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Schwerer Waffenträger Infanterie – Grünes Licht für 123 Maschinenkanonenboxer

Der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages hat heute unter Auflagen den Weg für die Beschaffung von insgesamt 123 sogenannten Schweren Waffenträgern Infanterie für mehr als 1,9 Milliarden Euro freigemacht. Die auf einem Boxer-Fahrgestell basierenden Fahrzeuge mit dem bemannten Lance-Turm und der auch im Schützenpanzer Puma genutzten Maschinenkanone MK30-2 ABM von Rheinmetall sollen das Kerngerüst für die neue Fähigkeitskategorie Mittlere Kräfte des Heeres bilden.

Die Besonderheit an dem Projekt: Es handelt sich um einen Regierungskaufvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der australischen Regierung, wie aus Fachkreisen zu vernehmen ist. Denn der Schwere Waffenträger entspricht im Wesentlichen dem Combat Reconnaissance Vehicle (CRV) Block II auf Boxer-Fahrgestell mit 30mm-Maschinenkanone, wie es die australischen Streitkräfte im Rahmen ihres Rüstungsprogramms „Land 400 Phase 2“ einführen. Parallel dazu hat der Ausschuss einen fast 750 Millionen Euro schweren „Integrated Logistic Support“-Vertrag gebilligt, um die Einsatzfähigkeit der neuen Radpanzer-Flotte nach der Lieferung sicherzustellen. Die Finanzierung erfolgt über das Sondervermögen Bundeswehr.

Partner des Kaufvertrages sind die Regierungen beider Länder sowie Rheinmetall Defence Australia (RDA) und Rheinmetall Landsysteme GmbH (RLS). Bestandteil des Kontraktes ist demnach auch die Nachweisführung für den neuen Waffenträger. Der Finanzbedarf beträgt 1,943 Milliarden Euro einschließlich Umsatzsteuer und Zoll, wie zu vernehmen ist. Ein Großteil der Summe soll bereits in den Jahren 2024 und 2025 abfließen.

Bei den Haushaltspolitikern der Ampelkoalition waren die geplanten Verträge wohl auch wegen der hohen Kosten nicht auf ungeteilte Begeisterung gestoßen. In der Folge wurden die beiden 25-Mio-Vorlagen für den Schweren Waffenträger und das Service-Paket nicht wie ursprünglich geplant, bei der letzten Sitzung auf die Tagesordnung des Ausschusses genommen.

Wie es dem Vernehmen nach in dem aktuellen Maßgabebeschluss zu den Verträgen heißt, könnte es aufgrund des komplexen Vertragsmodells zu hohen Projektmanagementkosten kommen. Die Haushaltspolitiker sehen offenbar einen Zielkonflikt zwischen der Dringlichkeit der Beschaffung, dem weiteren Aufbau von Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa und den Gesamtkosten.

Aus diesem Grund fordert der Ausschuss vom Verteidigungsministerium, die Annahmen und Mengenangaben im Logistik-Vertrag im Zuge der Vertragserfüllung genau unter die Lupe zu nehmen, um den sogenannten Selbstkostenerstattungspreis so weit wie möglich durchzusetzen. Außerdem verlangen die Haushälter, dass der Hersteller eine Nachrüstung der zu Beginn ausgelieferten Schweren Waffenträger auf den finalen Konstruktionsstand aus eigener Tasche bezahlen muss. Die Berichterstatter für den Einzelplan 14 wollen über das Ergebnis der Nachverhandlungen informiert werden genauso beim Ende der Qualifikationsphase und bei Erreichen des finalen Konstruktionsstandes. Des Weiteren fordern die Haushaltspolitiker, dass die beim Projekt anfallenden Transportkosten auf einen Selbstkostenerstattungspreis mit Obergrenze festzulegen sind. Die Politiker dürften dabei die Absicht des Ministeriums im Blick haben, die ersten zehn in Australien produzierten Waffenträger per Luftfracht nach Deutschland zu transportieren, was mit engen Zeitplänen für Einsatzprüfung und Ausbildung begründet wird.

Lieferung soll 2025 starten

Die Lieferung der ersten 19 Serienfahrzeuge ist demnach für 2025 geplant. Danach sollen jedes Jahr rund 25 Waffenträger bis Anfang 2030 zulaufen. Wie es heißt, ist seitens der Bundeswehr die Beistellung von digitalen D-LBO-Funkgeräten, speziellen GPS-Receivern und Fahrernachtsichttechnik vorgesehen. Letztere offenbar, um den speziellen Forderungen der deutschen Straßenverkehrsgesetzgebung zu genügen.

