Die Ausschreibung der rumänischen Streitkräfte für eine geschütztes 4×4-Fahrzeug ist nur mit einem einzigen Anbieter in die finale Bewertungsphase gegangen. Dies gab das Verteidigungsministerium in Bukarest bereits vergangene Woche bekannt. Aus dem lang angekündigten Verfahren sind im Laufe des Prozesses immer mehr namhafte Anbieter ausgestiegen, sodass nur noch der türkische Fahrzeughersteller Otokar ein finales Angebot abgegeben hat.
Die rumänischen Streitkräfte planen seit geraumer Zeit, die überaus diverse und größtenteils veraltete Flotte am geschützten 4×4-Radfahrzeuge zu modernisieren. Mit den insgesamt 1.059 Fahrzeugen soll laut hartpunkt vorliegenden Ausschreibungsunterlagen ein breites Feld an Funktionen abgedeckt werden. So ist vorgesehen, im Rahmen des Autovehicule tactice blindate de tip uşor (ATBTU), zu Deutsch leichtes gepanzertes taktisches Fahrzeug, insgesamt neun Unterversionen einzuführen. Die Bewaffnung soll von Maschinengewehren im Kaliber 7,62 x 51 mm bis zu .50 BMG reichen und teilweise in einem unbemannten Turm integriert werden. Das ATBTU soll zudem als Mörserträger für Steilfeuerwaffen im Kaliber 81 mm und 120 mm genutzt werden. Auch die Verwendung als Sanitätsversion (MEDEVAC), für besondere Pionieraufgaben (EOD) oder zur Beweglichmachung von Trupps mit schultergestützten Boden-Luft-Flugabwehrraketensystemen (MANPADS) ist Teil der Anforderung. Aber auch einen Träger für den Panzerabwehrlenkflugkörper Spike LR und eine ABC-Aufklärungsversion ist gefordert. Von der Gesamtmenge sollen laut vorliegender Ausschreibung 881 Fahrzeuge an das rumänische Heer, 22 an die Luftwaffe und 16 an die Marine geliefert werden. Weitere 49 ATBTU sind für das vereinigte Logistikkommando und 40 für den Armeestab vorgesehen. Zudem sollen die Spezialkräfte 51 Fahrzeuge erhalten.
Neben konkreten technischen Anforderungen wie etwa einer Panzerung nach STANAG 4569 Level 2 und einem maximalen Gewicht von 10,5 Tonnen hat die rumänische Seite auch ganz klare Vorstellungen über die Beteiligung der eigenen Industrie. So sollen innerhalb der Vertragslaufzeit von 10 Jahren die Fahrzeuge in fünf Chargen ausgeliefert werden. Ab Fahrzeug 279 soll die Fertigung in Rumänien erfolgen. Von Beginn der lokalen Fertigung hat ein vollständiger Technologietransfer zu erfolgen. Dabei zeichnet auf rumänischer Seite der vollständig im Besitz des Verteidigungsministeriums befindliche Rüstungskonzern Romtehnica verantwortlich. Zudem soll der veranschlagte Auftragswert dem Vernehmen nach bei etwa 900 Millionen Euro liegen.
Diese Forderung gepaart mit dem vergleichsweise geringen Budget schreckten ursprünglich interessierte Unternehmen wie den französischen Hersteller Arquus mit seinen Sherpas, den spanischen Fahrzeugspezialisten Uro, welcher zusammen mit den staatlichen israelischen Rüstungsunternehmen Rafael anbieten wollte, und das US-Unternehmen Oshkosh ab. Das Ausscheiden von Oshkosh als Anbieter ist insbesondere in dem Lichte zu betrachten, dass Rumänien vor einem Jahr im Rahmen des „Foreign Military Sales“-Programms 129 Fahrzeuge des Herstellers vom Type Joint Light Tactical Vehicle (JLTV) im Wert von knapp 104 Millionen US-Dollar gekauft hat. Die ersten 33 Fahrzeuge, welche in der Ausführung M1278A1 Heavy Gun Carrier bestellt wurden, haben bereits im November 2023 die rumänischen Spezialkräfte erreicht.
Dem Vernehmen nach hatte neben Arquus noch Nurol Makina, der zweite türkische Interessent im potenziellen Bieterfeld, bis zuletzt versucht, eine Anpassung der Angebotskriterien zu erwirken. Der Umstand, dass beide Unternehmen von einem Angebot Abstand nahmen, scheint den geringen Erfolg dieser Bemühungen zu zeigen. Dabei hat speziell Nurol Makina bereits früher die Bereitschaft für einen Technologietransfer und die Errichtung einer lokalen Fertigung bewiesen. Das türkische Unternehmen liefert sein Ejder Yalçın an die ungarischen Streitkräfte und ist mit einer ungarischen Tochtergesellschaft an der Errichtung einer lokalen Fertigung beteiligt.
Das rumänische ATBTU Programm ist trotz oder gerade wegen des einzigen Gebotes noch lange nicht am Ziel. In den nächsten Wochen plant das Verteidigungsministerium die Evaluierung des Angebots und im Nachgang den Beginn der ersten Erprobungen. Beobachter sehen die äußerst diversen Anforderungen des Programms im Verbund mit dem knappen Budget als überaus schwierig an. So wurden in rumänischen Fachkreisen Stimmen laut, welche die Realisierbarkeit unter den gestellten Bedingungen infrage stellen.
Kristóf Nagy