Die vom schweizerischen Verteidigungsministerium VBS in Auftrag gegebene Untersuchung zum vorläufigen Stopp des Luftverteidigungssystems BODLUV 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung politisch nachvollziehbar ist. Allerdings war laut Bericht keine der beiden in der Kritik stehenden Boden-Luft-Raketen trotz Leistungseinschränkungen für das Vorhaben ungeeignet. Kritisiert wird die Intransparenz bei der Kostenentwicklung
Verteidigungsminister Guy Parmelin hatte das Projekt mit dem komplementär zu den Kampfflugzeugen die Schweiz gegen Bedrohungen aus der Luft geschützt werden soll, im Frühjahr vorläufig auf Eis gelegt, nachdem vertrauliche Informationen an die Medien durchgesickert waren. Demnach waren bei den für BODLUV vorgesehenen Boden-Luft-Raketen Iris-T SL von Diehl und CAMM-ER von MBDA gravierende Probleme hinsichtlich Allwetterfähigkeit und Reichweite festgestellt worden. Die Lenkwaffe Iris-T SL ist auch für das deutsche Luftverteidigungssystem TLVS/Meads vorgesehen.
Ob das Projekt BODLUV endgültig abgebrochen oder womöglich wieder aufgenommen wird, hängt unter anderem von einer gegenwärtig laufenden Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Parlamentes ab. Hier sei bis zum Ende des Jahres mit einem Ergebnis zu rechnen, sagte ein Sprecher des VBS. Es gehe darum, einen umfassenden Überblick über den Bedarf der luft- und bodengestützten Luftverteidigung zu gewinnen. Bei der Bewertung sollen auch die zur Neubeschaffung anstehenden Kampfflugzeuge berücksichtigt werden.
Wie der Schweizer Bundesrat mitteilte, hat die jetzt publizierte interne Untersuchung ergeben, dass das Projekt BODLUV 2020 „gemäss Weisungen und Reglement“ abgewickelt wurde. Das Risikomanagement sei dem Projekt angemessen und wirksam gewesen.
Der Untersuchungsbeauftragte sehe allerdings in seinem Bericht grundsätzlich Verbesserungspotenzial bei der Transparenz, dem Rüstungsablauf, der Projektorganisation und den Verantwortlichkeiten, der internen und externen Information sowie dem „Beizug“ von Externen, heißt es weiter.
Zwei Tage nach „Sistierung“ von BODLUV am 22. März wurde die Administrativuntersuchung unter Leitung von Kurt Grüter, einem ehemaligen Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, angeordnet.
„Zu Diskussionen Anlass gaben die Allwettertauglichkeit der deutschen Lenkwaffe IRIS-T SL und die Reichweite des britischen Produkts CAMM-ER. Gemäss Prüfbericht des Generalunternehmers hatte keine der beiden Lenkwaffen ein No Go, jedoch Leistungseinschränkungen“, heißt es in der Mitteilung des Bundesrates.
Die Offerten mit groben Kostenschätzungen der Hersteller hätten im Sommer 2015 gezeigt, dass mit 700 Mio CHF zwei Teilsysteme mittlerer Reichweite zu beschaffen waren. Für ein weiteres Teilsystem musste demnach mit zusätzlichen Kosten von etwa 100 Mio CHF gerechnet werden.
„Fest steht, dass mit den ursprünglich im Masterplan 2013 vorgesehenen 500 Mio CHF der Endausbau mit sechs Räumen und sechs Objekten nicht hätte realisiert werden können“, schreibt der Bundesrat weiter. In der Armeebotschaft 2016 vom 24. Februar seien für die mittlere Reichweite Kosten von 1,1 Mrd CHF erwähnt worden. Die endgültigen Kosten für das gesamte Projekt BODLUV 2020 einschließlich der kürzeren Reichweite waren den Angaben zufolge beim Sistierungsentscheid noch nicht abschätzbar.
Laut Mitteilung des Bundesrates war die interne und externe Information die Achillesferse von BODLUV 2020. Dem VBS – insbesondere der Armee und der Beschaffungsbehörde armasuisse – sei es nicht gelungen, Politik und Öffentlichkeit vom Projekt zu überzeugen. Aus diesem Grund empfiehlt die Untersuchung unter anderem eine bessere Information von Politik und Öffentlichkeit, die Kommunikation von Entwicklungsschritten und Kosten, eine Beschleunigung des Beschaffungsprozesses sowie die Wahrnehmung der Beschaffungsvorbereitung mit eigenen Ressourcen.
lah/12/23.9.2016