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tkMS setzt auf Internationalisierung

Der deutsche Schiffbauer thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) –  nach eigenen Angaben größter Hersteller konventioneller U-Boote in der NATO –  will in Zukunft verstärkt mit internationalen Partnern  zusammenarbeiten. „Man kann nicht mit einem 99 Prozent deutschen Boot meinen, die Welt zu erobern“, sagte tkMS-CEO Rolf Wirtz Anfang des Monats während eines Pressegesprächs am Rande der Konferenz SubCon 2019 in Kiel.

Wirtz hält mehr Internationalisierung und Kooperation für unabdingbar für thyssenkrupp Marine Systems. Durch das paritätische Joint Venture kta naval systems mit dem norwegischen Unternehmen Kongsberg hat der deutsche Werftkonzern bereits einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen und dabei gleichzeitig eine Risikoverteilung seines Geschäfts erreicht.

tkMS-Chef Rolf Wirtz bei der Eröffnungsrede der Konferenz SubCon 2019, die von seinem Unternehmen Anfang des Monats in Kiel ausgerichtet wurde. Foto: tkMS

Langfristig müsse  ThyssenKrupp darüber nachdenken, noch weitergehende Kooperationen einzugehen. Wirtz verwies in diesem Zusammenhang auf die Gründung der EADS. Das sei jedoch kein Thema „für die Schnelle“, betonte der tkMS-Chef. Bis es soweit sei, müsse man die eigene Position weiter ausbauen. Wirtz hofft, mit der Klasse 212 CD und womöglich den neuen Booten für Israel, für die bereits eine  Absichtserklärung bestehe, die nächste Generation von Unterwasser-Schiffen im nicht-nuklearen Bereich zu entwickeln und zu bauen. Die Klasse 212 CD mit zunächst sechs Booten ist ein Gemeinschaftsprojekt von Norwegen und Deutschland. Die Vertragsverhandlungen dafür laufen im Augenblick.

Drei Auftragswellen bei U-Booten

Wirtz sieht drei mögliche Auftragswellen  bei U-Booten auf die Branche zukommen. Zunächst sei da die Beschaffung in Europa. Dazu gehören 212 CD sowie Italiens Near Future Submarines. Das südeuropäische Land plant die partielle Weiterentwicklung des Typs 212A mit national entwickelten Technologien. tkMS befindet sich hier in Kooperation mit der italienischen Bauwerft  Fincantieri. Darüber hinaus wurden Beschaffungsprogramme in den Niederlanden und Polen aufgelegt. Wobei im Fall von Polen Beobachter bezweifeln, dass das Land neben den Großprojekten im Luftfahrt- und Luftverteidigungsbereich noch ausreichend Mittel für komplexe Marineprogramme freimachen kann.

Eine weitere Beschaffungswelle erwartet der tkMS-Manager aus dem südostasiatischen Raum, die womöglich auch Neukunden bringt. Befördert wird diese Entwicklung offenbar durch die offene Machtpolitik Chinas. Ein wichtiger Partner für die Kieler Werft in der Region ist der  Stadtstaat Singapur, der bereits mehrere Bestellungen in Deutschland lanciert hat. Dabei handele es sich um anspruchsvolle Kunden, die sein Unternehmen herausforderten, sagte Wirtz. So sei beispielsweise Singapur der erste Nutzer, der eine elektrische Rudermaschine erhalte.

Die dritte Welle von neuen Projekten verortet tkMS in Lateinamerika, wo bereits ein Reihe von Ländern U-Boote der Klasse 209 aus Deutschland nutzt. Diese müssen modernisiert oder langfristig ersetzt werden.

Wirtz machte deutlich, dass er die enge Zusammenarbeit des Überwasserbereichs von tkMS – bei dem die Fertigung auf Drittwerften erfolgt – mit dem Unterwasserbereich als Erfolgsrezept für die Zukunft sieht. So lerne letzterer  viel aus der Überwassersparte, weil beispielsweise bei der  Fregatte 125 das Thema Automation sehr stark ausgeprägt sei. Das gleiche gelte für die  Design-Philosophie.

Lernen vom Überwasserbereich

Auch beim Thema IT-Sicherheit habe sich die Lieferung der zwei Lose K130  sowie F125 im Wissen positiv niedergeschlagen. Dadurch könne tkMS die Anforderungen  bei 212 CD erfüllen. Es sei daher ein großer Vorteil, sowohl Über- als auch Unterwassertechnologie im Haus zu haben. Darüber hinaus könne bei geringer Auslastung eines Geschäftsteils – etwa Unterwasser – die Ingenieurkapazitäten für den Überwasserbereich genutzt werden, wo mit statistisch hoher Wahrscheinlichkeit ein Auftrag abzuarbeiten sei. Etwa 70 Prozent des Personals ist nach Einschätzung von Wirtz in beiden Bereichen einsetzbar, der Rest sei auf eine der beiden Sparten spezialisiert. Aus diesem Grund treibt der tkMS-Manager die Integration des Über- und Unterwasserbereichs voran.

