Die Vertragsverhandlungen zur Beschaffung des zukünftigen Luftverteidigungssystems TLVS/MEADS für die Bundeswehr zwischen BMVg und den Anbietern MBDA sowie Lockheed Martin laufen offenbar nur mit halber Kraft. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, fehlen noch immer wichtige Sicherheitsabkommen zwischen den USA und Deutschland. Damit können Themen, die die US-amerikanischen International Traffic in Arms Regulation (ITAR) betreffen und streng geheim sind, nicht diskutiert werden.
Die noch ausstehende Sicherheitsfreigabe betrifft dem Vernehmen nach die diversen Beraterfirmen, die das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw als externe Unterstützung in den Verhandlungsprozess einbezogen hat. Solange diese Firmen keine Sicherheitsfreigabe von US-Seite erhalten, dürfen sie offenbar nicht an den Gesprächen zwischen Lockheed Martin und dem BAAINBw teilnehmen. Aus diesem Grund wurden Fragen, die ITAR betreffen, seit Verhandlungsbeginn Ende Mai ausgeklammert. Dabei dürften ITAR-Komponenten eine wichtige Rolle für TLVS/MEADS spielen. Schließlich hatten die USA bei der trinationalen MEADS-Entwicklung mit Deutschland und Italien den größten Kostenanteil geschultert und würden wesentliche Hardware- und Software-Elemente beisteuern.
Ob die Verzögerung darauf zurückzuführen ist, dass das BAAINBw die Sicherheitsfreigabe für einzelne Berater verspätet beantragt hat, oder ob andere Gründe ursächlich sind, ist nicht bekannt. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, hofft man jetzt, dass die USA noch im laufenden Monat den deutschen Beratern grünes Licht erteilen. Auf jeden Fall dürfte sich der Zeitplan für TLVS/MEADS weiter nach hinten verschieben. Ob – wie geplant – das Projekt überhaupt noch im kommenden Jahr in die parlamentarische Befassung geht, bleibt somit spannend. Bereits heute liegt das Vorhaben Jahre hinter seinem ursprünglichen Zeitplan. Vor diesem Hintergrund fragen sich Beobachter, ob MBDA weiter gewillt und wirtschaftlich in der Lage sein wird, umfangreiche Ressourcen zu investieren.
Unabhängig von den ITAR-Themen können die Vertragspartner jedoch andere Punkte abhandeln – etwa die Auswahl der Radargeräte für den Mittel- und Weitbereich. Denn hier sollen Kreisen zufolge außer dem Weitbereichsradar von Lockheed Martin nur europäische Produkte im Rennen sein. Dem Vernehmen nach könnte hier womöglich noch vor Weihnachten eine Entscheidung fallen.
International dürfte der Fortgang des TLVS/MEADS-Projektes von Interesse sein, da auch andere Staaten ihre Luftverteidigung modernisieren wollen. Nachdem die Schweiz ihr Projekt Bodluv völlig neu aufsetzen will, könnte – je nach Entscheidung der Politik – auch hier TLVS/MEADS wieder ins Spiel kommen. Bei anderen Ländern scheint zumindest im Augenblick der Zug abgefahren zu sein. So will Rumänien das US-System Patriot beschaffen, während Schweden dem Vernehmen nach zwischen Patriot und SAMP/T auswählen will. So soll jeweils eine Einheit beider Systeme am gerade abgeschlossenen Manöver Aurora der schwedischen Streitkräfte teilgenommen haben.
lah/11.10.2017