Das deutsche Heer sieht die Ausstattung ihrer Einheiten mit Digitaltechnik als eines der größten Projekte der kommenden Jahre. Um neue Produkte und die Verknüpfung von Plattformen mit Software zu testen, wird nach Aussage von Generalmajor Reinhard Wolski ein Systemzentrum für die Digitalisierung landbasierter Operationen aufgebaut. Der Chef des Amtes für Heeresentwicklung betonte am Dienstag in seinem Vortrag auf einer DWT-Konferenz in Bonn, dass mittlerweile der Software-Anteil an allen Landfahrzeugen „extrem hoch“ sei. Im Mittelpunkt des Systemzentrums soll offenbar der Schützenpanzer Puma mit seinem umfassenden Software-Paket stehen.
Gleichzeitig will das Heer noch im laufenden Jahr einen neuen Test- und Versuchsverband 4.0 benennen, der die Digitalisierung der Landstreitkräfte (Dila) – früher als Motako/Motiv bezeichnet – begleiten soll. Insider rechnen damit, dass diese Einheit als Bataillonsequivalent mit Panzern, Panzergrenadieren, Unterstützungskräften sowie CIRR und Sanitätern aufgestellt wird. Die ersten Tests sollen dem Vernehmen nach 2019 starten.
Wie Wolski weiter ausführte, will das Heer dem Generalinspekteur außerdem drei innovative Forschungsvorhaben vorschlagen: In einem dieser drei Projekte soll die Nutzung von Bildern der Aufklärungsdrohne Luna im Kampfhubschrauber Tiger vorangetrieben werden. Das zweite Vorhaben befasst sich mit der Anwendung neuer Tarntechnologien und im dritten Projekt soll der Einsatz von so genannten Unmanned Ground Vehicles untersucht werden.
Langfristig rechnet der Chef des Amtes der Heeresentwicklung mit einer Evolution der Einsatzgrundsätze der Landstreitkräfte, die sich womöglich tiefgreifend auf die Bereiche Ausbildung, Rüstung und Infrastuktur auswirken könnte. Er begründet diese Veränderung damit, dass die Entscheidungsschleife observe, orient, decide, act (OODA-Loop) mit Blick auf einen zukünftigen Gegner weiter verkürzt werden muss und das Prinzip Sensor-to-Shooter in den Fokus rückt.
Nach Aussage von Wolski wird ein einzelner Soldat mit einem Sensor in Zukunft – die Berechtigung vorausgesetzt – einen operativen Feuerbefehl geben können. Im angelsächsischen Sprachraum wird eine solche Funktion mitunter als „Strategic Sergeant“ bezeichnet. Wolski verwies dabei auf die in Afghanistan gemachten Erfahrungen, wo rund 50 Nationen in das Joint-Fires-Konzept eingebunden waren und Wirkmittel anfordern konnten, die nur von wenigen Allianzpartnern – allen voran den USA – bereitgestellt wurden.
Unter anderem, um den OODA-Loop zu verkürzen, sei eine verbesserte Führungsfähigkeit des Heeres erforderlich. „Wir müssen also ein neues Battlefield-Management-System bauen“, so der General. Dabei werde die Integration der Fahrzeugplattformen innerhalb der gegenwärtig bei der NATO in Entwicklung befindlichen Fahrzeugstandards – vor allem in die Fähigkeitsdomänen Aufklärung und Wirkung – einbezogen. Unbemannte Systeme werden nach Aussage von Wolski ebenfalls integriert.
Hinsichtlich der Digitalisierung geht Wolski davon aus, dass nicht mehr das gesamt Heer auf einen einheitlichen Technologiestand hochgerüstet werden kann. Vielmehr müssten einzelne Einheiten – etwa Brigaden – ähnlich einer Fregatte auf einen Stand gebracht werden. Die nächsten „Fregatten“ müssten jedoch entsprechend dem jeweiligen Innovationszyklus ein höheres Niveau erhalten. Dabei müssten jedoch alle Verbände untereinander kompatibel bleiben.
lah/31.1.2018