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Mitte Juni soll die 25-Mio-Vorlage in den Bundestag

Mit der vor kurzem erfolgten Zuleitung einer so genannten 25-Mio-Vorlage an den Haushaltsausschuss des Bundestags könnte der seit Jahren laufende Beschaffungsprozess einer bewaffnungsfähigen Drohne für die Bundeswehr am 13. Juni zum parlamentarischen Abschluss kommen. Die Bundeswehr plant das Leasing der israelischen Heron TP – einem so genannten Unmanned Aircraft System (UAS) oder auch Drohne –  des Herstellers IAI. Wird die Vorlage für dieses MALE-UAS  – MALE steht für Medium Altitude Long Endurance – gebilligt, steht dem finalen Vertragsschluss zwischen dem Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw und Airbus DS Airborne Solutions GmbH (ADAS) als Hauptauftragnehmer nichts mehr im Weg. Die Bindefrist des Angebotes der Airbus-Tochter wurde vorsorglich bis zum 15. Juni verlängert, wie aus einer Information an das Parlament hervorgeht.

Medienberichten zufolge liegen die Kosten für das Leasing von fünf Maschinen in einem Zeitraum von neun Jahren – davon zwei bis zur Auslieferung –  bei 718 Mio EUR. Dazu kommen noch einmal rund 180 Mio EUR für die Ausbildung, Wartung und Infrastruktur in Israel, wo die Maschinen auch stationiert werden. Sollten die Drohnen in den Einsatz gehen, sind noch einmal 100 Mio EUR fällig. Ein zusätzlicher Einsatz würde mit über 200 Mio EUR zu Buche schlagen.

Heron TP nur Übergangslösung

Genutzt  werden soll die Heron TP als Übergangslösung bis der Bundeswehr frühestens Mitte des kommenden Jahrzehnts eine von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien entwickelte Euro-Drohne zur Verfügung steht. Nachdem die Bundeswehr bereits seit Jahren Erfahrungen mit der ebenfalls von Airbus und IAI bereitgestellten Aufklärungsdrohne Heron 1 sammeln konnte, wird der Bedarf für ein bewaffnungsfähiges UAS aus einer Fähigkeitslücke der Bundeswehr abgeleitet. So fordern die deutschen Streitkräfte in einem CPM-Dokument Fähigkeitslücke und funktionale Forderung (FFF) eine Drohne für die „effektive und verzugslose“ Bekämpfung gegnerischer Ziele. Dafür sei eine leistungsfähige Sensorik, eine stabile Datenverbindung und ein hochentwickelter Suchkopf mit Diskriminierungsmöglichkeit erforderlich, heißt es in dem Papier.  Zudem wird die Bekämpfung beweglicher Ziele gefordert.

Beobachter gehen davon aus, dass die Vorlage im Juni vom Verteidigungs- und Haushaltsausschuss gebilligt wird, zumal nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung die SPD in einem Brief an die Fraktion Werbung für die Beschaffung gemacht hat. Allerdings musste der Entschluss bereits einmal vertagt werden, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen konnten. Und einige Parlamentarier sehen die Kosten durchaus kritisch.

General Atomics sieht neue Rahmenbedingungen

Denn  General Atomics Aeronautics Systems (GA-ASI) gibt als Mitbewerber um den Auftrag an, vergleichbare Leistungen wie ADAS/IAI für etwa die Hälfte der auf über 1 Mrd EUR veranschlagten Kosten mit einer Weiterentwicklung der Predator-Drohne, dem leistungsgesteigerten MQ-9B SkyGuardian, zu erbringen. Da die Details des angestrebten Vertrages mit ADAS allerdings nicht öffentlich sind, lassen sich die Angebote schwerlich vergleichen.

GA-ASI hat sich in den vergangenen Jahren durch alle Instanzen geklagt, um ein wettbewerbliches Vergabeverfahren zu erzwingen, an dem es teilnehmen möchte – bislang jedoch vergeblich. Das BMVg hält an der Direktbeschaffung ohne Wettbewerb fest.

