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Marine setzt auf Kooperation und Informationsaustausch

Zunehmende Spannungen im Ostseeraum aber auch entlang internationaler Schifffahrtswege stellen die deutsche Marine vor neue Herausforderungen. Dabei sind klassische militärische Fähigkeiten genauso gefragt wie die Vorbereitung auf die hybride Kriegführung im Küstenbereich, wie Vizeadmiral Rainer Brinkmann, Stellvertreter des  Inspekteurs der Marine, vergangene Woche in seiner Rede während des 19. DWT-Marineworkshops in Linstow erläuterte.

„Das Gefechtsfeld wird noch dynamischer, noch gesättigter und noch unüberschaubarer sein als es jemals war“, sagte Brinkmann. Das zwinge zur engen Zusammenarbeit mit Partnermarinen sowie allen Institutionen, Behörden und Akteuren, die Interessen im maritimen Raum hätten.

Kooperationsbedarf sieht er dabei insbesondere in punkto Datenaustausch.  „In der modernen Seekriegführung wird nicht derjenige erfolgreich sein, der über die schlagkräftigste Waffe verfügt, sondern derjenige, der die beste Information hat.“ Damit könne er unverzüglich und adäquat reagieren.

Weltumspannendes Lagebild denkbar

Es bedürfe jedoch neuer Ansätze bei der Gewinnung, der Verarbeitung, dem Austausch und dem Umgang mit Informationen, forderte der Admiral. Seiner Einschätzung zufolge sollten vorhandene Informationen im maritimen Raum zu einem aussagekräftigen Lagebild verdichtet werden. Dazu müssten bestehende militärische Informationsverbünde sukzessive integriert und mit denen anderer Akteure wie Forschungsinstitute, Behörden, der maritimen Industrie und der Schifffahrt verknüpft werden.

Bei der Verarbeitung der riesigen Datenfluten wird nach Einschätzung von Brinkmann künstliche Intelligenz erforderlich sein, um Entwicklungen zu erkennen und zu bewerten. „Die Verknüpfung der vielen regionalen und institutionellen Subsysteme aber könnte die Grundlage für ein weltumspannendes maritimes Lagebild bieten.“ Dabei blickt der Admiral auch auf die im Aufbau befindliche maritime Infrastruktur.  Er hält es für eine Frage der Zeit, bis Windparks, Pipelines und Unterwasserkabel als Sensorträger entdeckt werden.

„Weltumspannende Kooperation mit Partnern verlangt nach Standardisierung und Kompatibilität“, räumte der Admiral. Dabei müsse die Marine auch zur Kooperation mit weniger anspruchsvoll bestückten Partnern in der Lage sein. Die Aufgaben der Marine erfordern seiner Meinung nach ein breitgefächertes und ausgewogenes Fähigkeitsportfolio für alle Formen der  Seekriegs- und der Stabilitätsoperationen, wobei das Szenario des hochintensiven Gefechts designbestimmend für Schiffe sein sollte.

Mehr Modularität in der Rüstung gefordert

Die Rüstung müsse wesentlich modularer und skalierbarerer ausgeformt werden, forderte Brinkmann. So könnten autarke Missionsmodule, die aufwandsarm auf Einheiten von Partnern eingeschifft werden oder eigene Plattformen erst zu bestimmten Operationen befähigen, die eigene Flexibilität erhöhen. Brinkmann denkt dabei unter anderem an Module der medizinischen Versorgung, der Aufklärung, der Logistik, der Kommunikation und der Absicherung von Häfen.

Der Admiral wies in seiner Rede auch auf die Konsequenzen der demographischen Entwicklung in Deutschland für die Marine hin: Das Arbeitsumfeld an Bord werde sich aufgrund geringer Verfügbarkeit von Personal verändern, wobei technische Lösungen mit hohem Automatisierungs- aber geringem Komplexitätsgrad erforderlich seien. Die Intelligenz müsse hinter der Bedienoberfläche gebündelt werden, während zur Bedienung kaum mehr als der gesunde Menschenverstand nötig sein sollte.

Bordpersonal wird nach Einschätzung von Brinkmann in Zukunft voraussichtlich querschnittlicher ausgebildet, weil man sich eine hoch diversifizierte Lehrgangslandschaft nicht mehr leisten könne. „Der Aufwand ist schlichtweg zu hoch.“ Um trotzdem Schäden oder Störungen an Bord zu beheben, kann sich der Admiral vorstellen, dass Datenbrillen zum Einsatz kommen. Diese könnten Handlungsanweisungen abbilden, die den Seemann in die Lage versetzen, die Störungsbeseitigung an komplexen Anlagen vorzunehmen. Teletechnik und Tele-Maintenance sind nach Auffassung des Admirals darüber hinaus Verfahren, um Experten an Land in das Geschehen an Bord einzubeziehen.

3D-Drucker zur Ersatzteilversorgung?

Auch beim Betrieb der Flotte, werde sich einiges ändern müssen, führte Brinkmann aus. Er beklagt im Augenblick Probleme beim Instandhaltungsmanagement und der Ersatzteilversorgung, schiffbauliche Schäden, unterschiedliche Instandhaltungs- und Innovationszyklen zwischen Plattform und Systemtechnik sowie die überbordende Diversität der  Waffenführungs- und Einsatzsysteme.

Eine technologische Lösung, um der unzureichenden Ersatzteilbevorratung zu begegnen, könnten eventuell 3D-Drucker sein, sagte Brinkmann. „Um zur Entdeckung schiffbaulicher Schäden  nicht erst das halbe Schiff auseinanderschrauben zu müssen“, sei an „neuralgischen Punkten“ überwachende Sensorik erforderlich. Zumindest aber sollte der Zugang zu diesen neuralgischen Punkten erleichtert werden. Bei der Systemtechnik seien modulare Systeme nötig, die ohne Aufwand neu eingerüstet werden können.

Man könne sich die Vielzahl an Führungs- und Waffeneinsatzsystemen nicht mehr leisten, betonte Brinkmann. „Deswegen streben wir an, wieder eigene Kompetenzen aufzubauen, um selbst die Systemphilosophien definieren zu können.“ Diversität müsse der Kommunalität von Produktfamilien weichen, um Komponenten versorgbar, betreibbar und handhabbar zu machen, stellte er fest.
lah/4.10.2017

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