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Unklarheiten bei vielen Positionen

Nachdem gestern der Wirtschaftsplan für das 100-Mrd-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr bekannt geworden ist, herrscht heute hinsichtlich vieler der darauf verzeichneten Beschaffungsvorhaben Unklarheit.

Während einerseits sehr detaillierte Angaben vorhanden sind, etwa dass Funkgeräte des Typs PRC-117G im Bereich Digitalisierung/Führungsfähigkeit beschafft werden sollen, sind an anderer Stelle Großprojekte aufgeführt ohne auf Details einzugehen- etwa in der Dimension Land.

Dort werden als Beschaffungsposten die Nachfolge des Schützenpanzers Marder sowie die Nachfolge des Transportpanzers Fuchs aufgeführt. Ob als Marder-Nachfolger nur der Schützenpanzer Puma oder auch ein Radschützenpanzer auf Boxer-Basis in Frage kommt, bleibt dabei offen. Auch bei der Fuchs-Nachfolge gibt es keine Erklärungen. So könne womöglich neben dem Boxer auch ein ausländisches Modell aufgrund des deutlich niedrigeren Preises in Frage kommen, munkelt man in Berliner Fachkreisen.

Nicht explizit im Wirtschaftsplan enthalten sind die immer wieder kolportierten 20 Milliarden Euro für Munition. Die sollen offenbar aus dem regulären Haushalt bezahlt werden. Dies dürfte aber nur möglich sein, weil laufende Projekte, die bereits im Einzelplan 14 abgebildet sind, in das Sondervermögen geschoben werden können, wie Insider vermuten. Ob es sich damit bei den im Wirtschaftsplan angeführten Korvetten, Fregatten oder U-Boote um zusätzliche Einheiten handelt, scheint unklar zu sein. Lediglich bei den Marineflugzeugen ist die Ansage klar. Hier ist von der „Beschaffung weiterer Seefernaufklärer“ die Rede.

In der Dimension Luft, die mit rund 41 Milliarden Euro den größten Batzen den Sonderfonds erhalten soll, ist der Ausgabenpunkt „Bodengebundene Luftverteidigung“ ohne weitere Angaben aufgeführt. Darunter kann sich relativ viel verbergen. Angefangen von der Drohnenabwehr über den Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS), die Aufstockung der Patriot-Batterien bis zur territorialen Flugkörperabwehr. Für letztere scheint das israelische System Arrow 3 im Augenblick offenbar gegenüber dem THAAD der US-Streitkräfte die Nase vorn zu haben, wie es aus Parlamentskreisen heißt. Interessant wird auch sein, ob die Bundeswehr ihre begrenzten Patriot-Kapazitäten ausbauen will. Gegenwärtig verfügt die Luftwaffe lediglich über 12 Batterien des Systems, von denen einige im Augenblick zudem an der NATO-Ostflanke stationiert sind.

Auch beim Munitionsvorrat scheint deutlicher Nachholbedarf zu bestehen – gerade vor dem Hintergrund der Quantität russischer Raketenangriffe auf die Ukraine. Gut informierten Kreisen zufolge denken deshalb offenbar die Industriepartner MBDA sowie Raytheon darüber nach, eine von MBDA betriebene Produktionslinie für den Patriot-Flugkörper PAC 2 GEM-T in Schrobenhausen aufzubauen, von wo auch andere europäische Patriot-Nutzer wie Schweden oder die Schweiz beliefert werden könnten. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass eine Mindestanzahl der Abwehrraketen von der Bundeswehr und anderen europäischen  Streitkräften geordert wird. Beobachter warten deshalb mit Spannung darauf, was sich hinter dem Posten der bodengebundenen Luftverteidigung verbirgt.
lah/1.6.2020