Der auf den Bau von Satelliten spezialisierte OHB-Konzern aus Bremen will in den kommenden Jahren eine eigene Trägerrakete entwickeln, die Nutzlasten von 200 bis 500 Kilogramm ins All befördern soll. Der Erstflug wird voraussichtlich 2021 stattfinden, wie ein OHB-Sprecher erläuterte.
Bei der Konzeption der Rakete werde ein Low-Cost-Ansatz verfolgt, so der Sprecher weiter. Ein OHB-Team mit rund 35 Mitarbeitern, das in Augsburg angesiedelt ist, soll unter dem Namen “Rocket Factory Augsburg GmbH” (RFA) einen so genannten Mini-Launcher entwickeln. Wesentliche Teile des Launchers sind offenbar bereits entwickelt und getestet worden. Finanziert wird das Vorhaben allein aus Mitteln des OHB-Konzerns.
Laut Sprecher steht im Augenblick noch nicht fest, ob der Launcher wiederverwendbar sein wird. Es müsse noch geprüft werden, ob dies für eine kleine Rakete sinnvoll sei. In den USA hat die von Elon Musk gegründete Firma SpaceX mit ihrer Falcon 9 vor wenigen Jahren erstmals bewiesen, dass Raketen nach abgeschlossener Mission im Orbit wieder auf der Erde landen können. Die Wiederverwendbarkeit von Raketenstufen gilt als wichtiger Faktor zu Kostenreduktion.
Gegenwärtig arbeitet auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit europäischen Partnern an Konzepten zur Entwicklung einer rückwärts landenden Rakete unter der Bezeichnung RETALT. Binnen drei Jahren sollen die entwickelten Technologien umfangreich getestet werden. „Davon ausgehend können in Folgeprojekten Prototypen gebaut und tatsächlich im Weltall getestet werden“, schreibt das DLR. Laut DLR ist ein Partner bei RETALT die MT Aerospace aus Augsburg – ein OHB-Tochterunternehmen. MT Aerospace liefert unter anderem Strukturbauteile für das europäische Trägersystem Ariane und hat auch die NASA als Abnehmer gewonnen. OHB würde seine neue Rakete offenbar auch bei MT Aerospace produzieren lassen.
„Eine eigene Rakete ist für OHB ein folgerichtiger
Schritt”, sagte Vorstandschef Marco Fuchs in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. “Wir werden da erst einmal unser eigener Kunde sein und eigene Satelliten in den Orbit bringen.” Laut OHB-Sprecher wird daran gedacht, bei einer solchen Konstellation die Satelliten-Software zur Steuerung der neuen Low-Cost-Rakete zu nutzen. Dies wäre ein weiterer Beitrag zur Kostensenkung. Das Unternehmen sieht darüber hinaus einen wachsenden Markt für derartige Mini-Launcher in den kommenden Jahren.
Ein wichtiger Kunde von OHB ist auch die Bundeswehr. So hat das Unternehmen unter anderem die Aufklärungssatelliten des Typs SAR-Lupe gebaut und wird auch die Nachfolgesysteme unter der Bezeichnung SARah liefern. Als Trägersystem ist übrigens die amerikanische Falcon-9-Rakete vorgesehen.
Da Satelliten aufgrund von verbesserten Sensorleistungen immer kleiner konstruiert werden können, käme womöglich auch das Verteidigungsministerium als zukünftiger Nutzer des Mini-Launchers in Betracht. Denn in letzter Zeit sehen offenbar immer mehr Staaten den Weltraum als möglichen Austragungsort von Konflikten. Dadurch könnte sich eine Strategie die auf mehr kleine als auf wenige große Satelliten setzt an Bedeutung gewinnen. Denn auf diese Weise ließe sich der Ausfall oder Abschuss einzelner Systeme einfacher kompensieren.
Im Augenblick steht nach Aussage des Sprechers noch nicht fest, von wo die neue Rakete starten wird. Seiner Aussage zufolge kommen jedoch durchaus europäische Standorte in Frage. So bemühten sich beispielsweise Norwegen, Schottland, Schweden und Portugal um die Entwicklung von entsprechenden Startplätzen.
lah/30.8.2019