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Ernste Probleme mit SARah-Aufklärungssatelliten

Lars Hoffmann

Einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge sind die beiden Ende Dezember in den Weltraum geschossenen Radar-Aufklärungssatelliten des SARah-Systems der Bundeswehr noch nicht funktionsfähig. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte den Artikel. Es bestehe zwar Kontakt zu den Satelliten, aber es gebe Verzögerungen bei der Inbetriebnahme, sagte er. Die Industrie arbeite an einer Lösung.

Wie eine Sprecherin des Hauptauftragnehmers für SARah, der Bremer OHB SE, auf Nachfrage sagte, kann ihr Unternehmen „zum jetzigen Zeitpunkt“ keinen weiteren Kommentar zu dem Sachverhalt abgeben. Man befinde sich noch in der Phase der Inbetriebnahme. Sie wollte sich auch nicht dazu äußern, ob die Satelliten versichert sind.

Das Projekt SARah (Synthetic Aperture Radar altitude high) besteht laut Bundeswehr aus zwei Bildaufklärungssatelliten der Firma OHB auf Basis der „Synthetic Aperture Radar-Reflektorantennen“-Technologie und einem weiteren Aufklärungssatelliten der Firma Airbus mit der „Synthetic Aperture Radar-Phased Array“-Technologie mit Strahlschwenkung. Weiterhin gehören zum System die Bodensegmente zur Überwachung, Steuerung und Bildbeauftragung bzw. Bildentgegennahme sowie zwei Bodenstationen – davon eine in Schweden – zur Kommunikation zwischen den Satelliten und den Bodensegmenten.

Dem Artikel der Bildzeitung zufolge können die beiden am 24. Dezember mit einer SpaceX-Rakete von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien gestarteten Satelliten möglicherweise ihre Antennen nicht ausfahren. Das Blatt beruft sich dabei auf Industriekreise.

Bereits Anfang Februar war auf einer Seite des auf den globalen Weltraum-Markt spezialisierten Datenanalysten Seradata zu lesen, dass womöglich einer der beiden im Dezember in den Weltraum beförderten SARah-Satelliten Probleme hat, weil der Ausfahrmechanismus für die Reflektor-Antenne versagt haben könnte. Sollte auch der Ersatzmechanismus nicht funktionieren, könne dies zu einem Versicherungsfall in Höhe von 120 Millionen Dollar führen, wurde seinerzeit gemutmaßt.

Generell werden Satelliten vor ihrem Transport ins All umfassend auf Funktionsfähigkeit überprüft. Dies war offenbar auch beim Projekt SARah der Fall. „Die Satelliten befanden sich vom 03.12.2021 bis zum 26.04.2022 zur Qualifizierung bezüglich der Umwelttests (im Sinne der Weltraumtauglichkeit) in unserem Raumfahrttestzentrum“, teilte dazu ein Sprecher der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) mit. Sein Unternehmen habe die OHB-Reflektorsatelliten unter den vertraglich vereinbarten Bedingungen und Umfängen geprüft und die Ergebnisse vollständig an den Auftraggeber übergeben. „Das dem Vernehmen nach von einer Störung betroffene Sub-System war nicht Gegenstand des Auftrags und somit nicht im Versuchsumfang enthalten“, betonte der IABG-Sprecher.

OHB ist Hauptauftragnehmer für das SARah-Projekt, Airbus Hauptunterauftragnehmer. Das Bremer Unternehmen war bereits 2013 vom Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw mit der Entwicklung und dem Bau des Aufklärungssystems beauftragt worden. Das Gesamtvolumen des Auftrags lag seinerzeit bei 816 Millionen Euro. Der Start der Systeme ins All wurde in den Folgejahren mehrfach verschoben.

Die OHB SE befindet sich nach eigenen Angaben im Mehrheitsbesitz der Gründerfamilie Fuchs. Ende vergangenen Jahres ist der US-Finanzinvestor KKR mit einer Minderheitsbeteiligung in das Unternehmen eingestiegen. Die Private-Equity-Gesellschaft hat bereits Erfahrungen in Deutschland im Bereich der Rüstung durch die Übernahme von Hensoldt nach dessen Herauslösung aus dem Airbus-Konzern gemacht. KKR hat den Sensor-Spezialisten später erfolgreich an die Börse gebracht.

Da der von Airbus gebaute Satellit, der größer als die beiden anderen ist, bereits im Juni 2022 in den Orbit geschossen wurde und seit Oktober 2023 operationell eingesetzt wird, gehen Insider davon aus, dass gegenwärtig etwa 50 Prozent der von SARah erwarteten Leistung zur Verfügung stehen. Einem Artikel des „Focus“ zufolge verfügen die gegenwärtig noch im Einsatz befindlichen SAR-Lupe-Satelliten noch für zwei bis drei Jahre Treibstoff für den Weiterbetrieb. Aus diesem Grund dürfte gegenwärtig noch eine gute Aufklärungsabdeckung gegeben sein.

Die neuen Satelliten haben nach Angaben der Bundeswehr eine von den Herstellern garantierte Lebensdauer von zehn Jahren. Das neue System sei im Vergleich zum Vorgänger, dem Satellitenaufklärungssystem SAR-Lupe, deutlich leistungsstärker und komme mit nur drei Satelliten aus. Zum SAR-Lupe-System gehören fünf im Verhältnis zu den SARah-Satelliten kleinere Reflektor-Satelliten.

Insbesondere weise die Auflösung der Bilder einen höheren Detaillierungsgrad auf, der in einem Bild erfasste Raum habe sich vergrößert und durch mehr Speicher die Anzahl der Bilder erhöht. Die Übertragung der Satelliten an die Bodenstation, die bei SAR-Lupe oftmals nur um etliche Stunden zeitversetzt möglich war, werde in der neuen Konstellation durch mehr Rechenkapazität beschleunigt und durch die Nutzung weiterer Bodenstationen noch einfacher werden.

Da das Ministerium und der Betreiber keine weiteren Informationen zum Stand des Projektes und möglichen Implikationen geben, bleibt unklar, wie hoch die Chancen sind, dass die Satelliten doch noch zum Einsatz gebracht werden können.  Und falls dies nicht der Fall sein sollte, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Lars Hoffmann

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