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BMVg, Airbus und Luftwaffe mit umfassendem Angebot

Das BMVg, der Hersteller Airbus und die Luftwaffe haben ein umfassendes Angebotspaket geschnürt, um den Eurofighter als Nachfolgemuster für die betagten F/A-18 der Schweizer Luftwaffe  zu positionieren. Am Freitag stellten sich Vertreter der drei Partner sowie des Bundeswehrbeschaffungsamtes BAAINBw bei einer Medien-Präsentation auf dem Luftwaffenstützpunkt Payerne im Kanton Waadt der Schweizer Presse. Eine Besonderheit  an der Offerte war die Aufforderung an die Schweiz, auch weitergehende Themen wie die Anflugproblematik für den Flughafen Zürich-Kloten sowie den Bahnausbau im Rheintal im Rahmen des Flugzeuggeschäftes zu diskutieren.

Die Schweiz plant im Rahmen des Rüstungsprogramms  Air2030 die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen als Ersatz ihrer in die Jahre gekommenen F/A-18 sowie einer bodengebundenen Luftverteidigung großer Reichweite und will dafür maximal acht Mrd CHF zur Verfügung stellen. Wobei in dieser Summe die gesamten Lebenszykluskosten der Waffensysteme und nicht nur der Systempreis abgebildet werden.

Tests in den kommenden Monaten

Als potenziell in Frage kommende Flugzeugmuster wurde der Eurofighter von Airbus, der Rafale von Dassault, die F/A-18 Super Hornet von Boeing, die F-35 von Lockheed Martin sowie der Gripen von Saab ausgewählt. Alle Unternehmen haben einen von der schweizerischen Beschaffungsbehörde armasuisse vorgelegten Fragenkatalog beantwortet und sollen in den kommenden Monaten ihre Flugzeuge in der Schweiz bei Tests vorführen. Den Anfang macht Airbus aufgrund des Vorgehens nach dem Alphabet. Die Journalisten hatten bei dem Event die Gelegenheit, die Flugzeuge beim Start und nach Abschluss einer Testmission zusammen mit Schweizer Kampffliegern auch bei der Landung zu beobachten.

Der zweisitzige Eurofighter/Typhoon der Royal Air Force nach der Landung in Payerne. Foto: lah

Die Deutschen gingen bei  ihren Ausführungen in Payerne weniger auf die technischen Details des Eurofighters ein, sondern vielmehr auf Fragen der gemeinsamen Zusammenarbeit mit der Eidgenossenschaft. So  bietet Deutschland dem Nachbarland volle Transparenz bei der Flugzeugtechnik. Es würden keine Black Boxes verkauft, sagte BAAINBw-Programmdirektor Rüdiger Knöpfel. Die Schweiz erhalte Einblick, wie die Bits im Netzwerk des Fliegers eine Anzeige im Display produzierten.   Das Nachbarland könne überdies entscheiden, ob es in Kooperation mit den Eurofighter-Partnerländern das Flugzeug oder lieber in eigener Hoheit betreiben wolle. Der Jet erlaube dies aufgrund seiner hohen Datenautonomie.

Eurofighter ideal für Luftpolizeidienst

Die Flugleistungen gepaart mit der Avionik seien adäquat für die Schweiz, sagte Knöpfel.  Der Flieger gilt aufgrund seines guten Schub-Gewicht-Verhältnisses als ideal für den Luftpolizeidienst und die damit verbundenen Alarmstarts – eine wichtige Aufgabe für die Schweizer Luftwaffe in Friedenszeiten. Aufgrund der guten Steigleistung – laut Hersteller wird eine Höhe von 30.000 Fuß in 90 Sekunden erreicht – verlässt der  Flieger schnell den Bereich von hoher Lärmbelästigung für die Bevölkerung.

Ministerialdirigent Ralf Schnurr aus dem BMVg  beschrieb es als ungewöhnlich, dass sein Ministerium zusammen mit dem Hersteller Airbus bei einer Verkaufspräsentation auftritt. Es sei das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass dies geschehe. Schnurr bezeichnete die Sicherung des europäischen Luftraumes als gemeinsames Anliegen der Schweiz und Deutschlands. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Eurofighter der Tranche 1 zumindest teilweise mit 36 der modernsten Eurofighter-Version zu ersetzen, eröffne für die Schweiz die Möglichkeit einer typgleichen Beschaffung. Dabei sprechen die Deutschen von einem idealen Zeitfenster, da die Luftwaffe ab 2024 die Tranche 4 erhalten soll. Für die Schweiz  kann ab 2025 der Zulauf erfolgen. Der Kauf baugleicher Flugzeuge durch beide Staaten wurde als risikolose Lösung für die Schweiz herausgestellt.