„Wir sind sehr glücklich, dass wir die Atlas jetzt bei uns haben“, betonte Wirtz. tkMS hatte vor etwas mehr als zwei Jahren die Airbus-Anteile an dem Bremer Unternehmen, das unter anderem Sonare herstellt, übernommen und war damit zum Alleineigentümer geworden. Dank Atlas Elektronik könne man auf die komplette Wertschöpfungskette zugreifen, so Wirtz.  „Was uns aber fehlt, sind Waffen“, fügte er an.  Wobei er sich wohl in erster Linie auf Flugkörper bezieht, da Atlas Elektronik hoch entwickelte Torpedos im Portfolio hat.

Der Manager geht davon aus, dass man den Kunden in Zukunft gemeinsam mit Kongsberg eine vom U-Boot zu startende Naval Strike Missile (NSM) des norwegischen Unternehmens anbieten wird. Insidern zufolge gibt es auf norwegischer Seite für die Entwicklung der NSM bereits ein Phasenkonzept – eine Ausbaustufe darin soll die Sub-Launch-Fähigkeit vorsehen. Norwegischen Fachkreisen zufolge werden die Boote der Klasse 212 CD bereits für diese Fähigkeit ausgerüstet. Und auch die deutsche Marine wünscht sich nach eigener Aussage die NSM an Bord ihrer neuen Boote.

Wirtz wies darauf hin, dass aufgrund der Waffenentwicklung womöglich bald U-Boot-Missionen wieder möglich werden, die bislang auf Grund der Bedrohungslage als zu riskant eingestuft wurden. So sieht er den  Flugkörper IDAS zur Abwehr von Bedrohungen aus der Luft – insbesondere U-Jagd-Hubschrauber – als verändernden Faktor.  Entwickelt wird IDAS von tkMS und Diehl. Die Operationsfähigkeit der U-Boote wird darüber hinaus durch  neue Torpedos mit extrem hohen Reichweiten von über 100 Kilometern oder dem Anti-Torpedo-Torpedo SeaSpider erweitert. Letzterer wird gegenwärtig von Atlas Elektronik mit einem kanadischen Partner entwickelt und soll dem Vernehmen nach auch in U-Boote eingerüstet werden. Neben Kanada und Deutschland dürften Insidern zufolge auch die Niederlande Interesse am SeaSpider haben. Zumindest hat sich das Nachbarland bereits aktiv an Tests des neuen Abwehrtorpedos beteiligt.

Lithium-Ionen-Zellen werden zugekauft

Als eine neue Technologie auf der Klasse 212 CD werden erstmals Lithium-Ionen-Fahrbatterien eingerüstet. Während tkMS das Know-how zur Entwicklung und Integration der Gesamtbatterie weiterhin beherrschen will, sollen die Lithium-Ionen-Zellen von Zulieferern kommen, wie CEO Wirtz unterstrich. Denn die  Entwicklung bei LIB-Zellen sei so schnell, dass in drei, fünf oder acht Jahren womöglich eine neue Zelltechnologie Standard sei. Ein Volumenhersteller sei in der Lage,  dem Trend zu folgen, „wir können das nicht machen“, sagte der Manager.  Aus diesem Grund sei sein Unternehmen froh,  auf den französischen Batteriehersteller Saft,  einen italienischen Zulieferer oder jemand anderes zurückgreifen zu können. Wobei Zulieferer aus China oder Taiwan offenbar ausgeschlossen werden.

In Italien wird gegenwärtig am Aufbau einer Zellproduktion gearbeitet, die zum Teil für die neuen italienischen U-Boote genutzt werden soll. Während diese Zellen wie die von tkMS bevorzugten auf der Lithium-Eisenphosphat-Chemie basieren, haben die Italiener dagegen die Pouch- statt der zylindrischen Form gewählt.

Die Fähigkeiten und Kapazitäten im Batteriebereich, die bislang sowohl bei Atlas Elektronik sowie tkMS parallel existieren, sollen nach Aussage von Wirtz zusammengefasst werden. Er sieht in der Technologie erhebliches Potenzial. Denn mit Lithium-Batterien könne man die Tauchzeiten deutlich verlängern. Kombiniert mit einer neuen Generation des Außenluft unabhängigen Antriebs (AIP) – tkMS fokussiert sich hierbei auf Brennstoffzellen –  komme man dann in Regionen, die früher nur mit nuklear angetriebenen U-Schiffen möglich waren. Insbesondere Boote, die für die Aufklärung eingesetzt werden, könnten jetzt wochenlang auf Station bleiben.

Wirtz wies darauf hin, dass die Entwicklung der neuen Technologien sehr viel Geld kostet. So wende TKMS pro Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an Eigenmitteln für Forschung und Entwicklung auf. Von diesem Gesamtbetrag erhalte man weniger als fünf Prozent vom Bund zurück. Diese Aufwendungen Könne man jedoch nicht durch den Auftrag für die deutsche und norwegische Marine finanzieren, sondern nur durch den Export in andere Länder. Diese stehen  für 90 Prozent des tkMS-Umsatzes im U-Boot-Bereich.
lah/16.9.2019

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