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Iver Huitfeldt – Flugabwehrfregatte offenbart Problemlage der dänischen Streitkräfte

Thomas Lauge Nielsen

Der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen hat am Mittwochabend, den 03. April, den Befehlshaber der Streitkräfte General Flemming Lentfer mit sofortiger Wirkung entlassen. Dies geschah aufgrund von „mangelndem Vertrauen“ in den Verteidigungschef. Flemming Lentfer war seit 2020 Befehlshaber der Streitkräfte. Die Entlassung ist die unmittelbare Folge eines schweren Zwischenfalls an Bord der Fregatte Iver Huitfeldt der dänischen Marine, die im Rahmen der von den USA geführten „Operation Prosperity Guardian“ zum Schutz der Schifffahrt vor Angriffen der vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen ins Rote Meer entsandt worden war.

Die Iver Huitfeldt ist das namensgebende Schiff der Iver-Huitfeldt-Klasse von drei Flugabwehrfregatten, die 2012 und 2013 bei der Königlich Dänischen Marine in Dienst gestellt wurden. Sie gehört zu den modernsten Schiffen der dänischen Flotte und ist mit umfangreichen Radar- und Waffensystemen ausgestattet, darunter ein SMART-L-Langstrecken-Überwachungsradar von Thales Nederland, ein APAR-Feuerleitradar, ebenfalls von Thales Nederland, sowie zwei „CEROS 200“-Feuerleitradare von Saab. Zur Bewaffnung gehören vertikale Startsysteme für SM-2 und RIM-162 Evolved Sea Sparrow (ESSM) Boden-Luft-Raketen, zwei 76mm-Kanonen von Oto Melara und ein „Oerlikon Millennium“-Schiffsgeschütz im Kaliber 35mm für den Nahbereich.

Die Geschichte beginnt im Dezember 2023, als die dänische Regierung beschließt, die Iver Huitfeldt ins Rote Meer zu entsenden. Die Fregatte verlässt Ende Januar den Marinestützpunkt Korsør in Richtung Rotes Meer. Bereits zu diesem Zeitpunkt warnte der pensionierte Korvettenkapitän Vermund Søgaard-Sørensen in einem offenen Brief an ein dänisches Medium, dass die dänische Marine im Allgemeinen und die Iver Huitfeldt im Besonderen schlecht auf den Einsatz vorbereitet sei. Diese Warnung stützte sich vor allem auf das zu beobachtende Fehlen eines umfassenden und intensiven Trainings vor dem Einsatz, einschließlich Übungen mit scharfer Munition, die in diesem Fall offenbar nicht stattgefunden hatten. Als der dänische Verteidigungsminister später um eine Stellungnahme gebeten wurde, versicherte er jedoch der Regierung und der Öffentlichkeit, er sei zuversichtlich, dass das Schiff in der Lage sei, seinen Auftrag zu erfüllen.

Am 9. März 2024 wurde der Schiffsverkehr im Roten Meer wiederholt von Drohnen und Raketen der Houthi angegriffen. Während des darauffolgenden Gefechts zerstörte die Iver Huitfeldt vier Drohnen mit ESSM-Raketen und 76-mm-Geschützfeuer. Als die Nachricht von diesem Einsatz bekannt wurde, bezeichneten die dänische Marine und das Verteidigungsministerium ihn als großen Erfolg für die Marine und die Besatzung der Iver Huitfeldt.

Bis zum 13. März war alles in Ordnung. Zu diesem Zeitpunkt schickte der Kommandant der Iver Huitfeldt, Fregattenkapitän Sune Lund, eine geheime Meldung an das Marinekommando in Dänemark, in der er auf eine Reihe schwerwiegender Probleme und Mängel an den Sensoren und Waffensystemen des Schiffes hinwies, die während des Einsatzes festgestellt worden waren. Dazu gehörte ein Softwarefehler im Feuerleitsystem für den Einsatz von Flugabwehrflugkörpern, der das System während des Drohnenangriffs für etwa 30 Minuten außer Gefecht setzte, sowie eine sehr hohe Ausfallrate bei der 76-mm-Munition, bei der Berichten zufolge 50 Prozent der Geschosse kurz nach dem Abfeuern explodierten (vermutlich sobald der Annährungszünder scharf geschaltet wurde). Später wurde berichtet, dass die 76-mm-Munition, die an Bord der Iver Huitfeldt eingesetzt wurde, 30 Jahre alt war. Kritisch anzumerken ist auch, dass die Möglichkeit für das Auftreten solcher Probleme schon seit einiger Zeit bekannt war.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das 35-mm-Nahbereichs-Waffensystem der Fregatte nicht erwähnt wird. Das Revolvergeschütz Rheinmetall Oerlikon Millennium im Kaliber 35 x 228 mm der Iver Huitfeldt hat eine effektive Reichweite von 3.500 bis 5.000 m, und die Tatsache, dass es nicht zur Bekämpfung der angreifenden Drohnen eingesetzt wurde, deutet darauf hin, dass die Drohnen außerhalb der effektiven Reichweite lagen. Dies könnte bedeuten, dass die Drohnen nicht die Iver Huitfeldt selbst angriffen, sondern dass das Schiff feuerte, um andere Schiffe in dem Gebiet zu schützen.