Nach Einschätzung von General Atomics haben sich die Rahmenbedingungen für die Vergabe jedoch deutlich verändert, da das geforderte Leistungsspektrum in den vergangenen Monaten neu formuliert wurde: In der aktuellen Vorlage  wird die Beschaffung auf das reine Luftfahrzeug ohne Bewaffnung und Ausbildung für den Waffeneinsatz reduziert. Dazu findet sich sogar ein eigener Absatz im Koalitionspapier der Bundesregierung: „Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten.“

Bewaffung wichtiger Faktor

Gerade die Bewaffnung  war jedoch in der Argumentation des BMVg ein wesentlicher Baustein, mit dem die Direktbeschaffung der Drohne begründet wurde.  Denn nach Angaben des Ministeriums ist nur die von IAI gelieferte Bewaffnung zur Skalierung ihrer Wirkung in der Lage, wie es in einer Urteilsbegründung des OLG Düsseldorf heißt. Damit  könne auch ein Gegner im urbanen Umfeld bekämpft werden, ohne große Kollateralschäden zu verursachen.

Gerade am Punkt Bewaffnung war jedoch die erste Parlamentsvorlage im Juni 2017 gescheitert. Der Koalitionspartner SPD lehnte damals das Leasing einer Kampfdrohne rundweg ab. Die Vorlage sei wegen mangelnder Entscheidungsreife nicht verabschiedet worden,  sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Arnold, nach Ende der Verhandlungen im vergangenen Jahr. „Es hat sich an verschiedenen Stellen immer wieder gezeigt, dass wir im Kern Unterschiedliches wollen“, begründete er das Scheitern der Vermittlungsbemühungen zwischen den beiden Koalitionsfraktionen. „Die Union hat durch immer neue Formulierungen versucht sichtbar zu machen,  sie will eigentlich eine Drohne, die man als Kampfdrohne einsetzt.“

Bei den vorausgegangenen hektischen Verhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU hatte sich jedoch mehrfach ein Kompromiss angedeutet. Offenbar war es dann der Fraktionsvorsitz der SPD, der das grüne Licht für eine Einigung nicht geben wollte. Nach der damaligen Aussage von Arnold wollte die SPD eine Drohne lediglich für Aufklärungszwecke anschaffen. Einer bewaffnungsfähigen Drohne habe man nur deshalb zugestimmt, weil es kein anderes UAS in der gewünschten Größe auf dem Markt gebe. Er kritisierte, dass seiner Partei die Details des Vertrages erst wenige Wochen vor Ende der Legislaturperiode übermittelt wurden.

„Die Sozialdemokraten waren leider nicht bereit, einen Kompromiss zu schließen“, den man in mühseliger Arbeit im Verteidigungsausschuss gefunden habe, kommentierte der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn seinerzeit die Entscheidung. Dieser  Kompromiss hätte es seiner Aussage zufolge ermöglicht, eine bewaffnungsfähige Drohne zu beschaffen – allerdings zunächst ohne Waffen. Im ersten Entwurf des  BMVg war zunächst noch die Beschaffung von Übungsmunition mit enthalten. Beobachter gehen davon aus, dass wenige Monate vor der damals anstehenden Bundestagswahl die SPD eine solche Entscheidung aus Angst vor Stimmverlusten nicht mittragen wollte. Hinter vorgehaltener Hand wurde noch ein anderes Argument kolportiert: Die SPD wolle auch deshalb keine Predator-Drohne beschaffen, weil die CIA dieses Fluggerät für rechtswidrige Tötungen nutze.

