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Taurus-Neuproduktion und Plattformintegration kurzfristig möglich?

Waldemar Geiger und Lars Hoffmann 

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Mit dem Luft-Boden-Flugkörper Taurus verfügt die deutsche Luftwaffe über eine hochpräzise Abstandswaffe mit großer Reichweite, welche auch von der Ukraine seit längerem erbeten wird. Obwohl sich mehrere grüne und liberale Politiker der Ampel-Koalition für die Lieferung des Taurus an die Ukraine ausgesprochen haben, hat die Bundesregierung bis heute nicht über die Abgabe der Abstandswaffe an das im Abwehrkampf stehende Land entschieden. Allem Anschein nach gibt es insbesondere in der SPD-Fraktion große Bedenken gegen eine solche Lieferung.

Wenige Tage nachdem eine von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte Bundestagsinitiative zur Lieferung von Taurus-Flugkörpern an die Ukraine gescheitert ist, erklärte SPD-Politiker Johannes Arlt, Mitglied im Verteidigungsausschuss und selbst Luftwaffenoffizier, im Deutschlandfunk seine Ablehnung einer Taurus-Lieferung.  „Ich rede auch davon, dass wenn wir die einmal abgegeben haben, dass diese Taurus auch weg sind, diese Marschflugkörper und wir im Moment auch keine Möglichkeit haben, die nachzuproduzieren in einem absehbaren Zeitraum und die in unseren Beständen aufzufüllen oder weitere zu liefern“, so Arlt wörtlich.

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Diese Begründung wird insbesondere in den sozialen Medien stark kritisiert, da sie offenbar im Gegensatz zur Aussage des Herstellers steht. „Sowohl die Taurus-Neuproduktion, die Plattformintegration als auch die Überholung der Bestände können wir kurzfristig anschieben. Voraussetzung ist die Beauftragung durch den Kunden“, wird Joachim Knopf, Geschäftsführer Taurus Systems GmbH (TSG), in einem Post der MBDA Deutschland, dem Miteigentümer der TSG, auf der Plattform X zitiert.

Streng genommen können beide Aussagen aufgrund der fehlenden sprachlichen Präzision gleichzeitig nebeneinander bestehen. Knopfs Aussage bezieht sich darauf, dass die Neuproduktion kurzfristig angeschoben werden kann. Wann der erste Taurus ausgeliefert werden könnte, erklärt die Aussage nicht. Und auch Arlt bleibt in seiner Begründung sehr vage, da er den „absehbaren Zeitraum“ nicht definiert. Je nach Interpretation können damit Monate oder Jahre gemeint sein. Zudem hat er formal auch Recht, dass derzeit keine Möglichkeit der Taurus-Nachproduktion besteht, da diese ja nicht angeschoben wurde, wie der Taurus-Geschäftsführer selbst ausführt.

Genau hier beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz: Wenn der Bund keine Finanzmittel freimacht und den Hersteller nicht mit der Nachproduktion beauftragt, wird dieser die Produktionslinien auch nicht aktivieren und mit der Arbeit beginnen. So lange bleibt dann auch das Argument valide, dass Deutschland derzeit keine Möglichkeit der Taurus-Produktion hat. Wer nicht will, der bekommt eben auch nicht. Fest steht zumindest, dass eine Neuproduktion sowie Integration des Flugkörpers auf andere Luftplattformen möglich ist. Fraglich ist was mit „kurzfristig“ gemeint ist.

Drei Länder nutzen Taurus 

Gegenwärtig setzen Deutschland, Spanien sowie Südkorea auf den Taurus. Hersteller ist die Taurus Systems GmbH, ein Joint Venture von MBDA Deutschland, die 67 Prozent hält, sowie der schwedischen Saab Dynamics AB mit 33 Prozent.

