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Erster Kandidat offenbar aus dem Rennen

Beim Großauftrag zur Beschaffung von bis zu 44 mittleren Transporthubschraubern für die Bundespolizei im Volumen von mehr als 1,5 Milliarden Euro geht es planmäßig voran. So hat das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren als verantwortliche Stelle bereits am 2. Juli die ersten Details zur Ausschreibung für das Vorhaben veröffentlicht.

Bis Anfang August mussten interessierte Bieter ihre Teilnahmeanträge abgeben, was auch geschehen ist. Beobachter gehen davon aus, dass im Februar kommenden Jahres die Abgabe eines ersten konkreten Angebotes erfolgen soll. Dem Vernehmen nach ist mittlerweile bereits der erste Interessent aus dem Wettbewerber-Feld ausgeschieden.

So befindet sich gut informierten Kreisen zufolge Leonardo nicht mehr unter den Anbietern, nachdem offenbar bestimmte Anforderungen des Tenders mit den eigenen Produkten nicht zu erfüllen waren. Noch im Wettbewerb verbleiben dürften damit mindestens Airbus sowie Sikorsky. Dem Vernehmen nach bietet der US-Hubschrauberbauer seinen Helikopter des Typs S-92 an.

Airbus wollte aufgrund des laufenden Ausschreibungsprozesses keine Aussagen zu den angebotenen Produkten treffen. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das Unternehmen mit seiner Super-Puma-Familie – etwa den Typen 215 und 225 – ein adäquates Angebot im Portfolio hat. Eine Militärversion des Airbus H175, der in Großbritannien als Ersatz für die Pumas der britischen Streitkräfte angeboten wird, dürfte dagegen eher weniger den Kriterien der Bundespolizei entsprechen.

Der US-Hubschrauberkonzern Bell hatte im Frühjahr seine neue Maschine des Typs Bell 525 für die Ausschreibung des Innenministeriums ins Spiel gebracht. Allerdings fordert die Beschaffungsbehörde, dass der Hubschrauber bei Abgabe der so genannten Best and Final Offer (BAFO) bereits nach europäischem Luftrecht zugelassen sein muss. Beobachter gehen davon aus, dass die Erfüllung dieser Auflage im Fall der  Bell 525 herausfordernd sein könnte. Schließlich handelt sich um einen neu entwickelten Hubschrauber, der bei seiner Vorstellung in Deutschland noch nicht alle Zulassungen besaß. Diese zu erlangen, gilt jedoch als zeitintensiv. Außerdem verlangt die Bundespolizei mindestens zwei Referenznachweise von verschiedenen Kunden des Helikopters zur Integration von einsatztaktischer Kabinenausstattung, zur Integration von Avionik-Systemen sowie der Integration von Suchscheinwerfern oder Electro-Optical Systems gefordert. Von Bell war bis zum Redaktionsschluss keine weitere Information verfügbar.

Wie aus der Ausschreibung hervorgeht, will die Bundespolizei für die neuen Helikopter eine Rahmenvereinbarung mit einer Laufzeit von zehn Jahren mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer schließen. Die ungewöhnlich lange Laufzeit von mehr als den sonst üblichen sieben Jahre wird unter anderem damit begründet, dass es sich um einen komplexen Auftrag und ein großes Auftragsvolumen handelt. Deshalb sei die Lieferung aller Komponenten innerhalb von sieben Jahren voraussichtlich nicht möglich.

39 Festbestellungen vorgesehen

Im Ausschreibungstext heißt es, dass das  Beschaffungsvorhaben die Herstellung und Lieferung einer Flotte marktverfügbarer mittlerer Transporthubschrauber (THS) einschließlich  Missionsausstattung,  die Erbringung von Leistungen der Logistik und Nutzungsbetreuung einschließlich der Lieferung der erforderlichen Arbeitsmittel sowie  technische und fliegerische Ausbildung einschließlich der hierfür notwendigen Ausbildungsmittel (Simulatoren) umfasst. Der Auftrag beinhaltet den Bau und die Lieferung von 39 Transporthubschraubern als Festbestellmenge und weiteren 5 THS als optionale Menge bei einer Liefermenge von 5 bis 6 Hubschraubern pro Jahr. Den Zuschlag erhält das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind

Der Begriff Marktverfügbarkeit beschreibt die Grundzulassung des Basishubschraubers nach dem europäischen Luftrecht. Dies geschieht durch Nachweis einer entsprechenden Zulassungsurkunde (Type Certificate – TC) der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA). Dieser Nachweis ist mit Abgabe des finalen Angebotes (Best and Final Offer, BAFO) vorzulegen. Ergänzend zur bestehenden Zulassung des Basishubschraubers zum Zeitpunkt der Abgabe des BAFO sei eine abschließende EASA-Zulassung aller verwendeten An- und Einbauteile spätestens zum Zeitpunkt der ersten Auslieferung vorzulegen, heißt es in der Ausschreibung.