Auch TDW mit skalierbarer Munition

Die Argumentation des BMVg, wonach nur IAI die geforderte skalierbare Munition bereitstellen könne, zieht General Atomics mittlerweile in Zweifel. Denn bereits im vergangenen Jahr hat TDW, ein deutsches Tochterunternehmen des europäischen Lenkflugkörperherstellers MBDA, einen skalierbaren Gefechtskopf der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser könnte womöglich auch von Luft-Boden-Flugkörpern des von General Atomics für den europäischen Markt designten Sky Guardian – eine Weiterentwicklung des Predator B, der die NATO-Zulassungskriterien nach STANAG erfüllen soll – eingesetzt werden. Unklar ist allerdings, wie lange eine Integration auf einen von der Bundeswehr eingesetzten Flugkörper dauern würde. Deutschland plant offenbar den neuen Gefechtskopf zunächst für einen norwegisch-deutschen Seezielflugkörper zu verwenden, der erst in der kommenden Dekade beschafft werden soll.

Sollte das BAAINBw wie geplant den Vertrag mit Airbus schließen, hält sich General Atomics den Rechtsweg offen, wie ein Sprecher des Unternehmens bestätigte. Denn in einem Gutachten wird die  Rechtsauffassung vertreten, dass nach Vertragsschluss ein Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes durchaus Aussicht auf Erfolg hat. Denn  durch mehrere veränderte „Tatsachengrundlagen“ könne jetzt eine Vergabe nach dem Wettbewerbsverfahren erforderlich sein. Als veränderte Tatsachengrundlagen werden in dem Gutachten der skalierbaren Gefechtskopf von TDW, eine aufgrund der Verzögerung bei der Beschaffung eingetretene identische zeitliche Verfügbarkeit von Heron TP und SkyGuardian sowie eine angeblich mangelnde Eignung des Herstellers IAI aufgrund von Korruptionsermittlungen gegen IAI-Mitarbeiter angeführt.

Ob General Atomics den Klageweg tatsächlich einschlagen wird, ist wie gesagt noch offen.  Bislang war das Unternehmen juristisch wenig erfolgreich. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf am 31. Mai vergangenen Jahres eine Beschwerde des US-Unternehmens in letzter Instanz abgelehnt. Auch eine danach eingereichte Anhörungsrüge wurde abgewiesen.

Angefangen hatte der Rechtsstreit mit der Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr am 12. Januar 2016, in der festgelegt wurde, Heron TP direkt ohne Wettbewerb zu beschaffen. In der auf das CPM-Dokument Fähigkeitslücke und funktionale Forderung folgenden zweiten Analysephase waren zuvor neben dem Leasing der Heron TP noch zwei weitere Alternativen herausgearbeitet worden: zum einen die Nutzung der Heron 1 und zum anderen  der Einsatz des marktverfügbaren Predator B von General Atomics.

Rechtsweg bereits 2016 eingeschlagen

Kurz nachdem der Bundestag über die Auswahlentscheidung informiert worden war, rügte das US-Unternehmen am 21. Januar 2016 das Vorgehen als vergaberechtswidrig, unter anderem weil das Unternehmen den Grundsatz der Produktneutralität als verletzt ansah. Am 12. Mai informierte dann das Verteidigungsministerium das US-Unternehmen darüber, dass die Bedenken nicht geteilt würden und die Direktvergabe wie geplant erfolge. Daraufhin beantragte GA-ASI am 22. Juni 2016 eine Nachprüfung  bei der Vergabekammer des Bundes, die den Antrag am 17. August zurückwies. Danach ging General Atomics in die nächste Instanz und legte Klage beim OLG Düsseldorf ein.  Das Gericht wies dann wie beschrieben am 31. Mai 2017 diese Klage endgültig zurück.

Nach Einschätzung des OLG lagen „nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe für die Auswahlentscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr vor“. Dazu zählten die Richter insbesondere die schnellere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit von Heron TP. Insbesondere um die Fähigkeitslücke bei der luftgestützten abbildenden Aufklärung mit der Fähigkeit „zur verzugslosen Wirkung“ zu schließen. Zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Januar 2016 war laut Gericht das System Heron TP wesentlich früher verfügbar als der SkyGuardian. So sei diese Drohne erst 30 Monate nach Vertragsschluss im Juni 2016 ausgeliefert worden und erst ein weiteres Jahr nach Auslieferung einsatzfähig – nicht zuletzt wegen Engpässen bei der Ausbildung, die zunächst auf Predator B erfolgt wäre. ADAS bot die gleiche Leistung laut Gericht nach 24 Monaten und damit 18 Monate früher als General Atomics an.