In der Luftwaffe wurde das Waffensystem Mitte der 2000er Jahre auf dem Tornado eingeführt. Zudem fanden bereits erste Trageversuche auf dem Eurofighter statt. Nach Angaben der Luftwaffe von 2019 starteten 2014 nach zehn Jahren Lebensdauer die ersten geplanten Grundüberholungen der Taurus-Lenkflugkörper. Die letzten Taurus sollten diese Maßnahmen 2020 durchlaufen. „Hierbei werden lebensdauerbegrenzte Bauteile und im wirtschaftlich sinnvollen Umfang obsoleszenzbehaftete Hauptbaugruppen ersetzt“, schrieb die Luftwaffe 2019. Einer früheren Aussage eines TSG-Managers zufolge wurden in der angesprochenen Grundüberholung ein verbesserter GPS-Empfänger eingebaut, der „sehr störsicher“ sei.

Hohe Reichweite

Der Taurus weist laut Hersteller eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern auf und nähert sich dem Ziel idealerweise im Konturenflug in einer Höhe von weniger als 50 Metern. Der Tiefflug macht den Taurus durch herkömmliche Radare schwer detektierbar, während ein Trägerflugzeug aufgrund der Reichweite der Lenkwaffe eine kürzere Zeit der gegnerischen Luftverteidigung ausgesetzt ist. „Unsere Überlebenswahrscheinlichkeit wird größer, wenn wir tief fliegen“, so ein TSG-Manger 2019. Da der Taurus als Sensor einen passiven Infrarotsuchkopf verwendet, erhöht dies seine Überlebenswahrscheinlichkeit weiter. Lediglich ein Radar-Höhenmesser zur Navigation emittiere eine schwache Strahlung, erklärte der TSG-Mitarbeiter. „Nach vorne haben wir dagegen keine Strahlung.“

Wirksamer Tandem-Gefechtskopf

Ausgelegt ist der Taurus auf die Bekämpfung von stationären Punkt- und Flächenzielen. Dabei versetzt ihn der Tandem-Gefechtskopf in die Lage, sogar stark ausgebaute Bunker zu penetrieren: Eine Vorhohlladung sprengt beim Aufschlag eine Lücke in die Bunkerwand durch die der nachgeordnete Penetrator ins Innere eindringt. Die Vorhohlladung wird mittels eines Laser-Sensors gesteuert, während der Sensor des Penetrators auf den Eindringwiderstand reagiert. Damit soll es möglich sein, innerhalb des Bunkers mehrere Etagen zu durchdringen, bis die Detonation ausgelöst wird. Der Taurus ist in der Lage, in verschiedenen Winkeln, darunter sehr flachen, das Ziel anzufliegen. Die beste Wirkung wird bei einem verbunkerten Ziel jedoch in der Regel erreicht, wenn der Taurus in der letzten Flugphase aufsteigt – das sogenannte Pop-up – und in einem steilen Winkel in den Sturzflug geht.

Um das Ziel zuverlässig im anspruchsvollen Konturenflug, insbesondere wenn dieser durch Bergregionen führt, zu finden, setzt der Taurus im Wesentlichen auf drei Navigationssensoren. Neben dem GPS ist dies eine Terrain Based Navigation (TRN) sowie eine Image Based Navigation (IBN). Bei letzterer sind in der thermalen Karte des Flugkörpers Referenzpunkte markiert. In der Regel handelt es sich dabei um Punkte, die ihre thermische Signatur nur wenig verändern, wie Brücken, große Wegkreuze oder Flussläufe. Beim TRN wird eine dreidimensionale Karte mit den Werten des Höhenradars abgeglichen. Über einen Filter werden die Navigationsdaten der verschiedenen Sensoren gewichtet und der Flugweg festgelegt.

Sollten alle drei Navigationssysteme ausfallen, könnte der Flugkörper laut Hersteller immer noch mit einem Kreiselkompass navigieren. Um ein Ziel mit hoher Erfolgsquote bekämpfen zu können, ist mitunter der Einsatz mehrerer Flugkörper erforderlich. Das Missionssystem könne dabei die Flugrouten von bis zu acht Flugkörpern vorplanen, ohne dass sich diese in den mitunter engen Korridoren ins Gehege kommen.

Waldemar Geiger und Lars Hoffmann