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Bei der Tornado-Nachfolge werden Optionen erneut geprüft

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Die neue Bundesregierung will noch zu Anfang der Legislaturperiode ein Nachfolgemuster für das veraltete Kampfflugzeug Tornado beschaffen, wie es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt. Dies ist auch erforderlich, denn der seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts genutzte Flieger lässt sich nur noch  mit erheblichem Aufwand in der Luft halten.

Während die aus dem Amt geschiedene Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU sich dafür ausgesprochen hatte, als Nachfolger des Tornados in der Rolle des Trägerflugzeugs für die Nukleare Teilhabe einen Flottenmix aus 30 F/A-18 Super Hornets und 15 EA-18G Growler zu beschaffen, kündigte ihre Nachfolgerin Christine Lamprecht kurz nach ihrer Amtseinführung im vergangenen Jahr an, sich alle Optionen zur Tornado-Nachfolge vorlegen zu lassen. Wobei die Ministerin aus ihrer Präferenz für eine europäische Lösung keinen Hehl machte. Vor wenigen Tagen berichtete dann die dpa, dass das Verteidigungsministerium den Stealth-Flieger F-35 als mögliches Tornado-Nachfolgemuster erneut prüfe.

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Offenbar sind damit alle Varianten für die Tornado-Nachfolge wieder auf dem Tisch, wie unserer Redaktion aus SPD-Kreisen bestätigt wird. Unterdessen erwartet Boeing unverändert bis Ende dieses Monats auf den so genannten Letter of Request for Letter of Acceptance für die 45 angebotenen Flugzeuge, wie ein Sprecher auf Nachfrage sagte. Man habe aus dem Ministerium und dem Beschaffungsamt BAAINBw keine Informationen, dass am Zeitplan etwas geändert werde. Im Rahmen des so genannten Foreign- Military-Sales-Verfahrens werden mit dem Letter of Request Preise und Lieferzeiten abgefragt. Allerdings wird damit noch kein Vertrag begründet. Ein Abbruch des FMS-Verfahrens oder eine Nichtbestellung ist weiterhin möglich.

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Schweiz und Finnland wollen F-35

In jüngster Zeit musste sich Boeing bei zwei europäischen Beschaffungsprogrammen dem Konkurrenten Lockheed Martin geschlagen geben. So haben sowohl die Schweiz als auch Finnland für die F-35 von Lockheed Martin optiert. In der Schweiz hatte Boeing die Super Hornet angeboten, in Finnland die Kombination aus Super Hornet und Growler. Wie Boeing waren auch die europäischen Mitbewerber in beiden Ländern nicht zum Zuge gekommen.

Sollte sich die Bundeswehr für die F/A-18 entscheiden, müsste das Flugzeug eigens für das Tragen von US-Nuklearwaffen zertifiziert werden, da die US-Streitkräfte dafür andere Flugzeuge vorsehen, unter anderem die F-35. Diese Extrakosten – die auch bei einer Zertifizierung des Eurofighters für die Nukleare Teilhabe anfallen würden –  entfallen bei der Beschaffung des Stealth-Flugzeuges der 5. Generation. Um die eigene Luftfahrt-Industrie zu stützen, könnte es für Deutschland jedoch sinnvoll sein, den Eurofighter in den USA für die Nukleare Teilhabe zertifizieren zu lassen, wie es in der Vergangenheit auch für den Tornado gemacht wurde. Das Argument, wonach der Eurofighter-Hersteller Airbus die damit verbundene Daten-Offenlegung nicht akzeptieren würde, scheint bereits von der Realität überholt zu sein. Wie es aus Industriekreisen heißt, hat Belgien im Rahmen seines F-16-Nachfolgewettbewerbs von den Anbietern die Fähigkeit zur Nuklearen Teilhabe gefordert, was jene US-Zertifizierung beinhaltet. Und Airbus hat dies dem Vernehmen nach in seinem Angebot zugesichert. Letztendlich haben sich die Belgier dann aber doch für die F-35 entschieden.

