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Nur noch wenige Wochen bleiben für eine Einigung

Die Entwicklung eines europäischen Future Combat Air Systems (FCAS) steht vor der nächsten Hürde. Die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und Spaniens müssen erhebliche Finanzmittel bereitstellen, um die anstehenden Studienphasen 1B und 2 zu finanzieren, an der deren Ende in den Jahren 2026/27 flugfähige Demonstratoren stehen sollen.

Dabei drängt vor allem in Deutschland die Zeit. Denn die entsprechenden 25-Mio-Vorlagen für die Studien müssen noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag, wenn es nicht zu einer längeren durch den Wahlkampf und die anstehende Regierungsbildung verursachten Verzögerung kommen soll.  Vor dem Hintergrund der täglich steigenden Kosten der Corona-Pandemie in den drei beteiligten Staaten könnte ein Aufschub womöglich zu schmerzlichen Einschnitten bei FCAS führen.

Nachdem die Industrie offenbar nur zum Teil ihre Angebote für die nächste Studienphase abgegeben hat, sind außerdem noch grundsätzliche Fragen zur Ausgestaltung der Studien zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien ungelöst. Dazu gehört die Zuordnung der so genannten Intellectual Property Rights (IPR) an den neu zu entwickelnden Produkten.

 Man habe nur noch zwei Wochen Zeit, die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen, sagte der CEO von Airbus Defence and Space, Dirk Hoke, am Donnerstag während einer virtuellen Presserunde des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) in Berlin. Der Airbus-Manager hat dabei offenbar den parlamentarischen Abstimmungsprozess in Deutschland im Blick. Dieser muss rechtzeitig angestoßen werden, um bis zur Sommerpause des Bundestages zu Ergebnissen zu führen.

Neben den IPR, bei denen in erster Linie die Regierungen der drei Staaten ein Übereinkommen finden müssen, hakt es offenbar auch in der Industrie. Nur für fünf der sieben so genannten Pillars haben die beteiligten Unternehmen gültige Angebote abgegeben, wie es aus gut informierten Kreisen heißt. Gerade bei den beiden wichtigsten Pillars, dem New Generation Fighter (NGF) und dem Triebwerk, fehlen die Angebote.

So haben sich Dassault und Airbus beim NGF dem Vernehmen nach nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen können. Angeblich soll Dassault einen höheren Anteil an der Studie für sich beanspruchen als das Drittel, das dem Konzern aufgrund der gleichgewichteten Beteiligung aller drei Staaten zusteht.

Beim Triebwerk haben den Kreisen zufolge Safran und MTU zwar ein Angebot eingereicht, das allerdings vom spanischen Partner ITP Aero nicht mitgetragen wird und damit als unwirksam gilt. ITP Aero gehört zu Rolls Royce, steht jedoch zum Verkauf. Vor wenigen Tagen kursierten Gerüchte, wonach MTU Interesse an einer Übernahme haben könnte. Nicht nur, dass die Best and Final Offers für die beiden Pillars noch fehlen. Womöglich könnten diese auch über den vorgegebenen Budgetlinien liegen, was mehr Zeit für Nachverhandlungen erfordern würde.

Beobachter stellen sich überdies die Frage, woher die über zwei Milliarden Euro kommen sollen, die Deutschland für seinen Anteil an den Studien in den kommenden Jahren beitragen muss. Schon heute scheinen nicht alle geplanten Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr mit Mitteln aus dem Einzelplan 14 unterlegt zu sein.

Selbst wenn eine Einigung zwischen der Industrie und den nationalen Behörden hinsichtlich der strittigen Fragen in den kommenden Tagen erfolgen sollte, muss die Vorlage noch durch die parlamentarischen Ausschüsse des Bundestages. Auch hier sind Überraschungen nicht auszuschließen, wie die Weigerung der SPD dokumentiert, israelische Drohnen zu beschaffen.

Jedes Land ein Demonstrator?

Nach Aussage von Reinhard Brandl, der für die CSU im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss sitzt, besteht ein hohes politisches Interesse an einer Einigung.  Es dürften um den Preis der Einigung allerdings keine falschen Kompromisse gemacht werden, warnte er in der BDLI-Runde.  Er wünscht sich, dass jedes der drei teilnehmenden Länder einen flugfähigen Demonstrator des zukünftigen Kampfflugzeugs erhält. Dies sei besser als ein zentraler Demonstrator, der bei Dassault stehe.

Brandl empfahl überdies, die Entwicklungskosten für FCAS in Zukunft nicht mehr aus dem Einzelplan 14 zu finanzieren.  Andernfalls könne das Verteidigungsministerium unter Druck geraten, die Mittel für andere Projekte zu verwenden, die zu einer schnelleren Verbesserung der Ausstattung führen.

Neben der Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs der sechsten Generation umfasst FCAS auch unbemannte Plattformen, die so genannten Remote Carrier, sowie eine Air Combat Cloud, mit der bereits genutzte und noch zu entwickelnde Plattformen zu einem „System of Systems“ verschmolzen werden sollen. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, forderte in diesem Zusammenhang, dass in das zukünftige System auch andere NATO-Partner wie Großbritannien und die USA mit eingebunden werden müssen. Es gehe außerdem darum eine „Connectivity“ herzustellen, die auch die Anbindung älterer Flugzeuge berücksichtige.

Nach Aussage von Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, ist es der Wunsch, auch im Verteidigungsbereich Industriepolitik zu machen. Er wirbt dafür, dass Deutschland im Rahmen von FCAS einen Schwerpunkt bei der Software-Entwicklung legt und seine Kompetenz hier ausbaut. Diese sei wichtig, um das System of Systems zu beherrschen. „Es ist sinnvoll und richtig, dass in Europa die Systeme gemeinsam entwickelt werden, anstatt dass es jeder für sich alleine macht. Wir werden genau darauf achten, dass es hier eine Partnerschaft auf Augenhöhe gibt“, kündigte der Politiker an.

Nach Aussage von Michael Schreyögg, BDLI-Vizepräsident Verteidigung & Sicherheit und MTU-Vorstand, bietet FCAS die große Chance, Europas Eigenständigkeit in Verteidigungsfragen zu untermauern. Damit verbunden sei vor allem auch Aufbau und Stärkung einer echten europäischen Supply Chain für diese Hochtechnologiebereiche und ein Technologietransfer in den zivilen Bereich. Schreyögg kündigte an, dass sein Unternehmen „in den kommenden Wochen“ ein Joint Venture mit Safran zur Triebwerksherstellung gründen wird.

Im Rahmen der Joint Concept Study wird seit 2019 die Konzeption von FCAS vorangetrieben. Anfang 2020 erfolgte mit der Beauftragung der Demonstratorphase 1A der Auftakt für die Technologiedemonstration und -Reifmachung. Den nächsten Meilenstein stellt die Beauftragung der Demonstratorphase 1B dar, in der weitere Vorbereitungen für die Demonstratoren geleistet werden sollen. Die nächsten Wochen könnten darüber entscheiden, ob diese Beauftragung auch wirklich wie geplant erfolgt.
lah/29.1.2021

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