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Endspurt bei Entscheidung zur Tornado-Nachfolge

Das Verteidigungsministerium will bis Ende März eine Entscheidung über das Nachfolgemuster des betagten Tornados für die Rolle der so genannten nuklearen Teilhabe treffen. Darüber informierte Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer am Mittwoch vergangener Woche Mitglieder des Bundestags-Verteidigungsausschusses, wie aus Berliner Politikkreisen zu vernehmen ist.

Nach ihrer Amtsübernahme im vergangenen Jahr hatte die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht angekündigt, alle Optionen für die Tornado-Nachfolge erneut zu prüfen und damit die Entscheidung ihrer Vorgängerin zum Kauf eines Flotten-Mixes von Maschinen der Typen Eurofighter, F/A-18 Super Hornet und EA-18G Growler ebenfalls auf den Prüfstand gestellt. Als weitere mögliche Nachfolgemuster des Tornados in der Nuklearrolle gelten die F-35 sowie der Eurofighter.

Wie aus Parlamentskreisen zu vernehmen ist, hat Zimmer jedoch am Mittwoch auf den hohen Zeitbedarf hingewiesen, der für die Zertifizierung des Eurofighters von Airbus zum Tragen von US-Nuklearwaffen erforderlich wäre, der bei rund einer Dekade liegen soll. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass dieses Flugzeugmuster nicht mehr rechtzeitig die Rolle des Tornados bei der nuklearen Teilhabe übernehmen könnte. Trifft dies zu, würden nur die Flugzeuge von Boeing und Lockheed Martin als Träger von Atombomben im Rennen verbleiben.

In einem am Freitag in der FAZ veröffentlichten Interview wies der CEO von Airbus Defence and Space, Michael Schöllhorn, dagegen darauf hin, dass die Zertifizierung des Eurofighters in den nächsten Monaten starten müsste, um die Tornados fristgemäß bis 2030 zu ersetzen. „Falls diese Deadline verpasst wird, dann wären Fakten geschaffen, die den Kauf von amerikanischen Jets fast schon erzwingen“, so Schöllhorn. Offenbar hält der Airbus-Manager eine Zertifizierung des Eurofighters weiter für möglich. Bereits 2018 hatte Airbus dem Verteidigungsministerium ein entsprechendes Angebot vorgelegt, auf das dem Vernahmen nach nicht geantwortet wurde.

Ein weiterer in der Diskussion befindlicher Vorschlag sieht daneben vor, den Eurofighter für den elektronischen Kampf aufzurüsten, um die Nachfolge des ECR-Tornados anzutreten. ECR steht für Electronic Combat Reconnaissance. Die Tornados mit dieser Fähigkeit werden unter anderem dazu eingesetzt, gegnerische Radaranlagen und Luftverteidigungssysteme zu lokalisieren und zu bekämpfen. Innerhalb der NATO eine nur von wenigen Nationen angebotene Fähigkeit. Würde dieser Ansatz verfolgt, könnte womöglich eine Kombination von F-35 und „ECR-Eurofightern“ beschafft werden.

Der Haken dabei ist nur, dass es Jahre dauern und viel Geld kosten dürfte, den Eurofighter entsprechend weiterzuentwickeln. Ob Airbus und Hensoldt rechtzeitig vor Außerdienststellung des ECR-Tornados eine Variante des Kampfflugzeugs mit vergleichbaren Fähigkeiten, wie sie der Growler aufweist, entwickeln könnten, ist in Fachkreisen umstritten.

Auf der anderen Seite würde Deutschland hier Kompetenzen aufbauen, die bislang nicht vorhanden sind und vermutlich auch im Rahmen eines Future Combat Air Systems (FCAS) nutzbar wären. Ob sich diese Entwicklung bei der gegenwärtigen Haushaltsplanung finanzieren ließe, ist eine weitere offene Frage.

