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Airbus und Industriepartner veröffentlichen Details

Bei der International Fighter Conference in Berlin haben Airbus und seine Partnerunternehmen aus der deutschen Industrie  heute erste Details zum neuen Konzept für die elektronische Kampfführung  – der so genannten Electronic Combat Role  oder ECR – beim Eurofighter präsentiert.

Der Eurofighter in der vorgeschlagenen ECR-Konfiguration wird nach Angaben von Airbus und Hensoldt dazu in der Lage sein, sowohl passiv Boden-Luft-Systeme aufzuklären als diese auch zu stören. Dazu werde das Flugzeug mit einer Vielzahl an modularen Konfigurationen für Electronic Attack (EA) und die Unterdrückung/Zerstörung feindlicher Luftverteidigung – das so genannte SEAD oder DEAD – ausgestattet werden können.

Das deutsche Verteidigungsministerium sucht gegenwärtig nach einem Nachfolgesystem für den ECR-Tornado, um damit seine NATO-Verpflichtungen zu erfüllen. Die neue Eurofighter-Konfiguration würde die ECR-Rolle ausfüllen und wäre darüber hinaus auch zur Electronic Attack befähigt. Das sei eine in Europa einzigartige Fähigkeit, betonte ein Airbus-Vertreter bei der Vorstellung des Konzepts vor Journalisten am Rande der IQPC-Konferenz in Berlin.

Die im Wesentlichen auf deutschem Know-how basierende  Escort-Jammer-Technologie für den Kampfjet garantiere die nationale Kontrolle über kritische Missionsdaten und Datenanalysen, so Airbus in der Präsentation. Das ECR-Konzept sieht zudem eine neue zweisitzige Cockpitkonfiguration mit multifunktionalem Panoramic-Touch-Display und einem Missionscockpit für den Rücksitz vor.

Allerdings wäre Airbus-Angaben zufolge, die Fähigkeit auch auf bereits existenten einsitzigen Eurofightern einrüstbar. Denn die ECR-Hardware-Komponenten sind  in erster Linie in einem von Hensoldt zu entwickelnden  Pod enthalten, von dem typischerweise zwei pro Flugzeug genutzt würden.

 

 

 

 

 

So könnte der neue ECR-Eurofighter aussehen: Zwei Jammer-Pods unter den Tragflächen und dazu noch jede Menge Flugkörper und Tanks. Foto: Airbus

Im Rahmen des so genannten luWES-Vorhabens denken die deutschen Beschaffer offenbar daran, zukünftig drei Typen von Jammern bei der Luftwaffe einzusetzen. Dabei handelt es sich um einen so genannten Stand-Off-Jammer mit großer Leistung, der außerhalb der gegnerischen Luftverteidigung fliegt, einen Escort-Jammer – wie es beispielsweise das Eurofighter-Konzept vorsieht, sowie einen  „Stand-In-Jammer“. Letzterer könnte etwa in einem Remote Carrier oder einem Lenkflugkörper integriert werden und direkt in die Zone höchster Gefährdung über dem Ziel einfliegen. Wobei bei diesem kleinsten Jammer das Konzept noch nicht weit gediehen sein soll, wie die anwesenden Firmenvertreter erläuterten.

Mehrere deutsche Firmen an Konzept beteiligt

Dagegen werde es womöglich bereits im kommenden Jahr erste Tests für den Stand-Off-Jammer an Bord einer einmotorigen Propellermaschine geben, erläuterte ein Hensoldt-Vertreter.  Das Unternehmen hat demnach den Lead bei diesem Vorhaben, das in Abstimmung mit dem Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw erfolgt. Für einen ausgewachsenen Stand-Off-Jammer dürfte dagegen ein deutlich größeres Luftfahrzeug benötigt werden.