Um die zulaufenden Fahrzeuge möglichst reibungslos in das logistische System der Bundeswehr zu integrieren und eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, will das Verteidigungsministerium überdies einen „Integrated Logistic Support“-Vertrag im Volumen von knapp 750 Millionen Euro brutto abschließen. Dafür muss Rheinmetall in einem Zeitraum von fünf Jahren nach Zulauf des ersten Musters eine Verfügbarkeitsgarantie geben und für die dann anfallenden Innstandsetzungen und benötigten Ersatzteile die Kosten tragen. Auch die Ausbildungsmittel, dazu zählen etwa Simulatoren, sowie die Dokumentation sind offenbar in dem Paket enthalten, ebenso die Ausbildung der Nutzer. Insider gehen davon aus, dass eine Verfügbarkeit von 70 Prozent erwartet wird.

Während die ersten Boxer-Fahrzeuge noch zu wesentlichen Teilen in Deutschland produziert werden, soll die Serienfertigung dann nach Australien verlagert werden. Hintergrund sind unter anderem kurz und mittelfristig fehlende Fertigungskapazitäten in Deutschland. Überdies werden zusätzlich Lieferungen von Boxer-Varianten nach Litauen, in die Ukraine (36 RCH 155), nach Katar und für die Bundeswehr (Radschützenpanzer, RCH 155) erwartet. Auch die britischen Boxer werden zum Teil noch in Deutschland hergestellt.

Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, war die Fertigung der Schweren Waffenträger des Heeres in Australien überdies eine Vorbedingung für die damalige Entscheidung des australischen Verteidigungsministeriums, bei der Ausschreibung für das Combat Reconnaissance Vehicle das deutsche Angebot für die insgesamt 211 Radpanzer auszuwählen. Insidern zufolge entfallen trotzdem über 50 Prozent der Wertschöpfung auf deutsche Firmen, die wesentliche Komponenten wie etwa Motor und Getriebe liefern.

Um unnötige Komplikationen bei der Zulassung zu vermeiden, soll der Schwere Waffenträger möglichst identisch mit dem australischen RCV sein. Lediglich die Sitzplätze im Heck der australischen Fahrzeuge fallen weg. Der so gewonnene Raum wird für das Mitführen der umfangreichen Munitionsbestände genutzt. Auch werden deutsche-D-LBO-Funkgeräte eingerüstet und die Fahrzeuge erhalten natürlich den deutschen Tarnanstrich. ­­

Einsatz bei den Jägern

Eingesetzt werden soll der Schwere Waffenträger von den Jägerverbänden der zukünftigen Mittleren Kräften, die sich auf Radfahrzeuge abstützen und so selbst in den Operationsraum verlegen können. Diese bilden gemeinsam mit den luftbeweglichen und den schweren Kräften, zu denen Panzer- und Panzergrenadiere gehören, das Fähigkeitsspektrum des Heeres ab. Die Schweren Waffenträger sollen die etwa 30 Jahre alten Wiesel-Kettenfahrzeuge mit Maschinenkanone und Lenkflugkörper ersetzen und der Truppe mehr Durchschlagskraft verleihen. Dem Vernehmen nach wird jedes Bataillon zunächst in der schweren Kompanie drei Züge mit je vier Fahrzeugen erhalten.

Die Basis für den Schweren Waffenträger Infanterie bildet der australische CRV-Boxer Block II mit einem von den Bundeswehr-Boxern abweichenden Fahrmodul. In die Truppe eingeführt wurden die Radpanzer Boxer in der Ursprungsversion (A0) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 36,5 Tonnen. Der Antrieb erfolgt mittels eines MTU-Dieselmotors (MTU 8V 199 TE 20) mit einer Leistung von 530 kW.

Die neueren Versionen des Boxers verfügen unter anderem über einen unter der Wanne angebrachten Minenschutz und in den Radkästen. Zur Verringerung der Signatur sollen konstruktive Neugestaltungen der Kühlluft- und Abgasführung führen. Dazu kommt ein verbessertes Fahrersichtsystem. Fahrzeuge mit diesen Verbesserungen tragen die Versionsbezeichnung A2 – der heutige Standard in der Bundeswehr.

Der CRV-Boxer Block II weist aufgrund des 30mm-Turmes ein höheres Gewicht als die in der Bundeswehr genutzten Varianten auf, weshalb das zulässige Gesamtgewicht auf 38,5 Tonnen angehoben wurde. Die australische Variante verfügt deshalb über tragfähigere Reifen. Den Planungen zufolge wird der Schwere Waffenträger einen bemannten Rheinmetall-Turm mit der Bezeichnung Lance 2 Block II erhalten. Die Bewaffnung besteht aus der Maschinenkanone MK30-2 im Kaliber 30 x 173 mm, wie sie auch im Schützenpanzer Puma eingebaut ist sowie einem Turm-Maschinengewehr im Kaliber 7,62 x 51 mm. Darüber soll der Waffenträger einen integrierten Launcher für Panzerabwehrlenkflugköper des Typs MELLS erhalten. Die dafür erforderliche Software wird offenbar beigestellt.

Lars Hoffmann

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