Nach Angaben von Boeing hat allein Entwicklung und die Integration eines Jammers der neuesten Generation in den Growler bis zum vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden US-Dollar verschlungen und Jahre in Anspruch genommen. Schließlich gilt die Integration von Fähigkeiten zum Electronic Warfare in ein Flugzeug als hochkomplex, da andere Flugsysteme nicht gestört werden dürfen. Bisher nutzen nur die US Navy und die Royal Australian Air Force den Growler. Für die Deutsche Luftwaffe wäre die Einführung vermutlich ein großer Fähigkeitssprung und der NATO könnte ein Hochwert-Ressource bereitgestellt werden.

Nach Einschätzung von Boeing, dem Hersteller der F/A-18 Super Hornet und EA-18G Growler, ist die Zeit ein kritischer Faktor beim Ersatz der deutschen Tornado-Flotte. Und nach der Entscheidung der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Jahr 2020, 30 F/A-18 für die Nuklearrolle sowie 15 EA-18G Growler im Rahmen eines Foreign-Military-Sales (FMS)-Verfahrens zu beschaffen, sind die Vorbereitungen für den Kauf stetig vorangetrieben worden. So habe man in den vergangenen 18 Monaten in elf Arbeitsgruppen, an denen die deutsche und die US-Regierung sowie Boeing und wichtige Zulieferer beteiligt seien, Aspekte des Boeing-Angebotes diskutiert und bei Studien unterstützt, sagt Michael Hostetter, Boeings Vice President Defense, Space & Security – Germany.

Die Zulassung der F/A-18 für die Nuklearrolle sieht Hostetter als unproblematisch an. In den US-Streitkräften ist dieses Flugzeugmuster nicht für das Tragen von Nuklearwaffen vorsehen und müsste für den deutschen Kunden dafür eigens zertifiziert werden. Die US-Regierung habe zugesagt, dass die Flugzeuge bei Ablieferung an Deutschland für die Rolle zugelassen seien, betont Hostetter. Der Boeing-Manager schätzt, dass die Auslieferung ab 2026 oder 2027 starten könnte, sollte demnächst ein Vertrag geschlossen werden. Gegenwärtig liege die Produktionsrate der F/A-18 im Werk von St. Louis bei zwei Flugzeugen pro Monat, könne aber auf vier Maschinen erhöht werden. Der eigentlich bis Ende Januar erwartete Letter of Request der Bundesregierung im Rahmen des FMS-Verfahrens sei jedoch noch nicht abgeschickt worden, räumte Hostetter ein.

Während sich Boeing bereits auf eine Lieferung seiner Flugzeuge an Deutschland eingestellt hat und dies in seinen Planungen berücksichtigt, müsste F-35-Produzent Lockheed Martin bei einer Entscheidung des BMVg für das Flugzeugmuster vermutlich seine Produktionspläne kurzfristig umstellen. Da die deutsche Amtsseite bisher nur die Vorbereitungen für ein Geschäft mit Boeing getroffen hat, bestünde auch hier Nachholbedarf. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die US-Streitkräfte gegebenenfalls die eigenen F35-Lieferpläne anpassen würden, um Deutschland den bruchfreien Übergang bei der nuklearen Teilhabe zu ermöglichen. Inwieweit die deutsche Industrie dann an einem solchen Projekt teilhaben könnte, ist ungewiss. Boeing hat zumindest sein Interesse an Partnerschaften mit der deutschen Wirtschaft öffentlich gemacht und nach eigenen Angaben 26 Firmen angesprochen.

Während die Vorgängerregierung den Ausschluss der F-35 offenbar auch mit Rücksicht auf Frankreich und das FCAS-Projekt begründet hat, bleibt abzuwarten, wie sich die neue Ampel-Regierung hierzu positioniert. Zumal die Hängepartie bei FCAS weiter andauern dürfte, da sich Dassault und Airbus nicht auf eine Aufgabenteilung beim Pillar 1, dem New Generation Fighter, einigen können. Insider rechnen jetzt sogar damit, dass womöglich erst im Sommer oder gar Herbst eine Lösung gefunden wird – wenn überhaupt. Dagegen will Airbus-Manger Schöllhorn nicht ausschließen, dass sich die beiden Parteien noch vor dem Frühsommer einigen.
lah/21.2.2022

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