Obwohl die erwähnte Mitteilung als „NATO Restricted“ eingestuft war, wurde es dem dänischen Online-Militärmedium „OLFI“ zugespielt, das es am 01. April 2024 veröffentlichte. Diese Veröffentlichung durch OLFI war offenbar das erste Mal, dass die dänische Regierung von den Problemen auf der Iver Huitfeldt erfuhr. Der dänische Verteidigungsminister forderte umgehend einen vollständigen Bericht des Chefs der Streitkräfte an, der noch am selben Tag vorgelegt wurde.

Am 2. April veröffentlichten die dänischen Streitkräfte ein Video, das an Bord der Iver Huitfeldt während des Einsatzes im Roten Meer aufgenommen wurde. Es zeigt, wie die Waffensysteme des Schiffes die angreifenden Drohnen zerstören, und man kann die Besatzung des Schiffes jubeln sehen und hören. Viele Beobachter in Dänemark haben diesen Umstand kritisch kommentiert, da die Veröffentlichung des Videos im Anschluss an das öffentlich werden der oben genannten Probleme erfolgte. Gleichzeitig räumte die dänische Marine am 2. April die von Iver Huitfeldt berichteten Probleme ein. Der Chef der Marine, Konteradmiral Henrik Ryberg, erklärte, er habe eine Überprüfung der Fähigkeiten des Schiffes während des Angriffs eingeleitet.

Am 3. April unterrichteten die Streitkräfte das dänische Verteidigungsministerium. In dem Bericht an den Minister heißt es:

  • Die Streitkräfte haben das Verteidigungsministerium nur zwei Tage nach Eingang der ursprünglichen Meldung der Iver Huitfeldt über die fragliche Angelegenheit informiert.
  • Die Fregatte war für den Einsatz freigegeben worden.
  • Die dänische Organisation für Beschaffung und Logistik im Verteidigungsbereich (DALO) hatte vor dem Einsatz alle Systeme an Bord getestet.
  • Die Besatzung des Schiffes stellte weder vor dem Einsatz noch während der Fahrt ins Rote Meer Probleme fest.

Abschließend heißt es in dem Bericht: „Die Iver Huitfeldt und ihre Besatzung hatten die erforderliche Ausbildung absolviert, und das Schiff wurde für einsatzbereit erklärt. Weder der Chef des Schiffes noch das Marinekommando, das Verteidigungskommando oder andere hatten irgendeinen Hinweis auf die gemeldeten Probleme.“

In dem Bericht heißt es weiter, dass die Iver Huitfeldt während des Einsatzes drei ESSM-Raketen und 50 bis 100 Schuss 76-mm-Geschosse abgefeuert hat. Darüber hinaus wird in dem Bericht die ursprünglich gemeldete Ausfallrate von 50 Prozent bei der 76-mm-Munition in Frage gestellt und festgestellt, dass die tatsächliche Ausfallrate deutlich niedriger war.

Schließlich wurde berichtet, dass die Iver Huitfeldt den Befehl erhalten hatte, sofort nach Dänemark zurückzukehren und nicht wie ursprünglich geplant erst im April. Das Schiff hat am heutigen Vormittag in Dänemark angelegt.

Wie zu Beginn des Beitrages erwähnt, hat der dänische Verteidigungsminister den Chef des Verteidigungsministeriums entlassen, weil er einen Mangel an Vertrauen festgestellt hat.

Dies ist nicht nur eine äußerst ernste Angelegenheit, da ein dänisches Kriegsschiff mit fehlerhaften Angriffs- und Verteidigungssystemen in ein Kriegsgebiet entsandt wurde, sondern sollte auch im Zusammenhang betrachtet werden. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine und der Veränderung der europäischen Sicherheitslage wurde in Dänemark viel über die Frage der nationalen Verteidigung diskutiert. Es wurde eingeräumt, dass den dänischen Streitkräften seit langem die Mittel fehlten und dass ein erhebliches „Facelifting“ erforderlich war. Die auf der Iver Huitfeldt bekannt gewordenen Probleme scheinen darauf hinzudeuten, dass sich in dieser Hinsicht auch nach mehr als zwei Jahren nicht viel geändert hat.

Außerdem sind die dänischen Streitkräfte im Allgemeinen und der Verteidigungsminister im Besonderen wegen anderer Probleme in die Kritik geraten, darunter die mangelnde Finanzkontrolle und das Verfahren zur Beschaffung der neuen dänischen Artilleriesysteme. Die aktuelle Affäre um die Iver Huitfeldt könnte daher nur der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte, was das Vertrauen in den obersten Soldaten der dänischen Streitkräfte angeht.

Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Konsequenzen sich daraus ergeben werden, aber es ist zu hoffen, dass dies zu einer effektiveren Überprüfung des Bedarfs der dänischen Streitkräfte und des Prozesses zu dessen Erfüllung führen wird.

Hinweis des Verfassers: Obwohl die dargelegten Informationen bereits über zahlreiche Kanäle veröffentlicht wurden, ist der Fall noch nicht abgeschlossen, und die Ermittlungen laufen noch. Die dänische Regierung und die Marine haben bisher nur sehr wenige Informationen veröffentlicht. Dies sollte bei der Bewertung des Beitrags berücksichtigt werden.

Thomas Lauge Nielsen

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