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ASPIDES-Einsatz der Fregatte Hessen – militärisch ein Erfolg, politisch ein Problemfall

Waldemar Geiger

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Als die Fregatte „Hessen“ am 5. Mai 2024 in den Heimathafen Wilhelmshaven einläuft, hat das Schiff mit nur wenigen Unterbrechungen rund ein Jahr Einsatz hinter sich, 56 Tage davon im Rahmen der EU geführten Operation ASPIDES im Roten Meer. In genau diesen rund zwei Monaten musste die Besatzung unter dauerhaftem physischem und psychischem Stress rund um die Uhr Wachsamkeit beweisen. Auch wenn zumindest in der breiten Öffentlichkeit vor allem die fehlgeschlagenen Abwehrmaßnahmen der Hessen in den ersten Tagen des Einsatzes präsent sind, haben sich Besatzung und Schiff allen Unkenrufen zum Trotz gut geschlagen. Dem Schutz der Hessen anvertraute Handelsschiffe konnten, trotz dauerhafter Drohnen- und Raketenbedrohung im Roten Meer, sicher durch die Gewässer begleitet werden und auch die Besatzung sowie das zusätzlich eingeschiffte Personal wohl und behütet wieder zurück in die Heimat gebracht werden. Selbst die Dinge, die „nicht gut gelaufen“ sind, werden im Rahmen der Einsatzauswertung, das kann man sich gewiss sein, ausgewertet und für Folgeeinsätze nachjustiert werden. Unterm Strich ist der „Waffengang“ der Hessen militärisch gesehen also als Erfolg zu werden. Gleichzeitig zeigt er die dramatische Unterausstattung der Marine.

Denn am selben Tag, als die Hessen in den Heimathafen einlief, wurde ein vertrauliches Briefing des ASPIDES-Kommandeurs Konteradmiral Vasileios Gryparis publik, wonach sich dieser über eine unzureichende Anzahl von Schiffen beklagt. In den Medien wiedergegebenen – und nicht dementierten – Aussagen zufolge wären rund 10 Schiffe samt luftgestützten Aufklärungsmitteln zur Auftragserfüllung notwendig. Zur Verfügung stehen dem Admiral jedoch nur drei Fregatten.

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Wenn man bedenkt, dass es im Gegensatz zu der US-geführten Operation Prosperity Guardian mehrere Monate gedauert hat, bis die EU eine eigene Mission im Roten Meer starten konnte, könnte man zu dem Schluss kommen, dass Europa entweder nicht auf die sicheren Handelswege im Roten Meer angewiesen ist oder wieder einmal den sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer spielen möchte. Ersteres ist sicherlich nicht der Fall.

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Ob und welche kurzfristige Unterstützung aus Europa der griechische Admiral erwarten kann, ist unklar. Aus Deutschland wird wohl erstmal nichts kommen. So laufen morgen zwar zwei Marineschiffe zum sieben Monate andauernden sogenannten Indo-Pacific Deployment aus, um „weltweit Flagge“ zu zeigen, wie das Verteidigungsministerium auf der Plattform X ankündigt. Für den tatsächlichen Schutz der Seewege sind offenbar keine Kapazitäten vorhanden. Die Deutsche Marine wird sich wohl erst im Spätsommer wieder an ASPIDES beteiligen können. So ist vorgesehen, dass sich die Fregatte „Hamburg“, genauso wie die „Hessen“ eine auf Luftverteidigung spezialisierte Fregatte der Klasse F124, ab August an der Operation beteiligen soll. Mehr Unterstützung kann die Marine mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften offenbar nicht leisten.

Die für das Indo-Pacific Deployment vorgesehenen Schiffe – der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ sowie Fregatte der Klasse F125 „Baden-Württemberg“ – verfügen über keine über den Selbstschutz hinausgehenden Fähigkeiten der Luftverteidigung und könnten im Rahmen von ASPIDES wohl keine nennenswerte Unterstützung leisten, selbst wenn die Bundeswehr die Prioritäten anpassen würde. Unklar ist zudem, ob die Schiffe und Besatzungen für den scharfen Waffengang zertifiziert sind.

Auf die Dauer ist dies auf jeden Fall kein tragbarer Zustand. Deutschland als Handelsnation und eine der größten Volkswirtschaften ist auf die freien Seewege im Roten Meer angewiesen und muss daher in der Lage sein, einen dauerhaften Beitrag für ASPIDES zu leisten.

Getreu der Redewendung „Erst die Pflicht, dann die Kür“ müssen die Prioritäten in der Beschaffung und Einsatzplanung so gelegt werden, dass die vitalen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik auch kurzfristig sichergestellt werden können. Was in letzter Konsequenz wohl bedeutet, dass die Marine entsprechend ertüchtigt werden muss. Wenn die drei Luftverteidigungsfregatten der Klasse F124 nicht ausreichen, um sowohl bei ASPIDES als auch eingegangene NATO-Verpflichtungen dauerhaft abdecken zu können, müssen schnellstmöglich Wege gefunden werden, wie die restliche Flotte entsprechend aufgerüstet werden kann, um einen Beitrag zur Sicherheit im Roten Meer gegen Bedrohungen aus der Luft leisten zu können.

Dabei geht es vor allem darum, bereits in Nutzung befindliche Schiffe – notfalls auch auf unkonventionelle Weise – mit Fähigkeiten zur Flugabwehr im mittleren Bereich nachzurüsten oder bestehende zu modernisieren.

Was fehlt, sind jedoch Haushaltsmittel, um solche theoretischen Lösungen und Konzepte auch praktisch zu untersuchen und, wenn erfolgreich, zu implementieren.

Der zur Verfügung stehende Verteidigungsetat hat für solche Maßnahmen keinen Spielraum, das Sondervermögen Bundeswehr ist bereits für andere Projekte verplant und mit der Unterstützung der Ukraine sind bis auf Weiteres jährlich weitere Milliarden gebunden. Für Ad-hoc-Einsätze wie ASPIDES oder die Aufstellung einer Panzerbrigade für Litauen scheint der Bundeshaushalt keine Spielräume zu haben, ohne dass Verdrängungseffekte entstehen.

Egal wie man es dreht und wendet, die deutschen Streitkräfte verfügen in der aktuellen Verfassung weder über genügend Kräfte und Mittel, um den aktuellen – geschweige denn neuen – Konflikten, Krisen und Kriegen adäquat begegnen zu können. Noch verfügen sie über ausreichend Budget, um sich in die Lage versetzen, dies kurzfristig tun zu können.

Politisch-strategisch befindet sich Deutschland deshalb in einer prekären Lage, die sich – sollte das Verteidigungsministerium nicht umgehend zusätzliche Haushaltsmittel für dieses Jahr erhalten – noch weiter zuspitzen könnte.

So hat die Huthi-Miliz erst vor wenigen Wochen angekündigt ihr „Operationsgebiet“ ausdehnen zu wollen. In der Tat wurde Ende April ein Angriff auf ein Containerschiff im indischen Ozean dokumentiert, und damit mehrere hundert Seemeilen von den bisherigen Huthi-Angriffen entfernt.

Man braucht keine Kristallkugel, um das sich abzeichnende politische Dilemma erkennen zu können. Die in Verantwortung stehende Politik wird den Bürgern über kurz oder lang eine der beiden Belastungen erklären müssen, steigende Verteidigungsaushaben, damit die Streitkräfte schnell und effektiv ertüchtigt werden können oder höhere Verbraucherpreise, weil neben dem Ukrainekrieg ein weiterer Konflikt eskaliert, der das Leben teuer macht.

Waldemar Geiger