Beim anstehenden Mega-Rüstungsprojekt des Heeres, der Digitalisierung landebasierter Operationen (D-LBO), rechnen zahlreiche Unternehmen im kommenden Jahr mit deutlichen Fortschritten. Wie es am Rande der DWT-Veranstaltung „Wege zu digitalisierten Landstreitkräften“ am Dienstag in Bonn hieß, könnte das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw womöglich in der zweiten Jahreshälfte 2019 eine Ausschreibung veröffentlichen, die Unternehmen zur Teilnahme an einem Auswahlprozess für D-LBO auffordert. Während offziell noch nicht festgelegt sein soll, ob die Umsetzung der D-LBO dem BAAINBw oder einem Generalunternehmen übertragen wird, geht die Mehrzahl der auf der Veranstaltung befragten Unternehmen von Letzterem aus.
Dabei wird erwartet, dass im Rahmen der Ausschreibung zwei oder drei Konsortien zum Wettbewerb zugelassen werden und dabei aufgefordert werden, ihre Lösungen in einem iterativen Prozess zu demonstrieren. Sollte es tatsächlich so kommen, wünscht sich offenbar das Heer als zukünftiger Hauptnutzer, dass der Test- und Versuchsverband für die Digitalisierung für Praxistests der Unternehmenslösungen herangezogen wird. In den Test- und Versuchsverband, der den Angaben des Heeres zufolge noch 2018 aufgestellt wird, werden auch die Niederländer eingebunden, die gleichzeitig ihr eigenes IT-Projekt verfolgen.
Einige Unternehmen gehen davon aus, dass die finale Entscheidung für ein Konsortium, dass das erste Los von Technik liefern soll, nicht vor 2021 fallen wird. Hinter den Kulissen werden deshalb offenbar intensive Gespräche über mögliche Kooperationen zwischen den Industrievertretern geführt.
Bekanntlich hat bereits Rheinmetall mit Rohde & Schwarz ein Joint Venture für das Thema Digitalisierung gegründet, an das auch die ESG angekoppelt ist. Dem Vernehmen nach will Rheinmetall sein Battle-Managementsystem, das auf dem Konzept Infanterist der Zukunft basiert, auf Einheiten in Kompaniegröße ausweiten. In den Ebenen darüber könnte das von ESG entwickelte System Taranis aufsetzen. Die ESG hat das Artilleriesystem Adler für die Artillerie entwickelt, von dem offenbar Taranis abgeleitet ist.
Als Konkurrenz zu den ESG-Produkten wird die C4-Software des dänischen Anbieters Systematic gehandelt. Nach Aussage des Unternehmens werden IT-Lösungen von Systematic in den Streitkräften von mehr als 50 Ländern genutzt, darunter auch den USA. Die Software mit der Bezeichnung Sitaware könne auf unterschiedlichen Geräten integriert werden, darunter auch alten Geräten und sei risikoarm, da es sich laut Hersteller um ein Off-the-Shelf-Produkt handelt.
Insider spekulieren, dass auch Thales in Kooperation mit Atos ein Team bilden könnte. Wobei Thales gemeinsam mit KMW für einen Kunden in Mittelost bereits die Digitalisierung von gepanzerten Einheiten umgesetzt hat. Auf jeden Fall wird Thales einen Partner benötigen, der sich um die Integration der Technik in die Fahrzeuge kümmern wird.
Als Generalunternehmer könnte sich womöglich auch Airbus sehen, wie es aus gut informierten Kreisen heißt. Das Unternehmen dürfte über große Expertise im Bereich „Systems of Systems“verfügen, wobei es sich bei D-LBO ja letztlich handelt. Außerdem hat Airbus Defence and Space den deutschen Behördenfunk auf Basis der Tetra-Systemtechnik für mehrere Hunderttausend Nutzer aufgebaut und soll diesen modernisieren. Womöglich könnten Komponenten der Tetratechnik auch für die D-LBO genutzt werden
Nicht auf der DWT-Konferenz, aber vor einigen Woche auf einer AFCEA-Veranstaltung war der schwedische Rüstungskonzern Saab vertreten, der ebenfalls ein Angebotspaket für die Digitalisierung schnürt. Dabei haben sich die Schweden mit Griffity Defense als Verantwortlichen für die Systemarchitektur, der Flensburger FFG für die Integration ins Fahrzeug sowie Fraunhofer IOSB für das graphische User-Interface zusammengetan. Saab will als Systemintegrator fungieren und zeichnet verantwortlich für die Kommunikation sowie IT-Sicherheit. Als Command-and-Control-Software soll die selbst entwickelte 9Land zum Einsatz kommen.
lah/27.6.2018