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Hensoldt will Produktportfolio ausbauen

Der deutsche Sensorspezialist Hensoldt will offenbar seine Angebotspalette ausweiten und womöglich Radare für die Abwehr ballistischer Raketen (BMD) und für die Feuerleitung von Lenkflugkörpern entwickeln. Damit würde eine Lücke geschlossen, nachdem Hensoldt mit der Übernahme von Kelvin Hughes sein Portfolio um Navigationsradare erweitert hat.

Bei der Modernisierung der Fregatten der Klasse 124 mit einem neuen BMD-fähigen Radar sei der Auftraggeber noch nicht so weit, eine Entscheidung zu treffen, erläuterte Erwin Paulus, Leiter des Bereichs Radartechnik bei Hensoldt, am Rande der Messe DSEI in London. Dennoch wolle sein Haus ein solches Radar anbieten. Dies basiere auf dem Familienkonzept des Radars TRS-4D der F125, das auch für das MKS 180 vorgesehen ist. Auch bei bestimmten Landanwendungen sei das Familienkonzept sinnvoll, weil damit sehr hohe „Kommunalitäten“ verbunden seien, so der Hensoldt-Manager weiter. In der Regel müssten nur die Sendeleistungen über die Antennenstrukturen angepasst werden. Seinen Worten zufolge  verwenden alle Radare gleiche oder ähnliche Bauteile.

Als  Alternative zu einem Hensoldt-BMD-Radar für die F 124 gilt das Radar Smart-L EWC von Thales. Dieser aus dem Smart-L-Radar, das heute auf den niederländischen, dänischen und deutschen Luftverteidigungsfregatten eingerüstet ist,  weiterentwickelte Sensor wurde bereits bei komplexen Probeschießen in der Nordsee erfolgreich getestet.  Thales befindet sich bereits in der Endfertigung von sechs Geräten dieser neuesten EWC-Variante für die niederländische Marine und Luftwaffe. Obwohl Hensoldt bislang noch kein BMD-Radar fertiggestellt hat, ist Hensoldt-Manager Paulus optimistisch, dass ein aus dem TRS-4D weiterentwickelter Sensor den Anforderungen für die Raketenabwehr genügen würde. Seiner Aussage zufolge lassen sich die entsprechenden Leistungsparameter „relativ gut extrapolieren“. Dabei sei man überzeugt, dass mit einem fest installierten Mehrpanel-S-Band-Radar bessere Leistungen erzielt würden als mit einem rotierenden L-Band-Radar. So ermögliche ein Mehrpanel-Radar, längere Zeit auf dem Ziel zu bleiben und gleichzeitig weiter das Umfeld zu überwachen. Werde dagegen das Smart-L EWC auf das Ziel fokussiert und damit festgestellt, sei es nicht mehr für den Eigenschutz einsetzbar. Vor der  Entscheidung für eines der beiden Angebote hat  sich das BMVg offenbar noch fachliche Unterstützung bei IABG geholt.

Beim Bau eines BMD-Marineradars könne man auf die Erfahrung bei der Entwicklung des TRML-4D – der Landvariante des maritimen TRS-4D zurückgreifen, erläuterte Paulus. Dieses Landradar habe die verdoppelte Antennenfläche, um die Anforderungen der Effektoren an Genauigkeit und Reichweite zu erfüllen. „Wir trauen uns das zu, weil wir glauben, dass es im Wesentlichen ein Skalierungsfaktor ist.“

Wie Paulus weiter ausführte, werde man ein solches BMD-Radar nicht „ins Blaue hinein“ entwickeln, sondern warte die Entscheidungen des Auftraggebers ab. Es gebe jedoch auch Synergien, wenn es um das Thema Weitbereichsradar bei TLVS/Meads gehe. Hier könne man das gleiche Radar für den Landbereich anbieten. Offenbar möchte Hensoldt den Zuschlag für den Weitbereich bei TLVS/Meads erhalten. Im Rahmen des Meads-Vorhabens hatte Lockheed Martin ein Weitbereichsradar entwickelt, das Tests zufolge optimal auf das gesamte System abgestimmt sein soll. Allerdings bringe dieses UHF-Radar einige Nachteile mit sich, erklärte  Paulus. So sei das Radar „eigentlich“ in Friedenszeiten nicht zu betreiben. Etwa weil die Hohe Strahlung Radio- und Handyempfang massiv störe.

Hensoldt macht sich überdies Hoffnungen, beim Mittelbereichsradar von TLVS mit dem genannten TRML-4D ausgewählt zu werden. Gut informierten Kreisen zufolge, hatte MBDA auf Basis einer Risikostudie zunächst das Radar Giraffe 4 von Saab als Mittelbereichssensor für TLVS vorgeschlagen. Dabei wurde unter anderem bewertet, wie der Sensor mit der Luftverteidigungsrakete Iris-T SL von Diehl harmoniert. Hensoldt war nach eigener Aussage zunächst mit dem TRS-4D Konzept ins Rennen gegangen und in der Leistung offenbar den Schweden unterlegen.

Danach habe man realisiert, dass man mehr aus der Iris-T herausholen kann, wenn man das Radar nachbessert. Dafür habe man sich dann auch entschieden, sagte Paulus. Die Tests mit dem neuen Radar wurden mittlerweile abgeschlossen. „Die Simulationen sind gelaufen und das Konzept ist bestätigt“, sagte der Hensoldt-Experte.  Man stecke jetzt eigenes Geld in die Endentwicklung. Es gebe durchaus Interesse aus weiteren Ländern, betonte er. Dabei biete man ein Komplett-Waffensystem zusammen mit Diehl an. Diehl war in der Vergangenheit vor allem zusammen mit Saab – mit den Schweden arbeiten die Überlinger auch beim Seezielflugkörper RBS-15 zusammen – auf internationalen Märkten aufgetreten. So etwa für das Vorhaben Bodluv in der Schweiz, das womöglich bald wieder aufgenommen werden könnte.

Außer mit Rundsuchradaren will sich Hensoldt in Zukunft auch mit dem Thema Feuerleitradaren beschäftigen. So wird für das MKS 180 neben dem Rundsuchradar auch eine Feuerleitlösung benötigt. „Wir haben da ein Konzept, das wir anbieten können“, sagte Paulus. Das Angebot sei erfolgt und man müsse jetzt warten, wie sich der Auftraggeber entscheide. Von einer solchen Entscheidung könne durchaus auch Signalwirkung für andere Plattformen ausgehen. Seinen Worten zufolge hat Hensoldt auch am Apar-Radar von Thales mitgearbeitet, das gegenwärtig auf der F124-Klasse als Feuerleitradar verwendet wird. Kreisen zufolge hat Hensoldt den Missile Waveform Generator bei Apar entwickelt.

Angebunden sind die Radare an ein Battle-Management-System, das bei der F125 von Atlas Elektronik geliefert wurde. Auch beim MKS 180 kommt Atlas Elektronik als ein Anbieter infrage. Marktgerüchten, wonach Hensoldt an Teilen von Atlas Elektronik interessiert sein soll, wollte Celia Pelaz, Leiterin Strategic Business Development von Hensoldt, in London nicht kommentieren. Sie räumte allerdings ein: „Der Überwasserbereich von Atlas würde ins Portfolio passen.“ Nach ihrer Aussage will sich Hensoldt in Zukunft von einem Sensor – zu einem Solutions-House weiter entwickeln.
lah/14.9.2017

 

 

 

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