Die aktuell wieder aufflammende Diskussion rund um den Marschflugkörper Taurus zeigt wieder deutlich, dass die Zeitenwende in Deutschland noch nicht angekommen ist. Am wenigsten, so scheint es, in der Regierung, die offenbar immun dagegen ist, aus Fehlern der letzten beiden Jahre zu lernen.
Seit Monaten – spätestens aber seitdem die ersten bestätigten Bilder der von Frankreich und dem Vereinigten Königreich an die Ukraine gelieferten Flugkörper vom Typ Scalp/Storm Shadow öffentlich geworden sind – stellt sich die Frage, ob nicht auch Deutschland einen Teil seiner Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine übergeben sollte. Die politische Diskussion darüber ist offensichtlich noch nicht abgeschlossen. Dabei ist die Dauer der Diskussion im Grunde zweitrangig, wenn es um die Umsetzung einer Lieferung des Flugkörpers geht. Entscheidender wäre die Vorbereitung einer potenziellen Lieferung.
Seit langem wird davon ausgegangen, dass der Krieg noch lange dauern und die Ukraine damit noch genau so lange auf Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen angewiesen sein wird. Seit langem ist auch klar, dass die Munitionsdepots der Bundeswehr ungenügend befüllt sind. Seit langem ist zudem klar, dass die Produktionskapazität der Wehrindustrie ungenügend bzw. begrenzt ist und deren Aufbau oder Ausweitung ebenfalls lange braucht – Stichwort Artilleriemunition.
Egal ob für die Ukraine oder für eine „kriegstüchtige“ Bundeswehr, es sind deutlich mehr Taurus-Flugkörper notwendig, als die vor rund 20 Jahren gekauften 600 Systeme. Ob die Regierung noch Tage, Wochen oder Monate braucht mit der Taurus-Entscheidung ist somit nicht die wirklich relevante Frage. Das ist vielmehr die Frage, wieso man nicht dazulernt und die Produktion des Waffensystems, genauso wie die vieler weiterer Systeme, bereits vor Monaten angeschoben hat. Hätte man dies getan, müsste man sich jetzt auch nur noch mit dem politischen Für und Wider einer Taurus-Lieferung beschäftigen und nicht damit, ob und wann eine Nachproduktion möglich ist.
Waldemar Geiger