Das Verteidigungsministerium hat sich mehr als ein Jahr nach Beginn des Ausschreibungsprozesses verbindlich auf ein ausgewähltes Rundsuchradar für das zukünftige Mehrzweckkampfschiff 180 festgelegt. Darüber hinaus verzögert sich der nächste Meilenstein im Projektmanagement des Beschaffungsvorhabens.
Offenbar bereits vor einigen Wochen hat der Bund als fixe Produktvorgabe das Radar TRS-4D von Hensoldt für das MKS 180 festgelegt. Damit sind Radare anderer Hersteller ausgeschlossen. Wie ein Pressesprecher des BMVg mitteilte, erfolgte die Entscheidung aus logistisch-betrieblichen Gründen. Die Auswahl sei insbesondere aufgrund der hohen Kommunalität mit Radargeräten ähnlicher Spezifikation – wie sie auf Schiffen der Klassen K 130 und F 125 eingesetzt werden – getroffen worden. „Die Forderung nach Kommunalität stellt einen der Grundgedanken im Vergabeverfahren MKS 180 dar“, so der Sprecher weiter.
Laut BMVg wurden die Bieter am 31. März im Vergabeverfahren MKS 180 zur Abgabe eines zweiten Angebotes aufgefordert. Bei den Bietern handelt es sich um die Werftkonsortien Lürssen/TKMS, GNYK/BAE Systems sowie Damen/Blohm+Voss. Das zweite Angebot soll den Angaben des BMVg zufolge nach Rückkopplung mit den Bietern Ende Dezember 2017 abgegeben werden. Ursprünglich war die Angebotsabgabe für Ende September vorgesehen.
Der Termin im Dezember ermögliche der Industrie, „einen stetigen Informationsfluss mit uns aufrechtzuerhalten und die von uns überarbeitete Leistungsbeschreibung zu berücksichtigen“, teilte der BMVg-Sprecher weiter mit. Damit entspreche der Projektverlauf dem Vergaberecht.
Mit der Terminverschiebung um drei Monate soll den Anbietern offenbar Zeit eingeräumt werden, um die Parameter des nicht rotierenden TRS-4D-Radars in ihrem Schiffsdesign abzubilden. Weder GNYK, Lürssen noch Damen wollten sich auf Nachfrage zu den Auswirkungen der Radarauswahl und der Terminverschiebung auf ihr Angebot äußern.
Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, könnte die Damen-Werft am stärksten von den veränderten Anforderungen betroffen sein, da die Niederländer angeblich Radare von Thales aus Hengelo in ihr Angebot integrieren wollten. Trifft dies zu, dürfte die Umstellung des Designs mit erheblichem Aufwand verbunden sein. Wie eine Damen-Sprecherin erläuterte, stehen dem Unternehmen mehrere Optionen zur Verfügung, auf die Änderungen zu reagieren. Was das im Einzelnen sein könnte, ließ sie allerdings offen. Jedoch scheint das Unternehmen – zumindest im Augenblick – nicht vor die Vergabekammer des Bundeskartellamtes gegangen zu sein. Denn nach Angaben des BMVg von Ende vergangener Woche befindet sich das Projekt MKS 180 in keinem Nachprüfungsverfahren.
Wird Hensoldt Feuerleitradar entwickeln?
Insider in Deutschland hatten schon seit längerem vermutet, dass sich das BMVg für das TRS-4D entscheiden würde. Radare dieser modernen Baureihe sind auch auf den im Zulauf befindlichen Fregatten der Klasse F 125 installiert. Die finalen Abnahmetests für diesen Schiffstyp laufen erst seit einigen Monaten, wobei das Radar dem Vernehmen nach die Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen haben soll.
Da das MKS 180 im Gegensatz zur F 125 über weitreichende Schiff-Luft-Raketen verfügen soll, wird neben dem TRS-4D noch ein Feuerleitradar benötigt. Es dürfte spannend werden, welches Produkt für das Mehrzweckkampfschiff ausgewählt wird. Die Luftabwehrfregatten der Klasse 124 nutzen zur Feuerleitung das hochentwickelte APAR-Radar von Thales. Auch auf den Fregatten der Klasse F 123 ist eine Thales-Lösung im Einsatz. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, denkt Hensoldt nun daran, ein eigenes Feuerleitradar für das MKS zu entwickeln. Sollte dies zutreffen, würde das Unternehmen sein Portfolio um eine fehlende Komponente erweitern und Deutschland seine Sensorik-Kompetenz ausbauen. Schließlich gilt Radartechnik als Schlüsseltechnologie, die im nationalen Zugriff zu halten ist. Ein Hensoldt-Sprecher lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Mit der Auswahl von Hensoldt als Lieferanten für das Rundsuchradar dürften sich auch die Chancen anderer deutscher Hersteller verbessern, einen Anteil an dem Vorhaben zu bekommen. So hat etwa Atlas Elektronik bereits bei der F 125 das TRS-4D in sein Führungs- und Waffeneinsatzsystem eingebunden.
Auf jeden Fall verschiebt sich mit der Produktsetzung das Beschaffungsvorhaben weiter. Für das Verteidigungsministerium offenbar kein Problem. Die jetzt investierte Zeit werde sich am Ende des Projektes in einer risikofreieren Konstruktion und Fertigung nach Vertragsschluss auszahlen, betonte der BMVg-Sprecher. „Wir setzen den Vergabeprozess mit Hochdruck fort, um zügig einen endverhandelten Vertrag vorliegen zu haben, damit die Marine die erste Fregatte Mitte der nächsten Dekade erhält.“
lah/3.8.2017