Um die Schweiz zu unterstützen, seien im BMVg neue Strukturen etabliert und mit Personal besetzt worden, sagte Schnurr.  Man sei bereit, über den Bereich der Kooperation in Sicherheitsfragen hinauszugehen. „Eine Kooperation ist für uns auch denkbar in Politikfeldern. Zum Beispiel bei Infrastruktur und bei Energie.“ Schnurr forderte die Schweiz auf, in diesen Bereichen mit Deutschland in den Dialog zu treten. Zumal die Angelegenheiten über die Zuständigkeit des BMVg hinausgehen. Auf Nachfrage konkretisierte er die Felder der Zusammenarbeit: Man könne  über die seit Jahren ungelöste Frage des Anflugs auf den Flughafen Zürich-Kloten und den Ausbau der Bahnstrecke in der Oberrheinebene auf deutscher Seite diskutieren.  Beim Anflug auf Zürich gibt es Differenzen mit süddeutschen Gemeinden aufgrund der erwarteten Lärmbelastung.

Montage in der Schweiz denkbar

Nach Angaben des Airbus-Managers Bernhard Brenner kann der Flugzeug-Konzern ein glaubwürdiges Konzept für die gestellten Offset-Forderungen vorlegen. Gefordert sind Leistungen in Höhe von 100 Prozent der Beschaffungskosten. Wobei sowohl direkte – also Lieferungen in das Eurofighter-Vorhaben – als auch indirekte Offset-Geschäfte zulässig sind.  Dabei müssen anteilig alle drei großen Schweizer Sprachgebiete berücksichtigt werden. In den vergangenen zehn Jahren habe Airbus bereits Komponenten für rund zwei Mrd EUR aus der Schweiz bezogen, sagte der Vertriebsvorstand von Airbus Defence and Space. Auf Wunsch sei Airbus auch bereit, die Montage der voraussichtlich 30 bis 40 Flugzeuge in der Schweiz zu prüfen. Offenbar würde die Bundeswehr in einem solchen Fall auch erwägen, Flugzeuge für den eigenen Bedarf in der Schweiz endfertigen zu lassen.

Die deutsche Seite – das Geschäft soll als Government-to-Government-Vorhaben realisiert werden – führt als weiteren Vorteil die Partnerschaft der vier Nationen Großbritannien, Spanien, Italien sowie Deutschland ins Feld. Da diese Länder den Eurofighter in ihren Streitkräften einsetzen, hätte die Schweizer Luftwaffe auf einen Schlag mehrere Kooperationspartner in Europa.  Darüber hinaus  könnte die Schweiz die Übungsplätze in den genannten Ländern für das Training nutzen. Vor dem Hintergrund des kleinen Luftraums der Eidgenossenschaft ein wichtiger Punkt. So waren mit den deutschen Vertretern auch die Verteidigungsattaches  des Vereinigten Königreichs und Spaniens auf der Veranstaltung präsent.

Bei den Flugtests am Freitag waren ein zweisitziger und ein einsitziger  Eurofighter der Royal Air Force in der modernsten Konfiguration im Einsatz. Als Kopilot im Zweisitzer war ein Vertreter der Schweizer Luftwaffe, der über die Schulter schaute. Der Grund, warum die die britischen Eurofighter – dort als Typhoon bezeichnet  – für die Vergleichstests genutzt werden, liegt an deren fortgeschrittenem Bauzustand im Vergleich zu den Maschinen der anderen Luftwaffen. So haben die Briten bereits Effektoren wie die Lenkflugkörper Meteor oder Brimstone in ihrer Variante integriert.  Die deutsche Luftwaffe will offenbar bis Jahresende mit der Meteor-Integration nachziehen. Die Briten haben einen Vorsprung gegenüber den anderen Ländern, weil die Eurofighter früher die Rolle der ausgemusterten Tornado-Jagdbomber übernehmen mussten.

