Anzeige

Hersteller MBDA erhält doch noch Angebotsaufforderung

Nach monatelanger Verzögerung hat die Deutschland-Sparte des europäischen Raketenherstellers MBDA die Aufforderung zur Angebotsabgabe für das milliardenschwere Luftabwehrsystem MEADS/TLVS (Taktisches Luftverteidigungssystem) der deutschen Luftwaffe erhalten. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) habe die entsprechenden Unterlagen am Montag zugestellt, bestätigte ein MBDA-Sprecher.

Das Unternehmen hat die Federführung bei der abschließenden Entwicklung und Umsetzung von MEADS/TLVS und kann nun seine Zulieferer ins Boot holen, um ein Angebot für das Verteidigungsministerium und den Bundestag zu erstellen. In der Angebotsaufforderung sind erstmals Kostenrahmen, Milestones und noch fehlende technische Parameter spezifiziert. Nach Angaben des Sprechers beabsichtigen sowohl MBDA als auch das Verteidigungsministerium, bis Ende 2016 zu einem Vertragsabschluss zu kommen.

Ministerium will alles richtig machen

MEADS (Medium Extended Air Defense System) war als trinationales Rüstungsvorhaben unter Beteiligung der USA, Deutschlands und Italiens gestartet. Die USA waren jedoch aus dem fast fertig entwickelten Projekt im Jahr 2011 ausgestiegen und nur Deutschland hatte sich zur Umsetzung entschlossen. Nach der Entscheidung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für MEADS/TLVS und gegen eine modernisierte Variante des Luftverteidigungssystems Patriot des US-Anbieters Raytheon im Juni 2015 war das BAAINBw mit der Angebotssaufforderung jedoch mehrfach in Verzug geraten. MBDA musste deshalb offenbar die Kosten für das im späteren Projekt benötigte Personal vorhalten. Das wiederholte Verschieben hatte das Ministerium unter anderem damit begründet, am Anfang eines so komplexen und teuren Projektes keine Fehler machen zu wollen. Deshalb habe man externe Beratung – etwa hinsichtlich der juristischen Ausgestaltung – hinzugezogen.

Aufgrund des mittlerweile aufgelaufenen mehrmonatigen Rückstandes, bewerten gut informierte Kreise einen Vertragsabschluss bis Jahresende als äußerst ambitioniert. Der von MBDA mit dem Ministerium ausgehandelte Vertrag muss bis dahin auch noch als so genannte 25-Mio-EUR-Vorlage durchs Parlament gebracht werden. Da im kommenden Jahr der Wahlkampf beginnt, gilt es dann als schwierig, eine Unterschrift unter große Rüstungsprojekte zu bekommen.

Deutschland um weitere Partner bemüht

Spannend dürfte werden, wer in das Projekt MEADS/TLVS mit einem Finanzvolumen von rund vier Mrd EUR als Partner oder Zulieferer eingebunden wird. Als gesetzt gelten der US-Konzern Lockheed Martin mit seiner leistungsgesteigerten Abfangrakete PAC-3 MSE sowie Diehl Defence mit dem Flugkörper Iris-T für kürzere Reichweiten. Da MEADS/TLVS für die Anbindung verschiedener Sensoren ausgelegt ist, sind neben dem von Lockheed Martin entwickelten Rundsuch- oder Surveillance-Radar auch andere Anbieter denkbar. Beim Feuerleitradar (Multifunction Fire Control Radar – MFCR) dürfte vermutlich die MBDA-Lösung gewählt werden, zumal deutsche Komponenten verbaut werden.

Gleichzeitig ist Deutschland bemüht, weitere Partnerländer für die Beschaffung von MEADS zu gewinnen. Nachdem sich die Schweiz und die Niederlande bereits dagegen entschieden haben, scheint neuerdings die Türkei Interesse zu zeigen, wie aus türkischen Presseberichten hervorgeht. Unbestätigten Informationen zufolge gibt es auch bereits Kontakte zwischen Ismail Demir, dem Chef des türkischen Untersekretariats für die Verteidigungsindustrie, und dem deutschen Verteidigungsministerium.

Auch Polen hat Zeitungsmeldungen zufolge mittlerweile wieder Gespräche über MEADS mit dem US-Konzern Lockheed Martin aufgenommen. Und das, obwohl sich das Land im vergangenen Jahr für das System Patriot entschieden hatte, um seine Luftabwehr zu modernisieren. Die neue polnische Regierung scheint jedoch einige Rüstungsprojekte auf den Prüfstand zu stellen. Inwieweit auch das BMVg in die Konsultationen involviert ist, konnte das Ministerium kurzfristig nicht beantworten.
lah/1.3.2016

.i.td-icon-menu-up { display: none; }