Für Heron TP sprach nach Ansicht des OLG Düsseldorf überdies die Tatsache, dass das System weitgehend die technische Voraussetzung für eine Einsatznutzung erfüllt und die erforderlichen Anpassungen identifiziert und im Musterprüfungsprogramm für die Zulassung nach deutschem Recht durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr bereits berücksichtigt seien. Für die Bundeswehr dürfte dieser Faktor bedeutend sein. Schließlich hatte man bei der Zulassung der Euro-Hawk-Drohne die Schwierigkeiten unterschätzt und das Vorhaben musste schließlich abgebrochen werden.

Der SkyGuardian habe dagegen erst Mitte November 2016 seinen Erstflug absolviert und befinde sich seitdem in einer ein- bis zweijährigen Flugerprobung. Nach Angaben der Richter fehlte bei der US-Drohne überdies ein automatisches Start- und Landesystem. Nach Aussage eines GA-ASI-Sprechers wurde ein solches System jedoch mittlerweile auf der Drohne eingesetzt.

OLG sieht Souveränität als Faktor

Als weiterer sachlicher und auftragsbezogener Grund für die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Heron TP wird vom OLG Düsseldorf die damit verbundene größere Autonomie beim Einsatz dieser Drohne im Vergleich zum Sky Guardian gesehen. So habe die israelische Regierung dem BMVg bestätigt, dass Deutschland über die Nutzung souverän entscheiden könne und keinen israelischen Beschränkungen unterliege. Im Falle der Nutzung der US-Drohne müsste dagegen bei Veränderung in einen neuen – bisher nicht vorgesehenen – Einsatzraum dies von den US-Behörden genehmigt werden. Hier sehen die Richter das Risiko, dass eine solche Genehmigung „in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht tatsächlich erteilt wird“. Die Entscheidung hänge von den politischen Mehrheitsverhältnissen im US-Kongress ab. Das OLG will  auch nicht ausschließen, dass über Einsatzszenarien entschieden werden könnte, in denen Deutschland von den USA abweichende Entscheidungen trifft.

Für die Nutzung der Heron TP spricht nach Aussage von Airbus unter anderem auch der Fakt, dass die israelische Seite seinem deutschen Partner einen tieferen technologischen Einblick als General Atomics gewährt. Das europäische Unternehmen habe bereits heute weitreichenden Zugang zu Design-Dokumenten erhalten. Airbus soll nach eigenen Angaben  entwicklungstechnischer und instand setzender Betrieb für die Heron TP werden. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland die Federführung bei der zukünftigen Euro-Drohne innehat, dürfte Airbus die bei Heron TP gewonnenen Erfahrungen für die Entwicklung der Drohne nutzen.

Laut General Atomics werden jedoch auch der britischen Luftwaffe, die den SkyGuardian als Nachfolger des bislang genutzten Predator B beschaffen will, nach Wunsch umfassende Rechte zur Weiterentwicklung des Flugzeugs eingeräumt. Bei einer Nutzung durch die Bundeswehr könnten bei Bedarf deutsche Sensoren integriert werden und auch ein deutsches Partnerunternehmen – bislang war dies offenbar die RUAG – würde beim Zulassungsprozess eingebunden. Deutschland stehe die Verwendung von eigener Funkgeräte und Krypto-Technik frei. So sollen laut General Atomics auch die  britischen SkyGuardians mit Funkgeräten von Rohde & Schwarz ausgestattet werden.

Im Koalitionsvertrag heißt es mit Blick auf den Zeitraum bis zur Einführung der Euro-Drohne: „Als Übergangslösung wird die Drohne Heron TP geleast.“ Demnach müsste das Durchwinken der entsprechenden 25-Mio-Vorlage eine reine Formsache sein. Allerdings sind bis zum 13. Juni noch zwei Wochen Zeit für Überraschungen.
lah/15.5.2018

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