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tkMS mit guten Zahlen vor wichtiger Entscheidung

Lars Hoffmann

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In den kommenden Wochen dürften die Weichen gestellt werden für die Herauslösung des Marinewerft thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) aus dem Essener Mutterkonzern. Wie thyssenkrupp (tk) im gestern veröffentlichten Zwischenbericht für das erste Geschäfts-Halbjahr von Oktober 2023 bis März 2024 schreibt, hat sich der Konzern mit der Investmentgesellschaft Carlyle darauf verständigt, in eine vertiefende Prüfung und Bewertung (Due Diligence) der Marinesparte einzusteigen.

Wie aus Fachkreisen zu vernehmen ist, haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Auch die Gewerkschafter der sogenannten Begleitkommission für die Herauslösung haben sich mit Vertretern von Carlyle getroffen. Ein Sprecher der IG Metall bezeichnete die Gespräche als „konstruktiv“.  

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Man habe die eigenen Entwürfe einer sogenannten Best-and-Fair-Owner-Vereinbarung übergeben und warte nun auf eine Rückmeldung der potenziellen Investoren. Vorgesehen ist nach den Vorstellungen der Gewerkschaft ein zweiteiliges Vertragswerk: Ein Tarifvertrag mit tkMS und tk, in dem Arbeitsplätze, Standorte, Tarifverträge, Investitionen und Mitbestimmungsstrukturen abgesichert werden sowie eine Vereinbarung mit Carlyle, die diesen Tarifvertrag und einen vom IG Metall-Vorstand formulierten Investorenkodex in Bezug nimmt.

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Jetzt ist es offenbar an Carlyle zu entscheiden, ob das Interesse an einem Einstieg besteht. Wie der Essener Konzern im Halbjahresbericht schreibt, werden parallel „auch weitere Möglichkeiten der Verselbstständigung am Kapitalmarkt sondiert“. Zeitgleich laufen dem Bericht zufolge Gespräche mit der Bundesregierung zur Beteiligung des Staates am Marinegeschäft von thyssenkrupp. Ob die staatseigene KfW-Bank ihre Vorprüfung im Auftrag des Bundes bereits abgeschlossen hat, ist indessen unklar. Ein Sprecher des BMVg konnte dies auf Anfrage nicht bestätigen. Ob und wie sich der Bund bei tkMS engagieren wird, bleibt damit unklar.

Die Gewerkschaften favorisieren offenbar den Verkauf an Carlyle – bei Erfüllung bestimmter Bedingungen – gegenüber einem Börsengang von tkMS. Gleichzeitig fordern sie einen Staatseinstieg, wie aus einem jüngst von der IG Metall an die Mitglieder verschickten Infobrief zu entnehmen ist. Darin heißt es: „Den Verselbstständigungsprozess gestalten Arbeitnehmer und Unternehmen bisher erfolgreich gemeinsam. Der mögliche Staatseinstieg gibt uns Sicherheit.“ Das dürfe nicht durch falsche Entscheidungen des Vorstands gefährdet werden, schreibt die Gewerkschaft. Einen möglichen Börsengang über einen Spin-Off, bei dem die Anteilseigner von thyssenkrupp Anteile an dem neuen Marine-Unternehmen bekommen, erteilen die Gewerkschafter eine Absage. Denn dann sei nicht klar, welche die möglichen Ankerinvestoren seien und mit wem Verträge zur Absicherung geschlossen werden könnten.

Einem Einstieg von Carlyle steht auch die CDU-geführte Landesregierung von Schleswig-Holstein positiv gegenüber, wie Ministerpräsident Daniel Günther gestern in einem dpa-Interview sagte. Seinen Worten zufolge würde die Verselbständigung von tkMS den Marinestandort Schleswig-Holstein und Kiel weiter stärker. Gleichzeitig betonte er, dass die Arbeitsplätze am Standort langfristig gesichert werden müssten. Allein in Kiel beschäftigt das Unternehmen rund 3.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insgesamt verfügt tkMS den Zahlen des letzten Halbjahres zufolge über fast 7.900 Mitarbeitende – ein Plus von rund 500 gegenüber der gleichen Vorjahresperiode.

Beobachter warten jetzt mit Spannung auf den 23. Mai. An diesem Tag triff sich der Aufsichtsrat von thyssenkrupp zur nächsten Sitzung. Womöglich werden dann weitere Beschlüsse zur Verselbständigung der Marinesparte getroffen. Sicher ist das aber nicht. Die IG Metall hat für den Termin bereits einen Aktionstag angekündigt und will Delegationen aus den Betrieben an der Küste entsenden, um auf ihre Anliegen bei der Verselbständigung von tkMS und seiner Tochterunternehmen hinzuweisen.

Insgesamt haben sich die Zahlen für tkMS im letzten Quartal positiv entwickelt. So hat Marine Systems sowohl den Auftragseingang mit 140 Millionen Euro (Vorjahr: 135 Millionen Euro) als auch den Umsatz mit 532 Millionen Euro (Vorjahr: 497 Millionen) gesteigert. „Aufgrund der positiven Projektentwicklung im Über- und Unterwasserbereich setzte sich die stabile Umsatzentwicklung weiter fort“, heißt es im gestern veröffentlichten Zwischenbericht. Das spiegele sich auch im Bereinigten EBIT wider, das mit 25 Millionen Euro deutlich über dem Vorjahr (14 Millionen Euro) lag.

Und auch auf einem wichtigen Auslandsmarkt bekommt die Werft Unterstützung von der Bundesregierung. Wie das US-Fachportal Breaking Defense schreibt, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius seinem kanadischen Amtskollegen Bill Blair vorgeschlagen, dass Kanada in das norwegisch-deutsche Vorhaben zur Beschaffung von U-Booten der Klasse U212 CD einstiegen solle. Blair habe dies bei einer Veranstaltung der Defense Writers Group in Washington gesagt, heißt es in dem Artikel. Pistorius hatte bei seinem Besuch in Ottawa am 11. Mai den Vorschlag einer „trilateralen strategischen Partnerschaft“ zwischen den drei Ländern vorgeschlagen, die offenbar auch die gemeinsame U-Boot-Beschaffung umfasst.

Lars Hoffmann