies heißen, dass Maschinen mit der neuen Fähigkeit 2028 zur Verfügung stehen müssen, damit 2029 die NATO-Zertifizierung erfolgen kann. Denn ab 2030 sollen die ECR-Tornados außer Dienst gestellt werden.  Dabei steht der Haupteffektor bereits fest. Es handelt sich um den Nachfolger des Anti-Radar-Flugkörpers HARM, der die Bezeichnung AARGM trägt. Mit dieser Waffe werden zunächst die ECR-Tornados ausgerüstet. Nach Ausphasen der Maschinen soll die AARGM für die neuen ECR-Eurofighter genutzt werden.  Für seine SEAD-Rolle benötigt der Eurofighter des Weiteren ein sogenanntes Emitter Locator System (ELS), um gegnerische Radare aufzuspüren und zu vermessen und potenzielle Zielkoordinaten für die AARGM zu ermitteln.

Dem deutschen Beschaffungsamt zufolge soll das Projekt auf die internationale Agentur NETMA (NATO EF 2000 and Tornado Development, Production & Logistics Management Agency) abgestützt werden, in enger Abstimmung zwischen Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien. Denn womöglich müssen mit der ECR-Befähigung einhergehende Software-Anpassungen im nächsten Update eingepflegt werden. Dazu ist eine Einbindung der Partner-Nationen erforderlich. Wie es aus Fachkreisen heißt, könnte bereits im ersten Quartal eine Auswahlentscheidung der Bundeswehr hinsichtlich der weiter zu verfolgenden Lösungsansätze anstehen.

15  weitere Kampfflugzeuge sollen kommen

In einem zweiten Schritt solle die Fähigkeit zum elektronischen Kampf beim Eurofighter weiter ausgebaut und optimiert werden, schreibt das BAAINBw.  Die Bundeswehr plane hierzu die Beschaffung von 15 zusätzlichen Kampfflugzeugen mit auf diese Fähigkeit zugeschnittenem Leistungsprofil. Insider vermuten, dass es sich dabei um Maschinen der bislang noch nicht bestellten Tranche 5 handeln wird, die mit neuen Fähigkeiten kommen sollen. Diese werden im Rahmen der sogenannten Long-Term Evolution (LTE) entwickelt. Dagegen dürften die ersten 15 ECR/SEAD-Eurofighter vermutlich aus der gegenwärtig beauftragten 4. Tranche im Rahmen des Quadriga-Projektes kommen. Bei der Befähigung des Flugzeugs zum elektronischen Kampf mit einem Jammer geht es unter anderem darum, Interferenzen mit der eigenen Avionik und weiteren Sensoren und Baugruppen zu vermeiden, wenn im Einsatz große elektrische Feldstärken erzeugt werden. Ob ein mittig am Flugzeugrumpf angebrachter großer Jammer-Pod oder zwei kleinere unter den Flügeln eingesetzt werden sollen, muss dagegen noch untersucht werden.

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, könnten bei der gegenwärtigen Marktsichtung am Ende womöglich bis zu 20 verschiedene Produktlösungen von mehreren Anbietern als realistische Optionen betrachtet werden. Umso spannender wird es sein, welches Angebot sich am Ende durchsetzt. Mit Blick auf das Projekt haben sich bereits die Unternehmen Hensoldt in Kooperation mit Rafael aus Israel sowie Saab in Partnerschaft mit Helsing öffentlich positioniert. Auch Elettronica aus Italien hat Interesse an einer Beteiligung signalisiert. Die Zahl der Interessenten dürfte jedoch noch deutlich größer sein. Schließlich ist für das Projekt eine Milliardensumme eingeplant.
lah/2.12.2022