Das Konzept für den ECR-Eurofighter wurde von den deutschen Luftfahrtunternehmen Airbus, Hensoldt, MBDA, MTU, Premium Aerotec und Rolls-Royce entwickelt und wird von den deutschen Industrieverbänden BDSV und BDLI unterstützt. Die beiden Triebwerksproduzenten sind offenbar im Konsortium vertreten, weil die zukünftige Version des Eurofighters über mehr Schubkraft bei geringerem Verbrauch verfügen soll. MBDA als Spezialist für Lenkflugkörper könnte Beiträge zur Bewaffnung leisten.  Den Angaben der beteiligten Unternehmen zufolge handelt es sich bei dem ECR-Konzept  um ein eigenfinanziertes Vorhaben. Dem Vernehmen nach wird dabei darauf geachtet, dass möglichst nur europäische und keine der US-ITAR-Regulierung unterliegenden Komponenten verwendet werden.

Der neue Ansatz zielt nach Angaben der beteiligten Unternehmen auf den von der deutschen Luftwaffe geäußerten Bedarf einer luftgestützten Fähigkeit zur elektronischen Kampfführung ab. Nur das Eurofighter-ECR- Konzept sei in der Lage, diese Fähigkeit im Rahmen nationaler Souveränität abzubilden und gleichzeitig militärische Schlüsseltechnologie in Deutschland zu sichern, heißt es bei Airbus. Das Konzept sehe auch eine enge Abstimmung des zukünftigen Mark1-Radars des Eurofighters mit der ECR-Rolle vor. Der Vorteil dabei: Beide Hardware-Komponenten würden federführend von Hensoldt entwickelt. Aufgrund der Nutzung von Pods könnte der Jet laut Airbus neben diesen weitere vier Luft-Luft-Flugkörper, Tanks sowie bis zu sechs Spear-Raketen oder andere Waffen tragen. Hier seien verschiedene Varianten denkbar.

Growler als möglicher Konkurrent

Als möglicher Konkurrent für einen ECR-Eurofighter gilt der F/A-Growler des US-Konzerns Boeing.  Die dem Growler zugrundeliegende F/A-18 befindet sich im Wettbewerb um die Nachfolge von etwa 85 Jagdbombern des Typs Tornado. Ein Teil dieser Maschinen ist für die ECR-Aufgabe ausgerüstet, gilt allerdings als technisch veraltet. Allerdings wurden bei der Angebotsaufforderung für die Tornado-Nachfolge keine ECR-Fähigkeiten verlangt, wie ein Airbus-Vertreter in Berlin betonte. Er könnte sich allerdings vorstellen, dass eine derartige Fähigkeit im Rahmen der Tornado-Ersatzlösung noch vom BAAINBw verlangt wird.

Nach Einschätzung von Airbus erweitert die ECR-Ausrüstung die Mehrrollen-Fähigkeit des Eurofighters und verstärkt die Durchhaltefähigkeit und uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Luftstreitkräfte in feindlichen Gebieten. Vernetzte Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung werden nach Expertenmeinung für alle zukünftigen luftgestützten Militäreinsätze besonders wichtig.

Eine Erstbefähigung des Eurofighter-ECR für das Jahr 2026 sei darstellbar,  ist das Unternehmen überzeugt.  Erste Untersuchungen hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit der Jammer-Pods mit den Systemen des Flugzeugs sollen bereits erfolgt sein.

ECR-Fighter soll mit FCAS kompatibel sein

Gefolgt von weiteren Entwicklungsschritten, werde die volle Integration des Eurofighter ECR in das Future Combat Air System (FCAS) sichergestellt. Insbesondere der Long Term Evolution Plan (LTE) für das Kampfflugzeug berücksichtige bereits die Anforderungen des französisch-deutschen Rüstungsvorhabens.  Wie beschrieben, ist zum Beispiel das Manned Unmanned Teaming  (MUM-T) eines ECR-Eurofighters mit einem unbemannten Stand-In-Jammer eine Option, die untersucht wird. Nach Tests eines Drohnenschwarms mit einem Learjet im vergangenen Jahr über der Ostsee soll offenbar in den kommenden Monaten auch das Zusammenspiel eines Eurofighters mit Drohnen getestet werden.

Sollte sich Deutschland für den ECR-Eurofighter entscheiden, könnte dies auch die Exportchancen für den Jet in einem anderen Projekt erhöhen. So interessiert sich Finnland als Nachfolger für seine F/A-18-Flieger dem Vernehmen nach für Flugzeuge, die auch für ECR-Missionen eingesetzt werden können.
lah/12.11.2019