Trotz der kleinsten Bundeswehr aller Zeiten waren 2023 insgesamt 756 Personen – zu denen neben Soldatinnen und Soldaten auch zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen – und damit fast drei Mal so viele wie im Jahr 2003 dauerhaft für die Wahrnehmung von Aufgaben innerhalb von Beteiligungsgremien wenigstens teilweise vom Dienst freigestellt. Dies geht aus einer Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung Siemtje Möller vom 18. Dezember 2023 auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten und Mitglied im Verteidigungsausschuss Kerstin Vieregge hervor.
Demnach stieg die Zahl der zumindest teilweise freigestellten Personen von 260 im Jahr 2003 auf 756 in 2023, obwohl der Personalbestand im gleichen Zeitraum von 399.096 auf 263.282 Personen gefallen ist.
Die Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen fordert angesichts dieser Zahlen eine kritische Überprüfung des Beteiligungswesens. „Die letzten zwei Jahrzehnte haben einen markanten Anstieg in der Anzahl der für Beteiligungsgremien freigestellten Mitglieder innerhalb der Bundeswehr verzeichnet, parallel zu einer deutlichen Reduktion des Gesamtpersonals der Streitkräfte. Vor dem Hintergrund des Ziels des Verteidigungsministers, eine hochgradig kriegstüchtige und voll einsatzfähige Bundeswehr zu etablieren, erweist sich eine kritische Überprüfung des Beteiligungswesens als notwendig“, erklärte Vieregge gegenüber hartpunkt. „Die Auswirkungen der Beteiligungsstrukturen auf die militärische Einsatzbereitschaft und Handlungsfähigkeit der Bundeswehr muss überprüft werden, und Lösungen gefunden werden, die militärische Notwendigkeiten mit dem Erhalt der essenziellen demokratischen Verfasstheit der Streitkräfte in Einklang bringen“, so die Bundestagsabgeordnete weiter.
Im Einzelnen setzt sich der Anstieg sowie die Zusammensetzung des freigestellten Personals wie folgt zusammen:
Anzahl freigestellter Personen in Beteiligungsgremien Personalbestandder Bundeswehr 2023* 756 263.282 2022 757 264.939 2021 743 265.626 2020 719 265.055 2019 717 265.202 2018 710 263.975 2017 679 263.711 2016 659 263.581 2015 612 264.972 2014 580 271.044 2013 548 278.951 2012 534 288.596 2011 529 306.617 2010 524 338.363 2009 527 351.976 2008 517 353.259 2007 472 356.871 2006 458 364.809 2005 423 365.847 2004 374 375.765 2003 260 399.096 * Abweichend zum Stichtag 11. Dezember 2023
Aus Antworten des Ministeriums auf Folgefragen der Abgeordneten Vieregge geht die Aufschlüsselung der 756 freigestellten Personen hervor. Demnach sind 413 Personen und damit über die Hälfte für örtliche Personalräte und Gesamtpersonalräte freigestellt, 45 weitere Personen für Bezirkspersonalräte und 14 als Hauptpersonalrat. Für den Gesamtvertrauenspersonenausschuss sind 15 Personen freigestellt sowie 11 für Vertrauenspersonenausschüsse und Vertrauenspersonenversammlungen. Zudem hat die Bundeswehr noch 187 Personen als Gleichstellungsbeauftragte und 71 als Schwerbehindertenbeauftragte freigestellt.
Aufgeteilt auf die Statusgruppen setzt sich die Zahl 756 wie folgt zusammen:
Anzahl Personen Anzahl Personen in Vollzeitäquivalente Soldatinnen und Soldaten 259 223,98 Beamtinnen und Beamte 188 167,65 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 309 295,50 Gesamtergebnis 756 687,13
Als Begründung für den Anstieg gibt das Bundesverteidigungsministerium die Novellierungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes im Jahr 2021 und des Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes im Jahr 2016 an. Demnach wurde 2021 „erstmalig die Gewährung von Teilfreistellungen gesetzlich verankert, wobei diese mindestens 20 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit betragen müssen“, so das BMVg. In der Auflistung sind daher auch Personen erfasst, die unter dieses Kriterium fallen. Die Überarbeitung des Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes resultierte wiederum in einem deutlichen Anstieg der „Anzahl der für Soldatinnen und Soldaten personalratsfähigen Dienststellen mit einer Soldatengruppe“. „Ferner hat die Erweiterung soldatischer Beteiligungsrechte einen deutlichen Zuwachs an Aufgaben für die Gremien und damit auch der Anzahl von (Teil-)Freistellungen zur Folge gehabt“, ist der Antwort des Ministeriums zu entnehmen.
Waldemar Geiger