Der französische Antriebsspezialist Safran Helicopter Engines und die deutsche ZF Luftfahrttechnik GmbH haben am Dienstag eine Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung eines neuen Triebwerks für Starrflügler unterzeichnet. In dem Memorandum of Agreement werde das Ziel festgelegt, ein Turboprop-Triebwerk für den europäischen Markt für Militäranwendungen anzubieten – insbesondere für den unbemannten Bereich sowie Ausbildungs- und Transportflugzeuge, heißt es in einer Mitteilung beider Unternehmen. Wie auf der anschließenden Pressekonferenz von ZF und Safran deutlich wurde, geht es dabei insbesondere um den Antrieb der zukünftigen Eurodrohne, die unter Federführung von Airbus Defence and Space entwickelt werden soll.
Ob der französisch-deutsche Vorschlag für den Antrieb allerdings tatsächlich das Rennen macht, scheint im Augenblick noch offen zu sein. „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keinen Triebwerkslieferanten ausgewählt“, teilte Airbus auf Nachfrage mit. Aufgrund des gegenwärtig laufenden Ausschreibungsverfahrens zur Drohne wollte das Unternehmen jedoch keine weiteren Aussagen machen.
ZF liefert das Zusatzgetriebe
Im Rahmen der bilateralen Firmenkooperation ist die ZF Luftfahrttechnik zudem als strategischer Partner für das Propeller-Getriebe und das Zusatzgetriebe des projektierten Ardiden 3TP-Triebwerks vorgesehen. Dieses von Safran entwickelte Triebwerk biete der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie ein ausgereiftes Design mit wettbewerbsfähigen Betriebs- und Wartungskosten, heißt es in der Mitteilung.
Die laute den beiden Herstellern angestrebte rein europäische Lösung basiert auf dem Ardiden 3-Haupttriebwerk von Safran und beinhaltet Technologien, die im Rahmen eines Technologie-Demonstrators entwickelt wurden. Der Demonstrator befindet sich bereits seit dem vergangenen Jahr in Frankreich im Bodentest.
„Die Unterzeichnung des Memorandum of Agreement ist für uns ein wichtiger Meilenstein in der Partnerschaft mit Safran Helicopter Engines“, sagte Burkhard Siebert, Geschäftsführer der ZF Luftfahrttechnik GmbH. Die Innovationskraft dieser Kooperation garantiere die Entwicklung eines leistungsstarken und wettbewerbsfähigen Antriebssystems, das vielfältige Anwendungsfelder biete.
ZF-Sparte steht weiter zum Verkauf
Die Vereinbarung fällt in eine Zeit des Umbruchs bei der ZF-Luftfahrtsparte. Denn trotz der mit Safran vereinbarten Zusammenarbeit und der europäischen Dimension des Vorhabens hält der ZF-Konzern an seiner Absicht fest, die Niederlassung in Calden bei Kassel zu verkaufen, wie Siebert bestätigte. Seinen Worten zufolge befindet sich Prozess noch in einem sehr frühen Stadium.
Wie sein Namensvetter Bernd Siebert, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss, auf der Pressekonferenz ausführte, rechnet er mit mehr als 60 neuen Arbeitsplätzen in Calden, sollte das Projekt zum Laufen kommen. Wie sein Büro auf Nachfrage mitteilte, könnte sich die Zahl der neuen Jobs sogar auf rund 100 erhöhen, wenn sämtliche vor- und nachgeordneten Bereiche mit einbezogen werden. Gegenwärtig beschäftigt ZF an diesem hessischen Standort rund 400 Mitarbeiter.
Florent Chauvancy, Vertriebsleiter von Safran Helicopter Engines, sagte auf der Konferenz: „Wir sind stolz darauf, einen sehr erfahrenen deutschen Partner wie die ZF Luftfahrttechnik GmbH an unserer Seite zu haben. Durch diese Partnerschaft wird Ardiden 3TP von hochmodernen Industrieunternehmen in Deutschland und Frankreich entwickelt, produziert und servicetechnisch unterstützt. Die Partnerschaft schützt die europäischen Interessen bei strategischen Starrflügelprogrammen und eröffnet zukünftige Exportchancen.“
Nach Angaben des Safran-Managers verhandelt sein Unternehmen gegenwärtig mit Piaggio, um das italienische Unternehmen als weiteren Partner ins Boot zu holen. Auch in Spanien laufen laut Chauvancy gegenwärtig entsprechende Verhandlungen. Falls man mit Piaggio zu keinem Ergebnis komme, werde voraussichtlich ein anderes italienisches Unternehmen an die Stelle treten. Allerdings sei Piaggio das letzte verbleibende Unternehmen in Italien mit Triebwerksexpertise, räumte der Safran-Manager ein. Nach Aussage von Chauvancy sollen mit Polen, Belgien, Tschechien und Österreich noch weitere europäische Staaten in die Supply Chain eingebunden werden.
Im Eurodrohnen-Vorhaben, das von Airbus Defence and Space auf industrieller Seite geführt wird, sind die vier Staaten Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien beteiligt. Deutschland wird mit 21 Maschinen voraussichtlich die größte Flotte des neuen Flugzeuges betreiben und hat die Federführung des Programms. Nach letzten Planungen will das BMVg noch dieses Jahr das Milliardenprojekt durch den Bundestag bringen und im vierten Quartal einen Vertrag schließen.
Produkt ohne ITAR-Auflagen
„Das Turboprob-Triebwerk erfüllt durch seine anpassungsfähige Architektur und eine flexible Geräteintegration die Anforderungen unserer Kunden auch in Hinblick auf einfache Wartung und Instandhaltung. Gleichzeitig stärken wir in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Bedeutung der europäischen Luftfahrtindustrie nicht nur durch den Aufbau industrieller Kernkompetenzen, sondern vor allem durch die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in Frankreich und Deutschland“, betonte ZF-Manager Siebert. Er wies darauf hin, dass in dem Antrieb keine US-Komponenten verbaut werden, die der amerikanischen Exportkontrolle gemäß den so genannten ITAR-Regeln unterliegen.
Das Triebwerk Ardiden 3TP ist laut Hersteller für den Betrieb in mittleren und großen Höhen bis zu 45.000 Fuß optimiert und soll einfach zu betreiben sein – dank einer speziellen Drosselklappe und einer Steuerungseinheit, die die Leistung sowie die Propellersteigung steuert. Neben ZF soll der deutsche Propellerhersteller MT-Propeller ebenfalls an dem Projekt beteiligt werden, genauso wie der Kugellager-Spezialist FAG.
Ardiden 3TP basiert nach Angaben von Safran auf Tech TP, einem Forschungs- und Innovationsprogramm von Clean Sky 2, das Technologien validiert, die für die Entwicklung einer neuen Generation von Turboprop-Triebwerken erforderlich sind. Seit Juni 2019 seien diese Tests stetig vorangeschritten. Tech TP zeichne sich durch eine kompakte und leichte Architektur aus und reduziere den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen um 15 Prozent gegenüber heutigen Triebwerken.
Laut Hersteller bewegt sich das Ardiden 3TP im Leistungsbereich von 1.700 bis 2.000 PS. Zwei von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit zertifizierte Modelle, der Ardiden 3C und 3G, haben demnach mehr als 10.000 Teststunden absolviert. Safran-Manager Chauvancy geht davon aus, dass 2022 oder 2023 bereits ein flugfähiges Demonstratortriebwerk zur Verfügung stehen wird. Damit befinde man sich im Zeitplan für die Entwicklung der Eurodrohne.
lah/22.7.2020