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Schleswig-Holstein und Hamburg wenden sich an das BMVg

Die sich gegenwärtig wieder verschärfende Corona-Pandemie lässt der Bundesregierung offenbar wenig Zeit zur Abarbeitung anderer Themen. Davon ist auch der Marineschiffbau  betroffen.   Obwohl der U-Boot- und seit Jahresbeginn auch der Überwasserschiffbau als nationale Schlüsseltechnologien gelten, sehen Beobachter nur begrenzte Auswirkungen in der Praxis. So zieht sich die Auftragsvergabe – etwa bei neuen Tankern und U-Booten – weiter in die Länge, während Modernisierungsvorhaben international ausgeschrieben werden. Für die deutsche Werftindustrie und die damit verbundenen Arbeitsplätze wird die Lage aufgrund des allgemeinen Konjunktureinbruchs jedoch immer bedrohlicher; die Bedeutung von Aufträgen der öffentlichen Hand wächst gleichzeitig. Die Entwicklung scheint auch Politiker in den deutschen Küstenländern zu alarmieren.

Gut informierten Kreisen zufolge haben deshalb Schleswig-Holstein und Hamburg jüngst einen Brief an das Verteidigungsministerium geschickt, in dem Zweifel an der stringenten Umsetzung des Prinzips der Schlüsseltechnologien angemeldet werden. Wie ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Kiel bestätige, wurde der Brief von den Regierungschefs beider Bundesländer, Daniel Günther sowie Peter Tschentscher, unterzeichnet.

In dem Dokument wird unter anderem kritisiert, dass sich der ursprünglich für 2019 vorgesehene Vertragsschluss für sechs U-Boote der Klasse 212CD, die zusammen mit Norwegen beschafft werden, im Volumen von mehr als 5 Mrd EUR voraussichtlich auf das kommende Jahr verschiebt. Gerade der U-Boot-Bau weist eine außergewöhnlich hohe nationale Wertschöpfung und damit Expertise auf, womit auch viele hiesige Zulieferer von einer Auftragsverschiebung  betroffen sind. Selbst der U-Boot-Bauer tkMS soll Presseberichten zufolge vor der Einführung von Kurzarbeit stehen. Gewerkschaftskreise führen die Maßnahme auf das verzögerte Norwegen-Geschäft zurück.

Experten in der Industrie und im Bundestag befürchten, dass aufgrund fehlender Aufträge viele Zulieferer im Schiffbau in die Insolvenz getrieben werden. Das ganze Ausmaß des Schadens dürfte jedoch erst sichtbar werden, wenn die Corona-bedingte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausläuft.   Der Gefahr abreißender Lieferketten aufgrund von Firmenzusammenbrüchen steht übrigens auch die deutsche Landsystemindustrie gegenüber.

Dass Tschentscher und Günther Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auffordern, sich stärker für eine zeitnahe Vergabe des U-Boot-Auftrages einzusetzen, zeigt letztlich den Druck, unter dem die beiden Politiker stehen. So verlangt die oppositionelle SPD im Kieler Landtag in einem Antrag von vergangener Woche von der Landesregierung, „gegenüber der Bundesregierung einen strategischen Dialog zur Perspektive des Marineschiffbaus in Deutschland und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit für die deutsche Marine einzufordern.“ Auch die CDU im Landtag plant als Regierungspartei, die den Ministerpräsidenten stellt, einen ähnlichen Antrag in nächster Zeit einzubringen.

Wie es in dem SPD-Papier  weiter heißt, werden die Bemühungen der Landesregierung unterstützt, den Marineschiffbau in seiner gesamten Wertschöpfungskette (Design, Konstruktion, Produktion, Zulieferer und Instandhaltung) als Schlüsseltechnologie zu stärken.  Dabei wird offenbar auf die vom Beschaffungsamt BAAINBw  geplante Vergabe von Instandsetzungsarbeiten am Tender Donau nach Osteuropa angespielt, die von Politikern auf Landes- und Bundesebene zum Teil heftig kritisiert wurde. Wie es aus Fachkreisen heißt, wurde die Vergabe jedoch mittlerweile abgebrochen.  „Die Vergabepraxis auf Bundesebene muss so geändert werden, dass Unternehmen in Deutschland beteiligt und die Systemkompetenz aus nationalem Sicherheitsinteresse erhalten bleibt“, fordern die SPD-Politiker in ihrem Antrag. Sollte sich auch die SPD im Bundestag dieser Forderung anschließen, dürften die Chancen auf eine Umsetzung steigen.
lah/26.10.2020

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