Britische Typhoons vorgeführt

Die in Payerne eingesetzten britischen Typhoons sind mit dem mechanischen Radar ausgestattet und noch nicht mit den für Deutschland vorgesehenen E-Scan-Radaren. Airbus will das modernere AESA-Radar jedoch in seiner Offerte für Bern integrieren. Grundsätzlich bietet die deutsche Seite die gleiche Konfiguration der Schweiz an wie sie als Tranche vier – als Ersatz der ältesten Eurofighter der Tranche 1 – mit einer Stückzahl von 36 für die Luftwaffe beschaffen will. Dem Vernehmen nach soll der Vertrag für diese Neubeschaffung  im kommenden Jahr zwischen dem BMVg und Airbus unterschrieben werden.

Ein Vorteil für den Eurofighter im Vergleich zum französischen Rafale, der F/A-18 Super Hornet und  der F-35 dürfte die vergleichbar einfache Integration von Flugkörpern in das Flugzeug sein. So haben die Briten – wie beschrieben – bereits Meteor und Brimstone zertifiziert. Die deutsche Luftwaffe fliegt die Iris-T sowie die AMRAAM und hat die Luft-Boden-Waffen GBU-48 erst kürzlich zugelassen.  Die Integration der Meteor steht bevor. Gerade letztere wurde in einem Bericht einer schweizerischen Expertenkommission als gegenwärtig leistungsfähigster Luft-Luft-Flugkörper großer Reichweite bezeichnet, was auf ein gewisses Interesse an der Nutzung durch die Schweizer Luftwaffe hindeutet.  Die Luftwaffe des Nachbarlandes könnte auch bereits beschaffte Lenkflugkörper wie die AIM-120 AMRAAM auf dem Eurofighter weiternutzen.

Airbus weist überdies  darauf hin, dass die Partnernationen an der Weiterentwicklung unter Einbeziehung der Schweizer Expertise interessiert sind.  Ob dies auch bei Konkurrenzprodukten möglich ist, werden die kommenden Präsentationen zeigen. So wird die Super Hornet nur von den US-Marinestreitkräften sowie Australien und demnächst Kuwait geflogen. Auch der schwedische Gripen und Rafale werden nur von wenigen Nationen genutzt, wobei zumindest ein Fragezeichen hinter der Weiterentwicklung steht.

Auch die deutsche Luftwaffe hat ein großes Interesse an der Kooperation mit der Schweiz. „Die Möglichkeit der Weiterentwicklung der Partnerschaft zwischen der deutschen und der Schweizer Luftwaffe bezieht sich natürlich nicht auf den Eurofighter allein“, sagte Oberst Ingo Stüer vom Kommando Luftwaffe.  Die Bundeswehr biete auch eine engere Zusammenarbeit in Bereichen wie dem Lufttransport und der Luftbetankung an, stellte der Luftwaffen-Offizier in Aussicht. Erst vor wenigen Monaten hatte das BMVg den Aufbau eines zweiten Standorts für 13 Transportflieger des Typs A400M im bayerischen Lechfeld angekündigt. Die Transporter  sollen ab 2025 dort stationiert werden und hätten nur eine kurze Distanz zum Schweizer Luftraum zu überwinden.

Österreich bleibt Problem

Während das deutsche Angebot sehr umfassend ist und sich Airbus mit seiner industriellen Potenz hinsichtlich der geforderten Offset-Leistungen in einer guten Position befindet, hat der Konzern in der Eidgenossenschaft dennoch ein erhebliches Handicap: Aufgrund der seit Jahren immer wieder in die Schlagzeilen geratenen Probleme mit den Eurofightern des österreichischen Bundesheeres hat das Kampfflugzeug und der Konzern bei einer Reihe von  Beobachtern in der Schweiz ein schlechtes Image. Die Ungereimtheiten bei der Eurofighter-Beschaffung in Österreich mit Schmiergeldvorwürfen, Gerichtsprozessen und einer angeblich geringen Verfügbarkeit der österreichischen Jets verbunden mit hohen Betriebskosten dürften für Airbus bei der gegenwärtigen Kampagne nicht hilfreich sein.  Die Republik Österreich sah sich sogar durch  betrügerische Handlungen von Airbus geschädigt und hatte deshalb Klage gegen das Unternehmen eingereicht. All diese Entwicklungen werden in der Schweiz genau registriert.

Auch in Payerne wurde nach den Gründen für die geringe Verfügbarkeit der deutschen Eurofighter im vergangenen Jahr gefragt. Ob die Aussage der deutschen Amtsseite, nicht genug Ersatzteile bestellt zu haben,   die Schweizer Öffentlichkeit überzeugen kann , bleibt abzuwarten.
lah/15.4.2019

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