Tornados bis 2030 im Einsatz

Wichtig ist für Deutschland, dass die Fähigkeit zur Nuklearen Teilhabe bruchfrei sichergestellt werden kann, wenn die Tornados Ende dieses Jahrzehnts ausgemustert werden. Um das Flugzeug bis dahin weiter nutzen zu können, werden laut dem aktuellen Rüstungsbericht derzeit neue Technologien zur Behebung von Obsoleszenzen, etwa beim Selbstschutz, eingerüstet.  Dem Vernehmen nach steht überdies die Einrüstung von so genannten Laser-guided Sidewinder für den Luft-Boden-Einsatz unmittelbar bevor.

Während die Beschaffungskosten der F-35 als vergleichsweise moderat gelten, liegen die Betriebskosten für die von den US-Streitkräften eingesetzten Maschinen deutlich über den ursprünglichen Projektionen und sind über die Jahre noch gestiegen, wie das US Accountabilty Office (GAO) in einem Bericht vom Sommer vergangenen Jahres deutlich gemacht hat.

Mit Blick auf die in der Regel überproportional hohen Betriebskosten kleiner Flugzeugflotten, gibt es in Parlamentskreisen offenbar bereits Gedankenspiele, wonach man wenige Dutzend F-35 der Bundeswehr zusammen mit den Niederlanden betreiben könnte. Im Bereich des Lufttransports funktioniert die Zusammenarbeit zwischen mehreren NATO-Ländern im Rahmen des europäischen Lufttransportkommandos in Eindhoven bereits erfolgreich.

Zunächst aber müsste sich das BMVg tatsächlich auf die F-35 festlegen. Dabei hatte das Ministerium unter CDU-Führung das Flugzeug seinerzeit unter anderem mit Rücksicht auf Frankreich aus der Betrachtung als Tornado-Nachfolger herausgenommen, um damit nicht eine Abkehr vom gemeinsamen Future Combat Air System (FCAS) zu signalisieren.

Welche Rolle die Befindlichkeiten Frankreichs für die neue Bundesregierung spielen, lässt sich im Augenblick nur schwer beurteilen. Offensichtlich schien aber zuletzt wenig Bereitschaft im BMVg vorhanden zu sein, den Partnern jenseits des Rheins beim FCAS noch weiter entgegenzukommen. Denn weiterhin steht die Unterzeichnung des Industrievertrages für die Phase 1b von FCAS aus, da sich die beiden Unternehmen Dassault und Airbus Defence and Space im Technologiefeld oder Pillar 1 von FCAS, dem New Generation Fighter (NGF), nicht einigen können. Die Deutschen befürchten, dass aus den Forderungen von Dassault etwa hinsichtlich der Flugsteuerung Beschränkungen hinsichtlich des Technologiezugriffs für Dritte bis hin zu so genannten Black Boxes ergeben könnten. Dies würde jedoch dem Geist des FCAS-Ansatzes widersprechen, wonach alle drei Partner den Zugang zur gemeinsam entwickelten Technologie haben sollen.

Stillstand bei FCAS-Teilprojekten

Offenbar hat Airbus die Ansage aus dem BMVg erhalten, keine weiteren Zugeständnisse an Dassault zu machen. Damit können die Arbeiten an den anderen sechs Pillars, für die bereits Verträge vorliegen, nicht beginnen. Für die beteiligten Unternehmen bedeutet dies womöglich, dass sie das für FCAS abgestellte Personal bezahlen müssen, ohne beim Projekt voranzukommen.

Und in internationalen Medien wird bereits darüber spekuliert, dass Frankreich aufgrund des jüngsten Milliardenauftrags für die Lieferung von Rafale-Jets an die Vereinigten Arabischen Emirate genug Finanzmittel zur Verfügung hat, um das Flugzeug allein weiterzuentwickeln und aus FCAS auszusteigen.

Vor diesem Hintergrund halten es immer mehr Beobachter für realistisch, dass der FCAS-Industrie-Vertrag nicht vor den französischen Präsidentschaftswahlen im April unterzeichnet wird. Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly hatte Ende vergangenen Jahres in einer Anhörung gesagt, dass sie mit einer Signatur im ersten Halbjahr 2022 rechne. Schließlich gilt FCAS als hochpolitisches Projekt, das auf Leitungsebene von Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel vereinbart wurde.  Während die Kanzlerin nicht mehr im Amt ist, bleibt abzuwarten, wer in Frankreich zum nächste Präsident gewählt wird.
lah/13.1.2021