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Arbeitsplatzabbau an der Förde und weiter internationale Ausschreibungen

Die deutsche Werftindustrie befindet sich unter anderem aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie in einer konjunkturellen Krise.

Während bisher vor allem Werften wie Meyer, MV Werften oder Nobiskrug  betroffen waren, muss jetzt auch die auf graue Schiffe spezialisierte German Naval Yards Kiel (GNYK) die Kosten reduzieren. So kündigte das Unternehmen in der vergangenen Woche  intern den Abbau von Arbeitsplätzen an.  Parallel dazu hat das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw die Ausschreibung zur Reparatur des Marine-Tenders Donau europaweit laufen – obwohl der Überwasser-Marineschiffbau im Februar zur nationalen Schlüsseltechnologie erklärt wurde. 

Wie der NDR in einem Beitrag berichtet, will das Verteidigungsministerium  zwar nicht mitteilen, wer sich um den 9,7 Mio EUR schweren Auftrag zur Reparatur der Donau beworben hat. In der Branche wird jedoch gemutmaßt, dass sich Werften aus Polen oder Litauen dafür interessieren könnten. Da in diesen Ländern ein deutlich niedrigeres Lohnniveau herrscht, befürchten deutsche Werft-Vertreter, dass sie nicht konkurrieren können. Nach ihrem Verständnis umfasst die  Klassifizierung des Marineschiffbaus als Schlüsseltechnologie auch das Reparatur- und Instandsetzungsgeschäft. Ein internationaler Wettbewerb sei deshalb nicht erforderlich. Einzelne Vertreter der Schiffbauindustrie sprechen deshalb von einem Skandal. Denn schließlich erfordere die Instandsetzung von Marine-Schiffen den Aufbau und Erhalt von speziellem Know-how und Fachkräften. Würden deutsche Werften nicht berücksichtigt, müssten sie ihre Fähigkeiten abbauen oder seien sogar in ihrer Existenz bedroht.

Wie es im NDR-Beitrag heißt, teilte das Verteidigungsministerium auf Nachfrage mit, die Arbeiten seien auf Grundlage der EU-Vergaberichtlinie europaweit ausgeschrieben worden. Bei jedem Auftrag sei gesondert zu prüfen und technisch zu begründen, ob dieser gemäß der Schlüsseltechnologie-Klausel zu vergeben sei.  Veröffentlicht wurde die Ausschreibung am 19. März – also kurz nach dem Corona-Lockdown in Deutschland. Aus der Beschreibung der Arbeitsaufgaben geht hervor, dass es sich unter anderem um Konservierungsarbeiten, der Instandsetzung von Bunkern, Tanks und Zellen sowie Instandsetzungsarbeiten an Wohndecks, dem Trinkwassersystem und der Klimaanlage handelt. Gerade auch für kleinere Unternehmen hierzulande dürfte es sich um ein interessantes Vorhaben handeln.

Bei Arbeitnehmervertretern sorgt die internationale Ausschreibung für Kopfschütteln. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, fordert die Politiker in Berlin auf,  Klarheit zu schaffen. Im Kabinett zu sagen „Schlüsseltechnologie“ und die Arbeitsebene mache dann doch was sie will, kann er nicht nachvollziehen. „Das können und wollen wir nicht akzeptieren.“ Diese Kritik wird auch von Vertretern des Marineschiffbaus geteilt. Es wird überdies befürchtet, dass Instandsetzungsarbeiten durch ausländische Werften in Zukunft auch auf Kampfschiffe ausgedehnt werden könnten. So soll angeblich bereits ein polnisches Unternehmen zur Besichtigung einer Korvette eingeladen worden sein.

Während der Bund aufgrund der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit Milliardensummen für Kurzarbeit und Konjunkturhilfen – auch für Werften –  mobilisiert und über die Haftung für Kredite andere EU-Staaten großzügig unterstützt, droht bei einigen  Schiffbauunternehmen hierzulande ein personeller Kahlschlag. Denn Auftrage bleiben aus oder werden verschoben. So gilt nicht nur der in Mecklenburg-Vorpommern ansässige Kreuzfahrtschiffbaukonzern MV Werften als angeschlagen und hat Staatshilfen beantragt.  Auch die zur Privinvest gehörende Werft Nobiskrug in Rendsburg hat Presseberichten zufolge gestern angekündigt, rund 120 ihrer 470 Mitarbeiter  bis Monatsende zu entlassen. Wie auch in anderen Branchen ist noch nicht absehbar, welche Schiffbau-Unternehmen langfristig überleben werden, wenn die staatlichen Hilfen enden. Die Probleme werden mittlerweile auch im vergleichsweise stabilen Defence-Sektor sichtbar.

So steht die ebenfalls zu Privinvest  gehörende GNYK in Kiel offenbar vor einem massiven Stellenabbau, wie den Mitarbeitern vergangene Woche von der Geschäftsleitung mitgeteilt wurde. Die ohnehin schwierige wirtschaftliche Situation der Werft sei durch die Folgen der Corona-Pandemie noch einmal verschärft worden, heißt es zur Begründung. Diese Lage erfordere ein radikales Kosteneinsparungsprogramm.  Der bevorstehende Personalabbau soll unter anderem über die Einführung von Altersteilzeit und das Verleihen von Mitarbeitern an andere Werften –  unter anderem an Lürssen – gemildert werden. Gewerkschaftskreise fürchten, dass eine dreistellige Zahl an Mitarbeitern betroffen sein könnte. Das will die IG Metall mit allen Mitteln verhindern. Am Montag beginnen dem Vernehmen nach zwischen der Gewerkschaft und der GNYK-Geschäftsführung Tarifgespräche, bei denen die Beschäftigungssicherung ein herausgehobenes Thema sein dürfte.

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwäche der GNYK gehen Beobachter davon aus, dass Lürssen bei der Zusammenlegung der Marinesparten beider Unternehmen –  wie  im Mai angekündigt –  nicht zur Eile drängen muss. Denn nachdem die von GNYK gegen die MKS-180-Vergabe angestrengte Rüge zurückgezogen wurde, ergibt sich kein erhöhter Handlungsbedarf. Das dürfte allerdings Auswirkungen auf die Gespräche zur Konsolidierung der deutschen Marinebranche haben, in die auch TKMS eingebunden ist.

Wenn die aktuell kursierenden Gerüchte zutreffen, so zeigt die Partnerbildung beim Wettbewerb um die zwei neuen Tanker der Deutschen Marine, wie angespannt die Lage in der Schiffbauindustrie bereits ist. Denn wie es heißt, sollen die Meyer-Werft zusammen mit Lürssen sowie die MV Werften mit TKMS jeweils eine Bietergemeinschaft zumindest erwogen haben, wenn nicht sogar eingegangen sein. Die nächste Deadline für das Verfahren – das offenbar sehr komplex gestaltet wird – soll in wenigen Wochen liegen. Für die auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierten Unternehmen  Meyer sowie MV Werften sind Marine-Schiffe vermutlich nicht die erste Wahl und mit Risiken behaftet. Aber in der gegenwärtigen Krise müssen offenbar auch unkonventionelle Wege beschritten werden.

lah/10.9.2020

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