Einsatz weltweit und unter widrigen Bedingungen

Das Aufgabenspektrum der zu beschaffenden THS-Flotte erstreckt sich auf den Lufttransport von Personen und Material sowie auf Sonderaufgaben. Die Erfüllung dieses Aufgabenspektrums soll weltweit in nahezu allen Klimazonen und unter schwierigen Wetter- und Sichtbedingungen sowohl bei Tag als auch bei Nacht gewährleistet sein. Dafür wird auch die Decklandefähigkeit auf den Bundespolizei-Schiffen der  Potsdam-Klasse sowie eine Luftverladebarkeit von THS in einer Frachtmaschine des Typs Antonov AN-124 gefordert.

Der THS muss in der Lage sein, mindestens 2.500 kg Ladung als Nutzlast in der Kabine (Innenlast, Flugbesatzung nicht eingeschlossen) oder 3.000 kg Ladung als Nutzlast am Lasthaken (Außenlast) zu befördern oder 300 NM Reichweite in einer Flughöhe von 4.000 ft unter den Bedingungen der internationalen Standardatmosphäre (ISA) und der Geschwindigkeit der größten Reichweite und 2.000 kg Nutzlast in der Kabine zu erreichen.

Die Bundespolizei fordert außerdem, dass der  Hubschrauber so konfiguriert sein muss, dass er für die uneingeschränkte Teilnahme am allgemeinen Luftverkehr GAT, VFR (Sichtflugregeln – visual flight rules), IFR (Instrumentenflugregeln – instrument flight rules), NVIS (Nachtflugsichtsystem – night vision systems) im europäischen Luftraum unter Visual und Instrument Meteorological Conditions (IMC) zugelassen ist.

Die neuen Maschinen müssen überdies so ausgestattet sein, dass sie mindestens für IFR Cat I – mit der Fähigkeit automatischer LPV-Anflüge – zugelassen sind. Darüber hinaus wird ein Enteisungssystem verlangt, das volle Enteisungsfähigkeit gewährleistet (Full Ice Protection System – FIPS).

Sandfilter sind vorgeschrieben

Die neuen Helikopter sollen überdies mit Sandfiltern für die Triebwerke zum Einsatz in sand- und staubhaltiger Luft ausgerüstet sein und mit einer Bestuhlung für 2 Piloten und einer Kabinenbestuhlung für 16 Passagiere ausgerüstet sein. Eine weitere Forderung sieht eine installierte Einfachwinde vor.
Außerdem fordert die Bundespolizei für den Hubschrauber eine verfügbare Kabinenfläche von neun Quadratmetern. Unter anderem diese Forderung soll dem Vernehmen nach zum Ausschluss von Leonardo geführt haben.

Beim Abfluggewicht (MTOW) dürfen 12.000 kg nicht überschritten werden. Dies Beschränkung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das Deck der neuen Bundespolizei-Schiffe maximal eine Last von 12 Tonnen tragen kann. Die Betriebsbereitschaft der THS-Flotte ist durch den Auftragnehmer sicherzustellen.  Zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Anbieters ist der Umsatz im Tätigkeitsbereich Hubschrauber, Drehflügler, Senkrechtstart- und senkrechtlandungsfähige Luftfahrzeuge (VTOL) für die letzten 3 Geschäftsjahre anzugeben. Der Umsatz muss mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr betragen.

Das Innenministerium fordert von den Bewerbern weiterhin, dass diese anhand eines Projektplanes darstellen, wie sie anhand ihrer Ressourcen planen, die zu liefernden Hubschrauber und zugehörigen Leistungen im Zeitraum bis 2032 zu liefern. Die Benennung aller Montagestätten zur Fertigung der Hubschrauber ist dabei erforderlich.
lah/4.10.2021